FC Bayern gewinnt in Wolfsburg:Geduselt, nicht gejuppt

Ein enttäuschendes Spiel, eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters und trotzdem ein Sieg. War das jetzt das Bayern-Gen oder einfach nur Glück? Luiz Gustavo bewahrt den FC Bayern mit seinem späten Tor in Wolfsburg vor tiefergehenden Debatten - vorerst.

Maik Rosner, Wolfsburg

Er hätte der Mann des Tages werden können, aber es reichte für ihn nur zu den Thesen des Tages. Wäre das Tor von Patrick Helmes zum 1:0 kurz vor der Pause nicht zu Unrecht aberkannt worden, die Welt wäre um seine beiden hübschen Befunde ärmer gewesen. Zumindest in dieser Hinsicht war es gar nicht schlecht, dass der Wolfsburger Angreifer eine unglückliche 0:1-Niederlage gegen den FC Bayern beklagen musste. Helmes also wagte die These: "Mit der Führung wären die drei Punkte sehr realistisch gewesen." Und er schob elegant nach, warum die Münchner doch gewonnen und die drei Punkte eingestrichen hatten: "Es hat das Tor gefehlt, das gefallen ist."

VfL Wolfsburg - FC Bayern München

Gott? Glück? Bayerns Luiz Gustavo bedankte sich nach seinem Siegtor in Wolfsburg ganz oben.

(Foto: dpa)

Sein Trainer Felix Magath plädierte deshalb ziemlich ungehalten auf die rasche Einführung technischer Hilfsmittel. "Eine katastrophale Entscheidung. Wenn vier Schiedsrichter nicht in der Lage sind, so eine Szene richtig zu bewerten, dann wäre es besser, wenn man den Fernsehbeweis einführen würde", sagte Magath.

Es ist nach diesem glücklichen 1:0 wieder viel vom Dusel der Bayern die Rede gewesen, auf den sie angeblich ebenso ein Patent angemeldet haben wie auf das sagenumwobene Bayern-Gen, das den unbedingten Willen und die Fähigkeit zum Gewinnen qua Vereinsmitgliedschaft garantiert. Vielleicht kam ja tatsächlich beides zusammen bei diesem Tor von Luiz Gustavo in der Nachspielzeit, das einen geschichtsträchtigen Fehlstart gerade noch abgewendet hatte.

War es erzwungenes Glück? Oder die "Siegermentalität" und der "Siegeswillen", die Sportdirektor Christian Nerlinger erkannt haben wollte und das Tor als gerechten Lohn empfand? Vielleicht war es aber auch nichts von beidem und einfach nur ein glückliches, spätes Tor. Für den FC Bayern wäre das kein gutes Zeichen.

Eine Woche nach der 0:1-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach sind sie dadurch verschont geblieben von tiefergehenden Debatten über Anspruch und Wirklichkeit, über Transfers, Kaderstärke und strategische Vorgaben des Trainers Jupp Heynckes. Dabei sah es lange so aus, als müsse sich der deutsche Branchenführer auf ein 0:0 und damit auf erhebliche Verstimmungen einstellen.

Und wäre das Kopfballtor von Helmes nicht wegen einer angeblichen Abseitsstellung zu Unrecht aberkannt worden, wie auch Schiedsrichter Knut Kircher nach dem Videostudium ohne Umschweife einräumte, hätten sich drei Tage vor dem ersten der beiden Playoff-Spiele um den Einzug in die Gruppenphase der Champions League gegen den FC Zürich wohl so viele Diskussionsherde in München entzündet, dass alle Feuerwehrmänner der Welt machtlos gewesen wären. "Es wäre ganz schön was los gewesen, wenn wir nicht gewonnen hätten", stellte Toni Kroos nüchtern fest.

"Ich bin kein Verlierertyp"

So aber konnten sie sich gerade noch arrangieren mit einem weitgehend enttäuschenden Spiel, das sich kaum vom weitgehend enttäuschenden Auftakt der Vorwoche gegen Gladbach unterschied. Heynckes räumte mit der Sachlichkeit eines Regierungssprechers ein: "Ich kann bestätigen, dass das späte 1:0 glücklich war."

Sie werden jedoch nicht umhin kommen, sich einige Fragen zu stellen. Zum Beispiel die Kernfrage, warum sich ihre Mannschaft derart schwer tut und kaum Mittel findet, einen Gegner auszuhebeln. Allein auf Arjen Robben konnten sie nicht verweisen, der wegen Rückenbeschwerden in Wolfsburg fehlte. Zu selten steil gespielt habe man, wagte Kroos sich und seine Mitspieler zu kritisieren.

Philipp Lahm bemühte bei der Ursachenforschung die Psychologie. "Für das Selbstvertrauen ist es natürlich nicht gut, wenn man das erste Spiel verliert. Jeder Spieler macht sich dann seinen Kopf", befand der Kapitän. Nun aber könne man mit einem "guten Gefühl" gegen Zürich antreten - "und auch mit Selbstvertrauen". Denn es spiele keine Rolle, "ob es Bayern-Dusel war oder das stetige Anrennen. Wichtig sind nur die drei Punkte", sagte Lahm. Einstweilen müssen die Münchner wohl festhalten: Sie haben sich zum Sieg geduselt, nicht gejuppt.

Es ist noch nicht ganz klar, wohin der Weg der Bayern in dieser Saison führen wird. Den Titel haben sie sich vorgenommen, und auch das Finale der Champions League in der eigenen Arena. Einen eigenen Stil müsse man dafür entwickeln, hatte Heynckes gesagt, und nicht etwa wie der nach seinem fulminanten Auftaktsieg allseits bejubelte Meister Borussia Dortmund spielen, sondern "wie der FC Bayern". Das zumindest, glaubt man den Legenden vom Bayern-Dusel und Bayern-Gen, ist ihnen ja irgendwie auch gelungen.

Und Luiz Gustavo, nach seinem Debüt für Brasiliens Nationalelf am Mittwoch nun bei den Bayern spät zum Mann des Tages aufgestiegen, sagte einige Sätze, die die Legendenbildung förderten. "Wir sind eine sehr gute Gruppe. Wir werden noch sehr viele Siege erreichen. Ich will immer gewinnen, ich bin kein Verlierertyp." Und schließlich auf die Frage nach den fehlenden Mitteln in der Offensive: "Das kommt von alleine. Wir müssen nur ruhig bleiben und unsere Arbeit machen." Das war auch eine These des Tages. Genauso wie die von Passgeber Franck Ribery: "Wenn wir so weiterspielen, mache ich mir keine Sorgen."

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