FC Bayern:Genervt von der Granatendebatte

Germany v Chile - FIFA Confederations Cup Russia 2017 - Group B

Hat nur noch ein Jahr Vertrag beim FC Arsenal und gilt deshalb weiter als Kandidat beim FC Bayern: der chilenische Offensivspieler Alexis Sanchez.

(Foto: REUTERS)
  • Der FC Bayern will sich nicht vom durchgeknallten Transfermarkt treiben lassen und hat in diesem Sommer bislang eher "Granätchen" verpflichtet.
  • Selbst sehr gute, aber noch nicht weltberühmte Profis sind inzwischen so teuer, dass der FC Bayern sie sich nicht leisten kann oder will.
  • Alexis Sanchez ist aber weiterhin ein Thema in München - aber nur dann, wenn der Klub zuvor markante Transfereinnahmen erzielt.

Von Christof Kneer

Auf welcher Position Cristiano Ronaldo wohl spielen wird, wenn er demnächst zum FC Bayern wechselt? Er könnte Ribéry verdrängen oder für Robben einspringen, auch wäre denkbar, dass er im Zentrum stürmt (natürlich nur dann, wenn Lewandowski nicht kann). Klar, und neben einem Mittelstürmer kann so ein Ronaldo sicher auch kicken, so ein Weltfußballer kann ja praktisch alles.

Im Grunde spricht also alles dafür, dass Bayern bald Vollzug meldet - außer vielleicht, dass Ronaldo nicht viel jünger als Robben ist, aber viel mehr verdient. Und dass er 150 oder 200 Millionen Ablöse kostet, aber gut, man kann nicht alles gleichzeitig haben: Den besten Spieler der Welt kriegen und dann noch Geld sparen, mei, alles geht halt nicht. Und hat man nicht aus hundert verschiedenen Mündern gehört, dass der Transfermarkt gerade völlig durchdreht, und hat nicht der beim FC Bayern entscheidende Mund, jener von Uli Hoeneß, gesagt, man werde sich in diesem verrückten Sommer "Granaten" leisten?

Kommt noch ein Neuer, könnte Gnabry noch verliehen werden

Das Problem ist: Das hat er nicht. Was der Mund tatsächlich sagte, war grammatikalisch ein wenig verschraubt, der Satz ging so: "Wir haben einen Kader, wenn man den verstärken will, muss man schon ziemliche Granaten kaufen." Sicher nur aus Gründen der besseren Verständlichkeit wurde der Satz etwas verschlankt, in der öffentlichen Wiedergabe las er sich so: "Wir werden in diesem Sommer Granaten kaufen." Manchmal wurden noch Ausrufezeichen kostenfrei mitgeliefert, eine Serviceleistung der Redaktionen womöglich.

Also: Granaten! Kaufen!

In dieser absoluten Version ist Uli Hoeneß' relativer Satz seitdem auf dem Markt. Es ist also kein Wunder, dass das neueste Drama aus der Feder Cristiano Ronaldos gleich mit einer Münchner Bühne in Verbindung gebracht wurde. So ernsthaft wurde das Cristiano-zum-FC-Bayern-Ding in den einschlägigen Gerüchteküchen hochgekocht, dass es dem Chef irgendwann zu blöd wurde. "Ins Reich der Fabel" verwies Karl-Heinz Rummenigge die Nummer vor ein paar Tagen in einem offiziellen Kommuniqué, "die Ente des Tages" sei das.

Wer Bayerns Klubchef kennt, weiß: Die Ente des Tages ist eine neue und somit glaubwürdige Formulierung. Sonst sagt er immer "Ende des Tages".

Zurzeit laufen der Confed Cup und die U 21-EM, aber Klubs wie der FC Bayern dürfen nicht hoffen, dass der rollende Ball die Gerüchte in den Hintergrund drängt. Der Markt ist so sensibel zurzeit, dass fast das Gegenteil der Fall ist: Jeder gelungene oder misslungene Pass eines Spielers wird sofort auf dessen Marktposition und die dazugehörigen Vereine hochgerechnet.

Wenn Serge Gnabry, dessen Wechsel nach München zuletzt kritisch besprochen wurde, bei der deutschen U 21 glänzt, heißt es gleich: Das ist Bayerns neuer Weltstar! Wenn Renato Sanches für Portugals U 21 ein Tor vorbereitet, steht er bei Bayern kurz vor dem Durchbruch; allerdings nur, bis ihm der nächste Rumpler rausrutscht, dann ist er wieder der größte Irrtum der Weltgeschichte und wird nach Unterhaching oder Ismaning abgeschoben. Und wenn der Chilene Alexis Sanchez gegen Deutschland beim Confed Cup trifft, ist er dringend einer für Bayern - und gleichzeitig noch viel teurer geworden.

Beim FC Bayern schweigen sie momentan, entscheidende Münder wie Uli Hoeneß befinden sich im Urlaub, aber was sie in ihren verschwiegenen Winkeln wahrnehmen, gefällt ihnen nicht so sehr. Hoeneß dürfte mit Missvergnügen hören, was aus seinem Satz geworden ist: Inzwischen wird jeder Transfer, den ein anderer Großklub macht, den Bayern zur Last gelegt, im Subtext tönt immer diese Frage mit: Wann kommt jetzt endlich Bayerns Granate?

Bayern hält sich eine Option offen

Beim FC Bayern ärgern sie sich über diese Granatendebatte, sie wollen sich von einem geisteskrank gewordenen Markt nicht treiben lassen. Selbst sehr gute, aber nicht weltberühmte Profis wie der italienische Mittelfeldspieler Marco Verratti, 24, von Paris St. Germain oder Yannick Carrasco, 23, belgischer Flügelmann von Atlético Madrid, sind inzwischen so teuer, dass Bayern sie sich nicht leisten kann oder will; ganz zu schweigen von Branchengrößen wie dem Franzosen Antoine Griezmann. Hochgerechnet auf einen Fünf-Jahres-Vertrag würde sich das Investment aus Ablöse und Gehalt selbst bei einem Spieler wie Verratti schon auf etwa 150 Millionen Euro belaufen. Die Bayern haben ihn gar nicht erst angefragt und sich lieber für Correntin Tolisso entschieden, einen 22-jährigen französischen Mittelfeldspieler, der auch über 40 Millionen, aber offenbar deutlich weniger Gehalt kostet.

Auch das ist eine Wahrheit, die man nun dem durchgeknallten Markt verdankt: Ja, die Bayern wollen die Champions League gewinnen, aber was Fähigkeit und Bereitschaft zum Monsterinvestment anbelangt, liegen sie in Europa auf Platz sieben oder acht, mindestens hinter Real, Barcelona, Paris, Chelsea und den Manchesters.

Die Bayern versuchen einstweilen, der Granatendebatte eine Granatenruhe entgegenzusetzen. Sie haben bisher Niklas Süle, Sebastian Rudy, Serge Gnabry und Correntin Tolisso verpflichtet, Granätchen eher, und jetzt nehmen sie sich Zeit zu entscheiden, ob das schon alles war. Es ist vor allem eine Option, die sie sich offen halten: Sollte sich tatsächlich noch ein hochkarätiger Offensivspieler wie Alexis Sanchez auftreiben lassen, könnten die Münchner Serge Gnabry ausbildungshalber weiterverleihen, zur TSG Hoffenheim etwa. Sanchez gilt den Bayern als Sonderfall, sein Vertrag beim FC Arsenal läuft nur noch ein Jahr, weshalb er zwar wahnwitzig teuer, aber vielleicht nicht wahnwitzigwahnwitzig teuer werden könnte. Dennoch würden sich die Bayern an eine solche - Achtung! - Granate wohl nur herantrauen, wenn sie zuvor markante Transfereinnahmen erzielen - etwa durch Verkäufe von Douglas Costa und Renato Sanches, die sich beide auf dem Markt fühlen dürfen.

Gut möglich, dass sich die Dinge beim Confed Cup und der U 21-EM vorentscheiden. Vielleicht ist Alexis Sanchez nach dem einen Turnier vollends unerschwinglich - und Serge Gnabry beim anderen Turnier so gut, dass die Bayern gar nicht mehr einkaufen müssen.

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