Süddeutsche Zeitung

FC Bayern gewinnt gegen Valencia:Plötzlich überall Anführer

Der FC Bayern hat den Kader auch wegen der Niederlage im Champions-League-Finale neu strukturiert. Die Auswirkungen sind beim 2:1-Sieg gegen den FC Valencia erkennbar: Viele Spieler wollen Verantwortung übernehmen - beim Elfmeter kurz vor Schluss drängeln sich die Bewerber um den Ball.

Jürgen Schmieder

Die wichtigste Szene an diesem Abend ereignete sich in der Nachspielzeit, als so mancher Haupttribünen-Fan das Stadion bereits verlassen hatte, um dem Stau zu entkommen, der sich gewöhnlich nach den Heimspielen des FC Bayern im Parkhaus bildet. Was sollte schon noch passieren? Die Münchner führten souverän mit 2:1 gegen unterlegene und überforderte Gäste aus Valencia.

Es passierte jedoch noch etwas: Arjen Robben wurde im Strafraum gefoult, der Schiedsrichter sprach den Münchnern einen Strafstoß zu - und es war überaus interessant zu beobachten, was sich in den Sekunden danach ereignete. Thomas Müller ging recht forsch auf dem Elfmeterpunkt zu, Arjen Robben sowieso - auch Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger machten ein paar Schritte nach vorne. Schließlich schoss Mario Mandzukic.

Dass er das Spielgerät an die Füße des Torhüters wuchtete, geriet dabei zur Randnotiz, auch wenn Jupp Heynckes hinterher motzte: "Es ist ärgerlich, dass man einen Elfmeter nicht nutzt." Dem Trainer dürfte jedoch nicht entgangen sein, dass sich da fünf Spieler um die Ausführung des Strafstoßes bewarben - und wären Franck Ribéry (angeschlagen) und Javi Martínez nicht ausgewechselt worden, dann wären es wohl sieben gewesen.

Dieses Elfmeterschießen vor vier Monaten beim Champions-League-Finale beschäftigt den FC Bayern noch immer - vor allem die Tatsache, dass sich die Verantwortlichen damals schwergetan hatten, fünf Schützen zu finden, prägte die Personalplanung vor dieser Saison: Gestandene Männer wollten sie holen, die sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Sie entsorgten selbst den Pfosten, an den Bastian Schweinsteiger geschossen hatte, und stellten neue Tore auf. Es war dann auch eine recht kitschige Pointe, dass Schweinsteiger das erste Tor der neuen Champions-League-Saison schießen durfte. Und es war eine witzige Pointe, dass Toni Kroos - einer der Elfmeter-Verweigerer im Mai und zuletzt heftig kritisiert - seine herausragende Vorstellung mit einem sehenswerten Schuss zum 2:0 veredelte.

Der Gegentreffer durch Nelson Valdez kurz vor Schluss war ärgerlich (Heynckes: "Das darf nicht passieren"), aber auch nicht weiter schlimm. Die Spanier, gemeinhin als stärkster Gegner in der Münchner Gruppe ausgerufen, waren erschreckend harmlos und wunderten sich am Ende des Abends wohl selbst, wo plötzlich dieses Tor herkam. "Wir hatten viel zu viel Respekt", sagte Valdez nach dem Spiel.

Der FC Bayern probiert es also in dieser Saison erneut, nach 2001 wieder die Champions League zu gewinnen, der Sieg gegen Valencia war der erste Schritt, wie Karl-Heinz Rummenigge in einer eigenwilligen Rechnung feststellte: "Es ist ein Marathon, wir sind nun zwei Kilometer gelaufen, 40 weitere sind noch zu gehen." Er hätte auch sagen können: Es war das erste von 15 möglichen Spielen.

Diese 15 Spiele hatte der FC Bayern bereits in der Saison 2009/10 und in der vergangenen Spielzeit absolviert, am Ende jedoch zuerst gegen einen Stärkeren (Inter Mailand) und danach gegen einen Glücklicheren (FC Chelsea) verloren. Das soll in diesem Jahr keinesfalls passieren, deshalb ja die zahlreichen Zukäufe. "Wir haben einen stärkeren Kader als letztes Jahr", sagte Robben nach der Partie - und fast alle Kollegen sprachen von diesem Weg, den die Mannschaft bis ins Finale zu gehen habe.

Es gab in dieser Partie neben der Elfmeter-Szene noch weitere Momente, in denen deutlich wurde, dass der FC Bayern in diesem Jahr zahlreiche Anführer in seinem Kader hat, die organisieren, diskutieren, dirigieren - und bereitwillig Verantwortung übernehmen. Da gibt es jene Spieler, die bereits mehrere Jahre in München sind - Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Arjen Robben, Franck Ribéry - und ihre Qualitäten als Vorneweg-Geher bereits gezeigt haben.

Dazu kommen Spieler wie Manuel Neuer, Holger Badstuber, Thomas Müller und Mario Gomez, die jederzeit einen Elfmeter in einem Finale schießen würden. Es gibt Zugänge wie Mandzukic und Dante, die den Eindruck erwecken, keine Angst vor Verantwortung zu haben. Und natürlich gibt es Javi Martínez, der zum ersten Mal von Beginn an im Trikot des FC Bayern agieren durfte. Der Spanier ließ sich bei den seltenen Angriffen des Gegners weit zurückfallen und wirkte bisweilen wie ein Libero, ansonsten hielt er Schweinsteiger den Rücken frei, grätschte auch mal rustikal und konzentrierte sich erfolgreich darauf, keine Fehlpässe zu spielen. Ganz nebenbei schob er seine Mitspieler auf die richtige Position.

Danach sagte er ganz locker: "Es klappt wunderbar mit den Mitspielern. Ich habe mich sehr wohl gefühlt." Er lobt Dominanz und Ballbesitz und war sehr bemüht, sich selbst nicht in den Vordergrund zu drängen. Genau das haben sie gesucht beim FC Bayern: einen Spieler, der den Laden zusammenhält, die spektakulären Szenen bereitwillig anderen überlässt.

Der FC Bayern könnte auch in dieser Champions-League-Saison einen langen Weg vor sich haben. Dann droht jedoch Ungemach: Bei all diesen Anführern ist es durchaus möglich, dass es vor einem Elfmeterschießen zu heftigen Streitereien kommt, weil fast jeder unbedingt einen schießen möchte.

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