FC Bayern gegen Leipzig:Eine Machtdemonstration

FC Bayern gegen Leipzig: Thiago feiert sein Tor zum 1:0.

Thiago feiert sein Tor zum 1:0.

(Foto: AFP)

Die zum großen Duell stilisierte Partie zwischen dem FC Bayern und Neuling Leipzig ist schon vor der Pause entschieden. Beim 3:0 wirken die Münchner gegen den Herausforderer nach dem Wechsel sogar gnädig.

Von Christof Kneer

Pep Guardiolas Bayern haben den Gegner gerne überrascht. Die Bayern haben manchmal mit einer Dreierkette begonnen, die sich bei näherem Betrachten als Viererkette herausstellte, und kaum hatte man das nähere Betrachten abgeschlossen, war die Vierer- schon wieder eine Dreierkette. Guardiolas Bayern waren bei gegnerischen Trainern wegen ihrer Unberechenbarkeit gefürchtet, für Carlo Ancelottis Bayern galt bislang eher das Gegenteil. Man wusste etwa, wie sie spielen und aussehen würden auf dem Platz - bis zu diesem spektakulären Mittwochabend.

Als Mats Hummels sich vor dem Aufwärmen tatsächlich traute, den Kabinengang zu verlassen, war bereits klar, dass das kein normaler Abend werden konnte. Mats Hummels war aufgrund einer verlorenen Wette mindestens so blond wie neuerdings Lionel Messi, vielleicht sah er sogar aus wie Heino ohne Brille - am Ende schaffte er es aber tatsächlich, dass seine Frisur ein Symbol für diesen ganzen bunten Abend war. Beim 3:0 (3:0) gegen den Tabellenzweiten RB Leipzig präsentierte sich der FC Bayern auf eine Art und Weise, in der man ihn tatsächlich selten gesehen hatte.

Alonso eine Schwachstelle? Mitnichten, der Spanier veredelt den schönsten Angriff zum 2:0

Das galt weniger für die Qualität des Vortrages, denn in sehr guter Verfassung hatte man den FC Bayern im Laufe seiner Vereinsgeschichte immer wieder mal erwischt. Aber dass die Bayern szenenweise einen Aufsteiger aus Leipzig doubeln, der eigentlich einen völlig anderen Fußball spielt: Das war schon ziemlich einzigartig. Ein Tor wie Bayerns 2:0 (25.) schießt normalerweise eher Leipzig:

Der Chilene Arturo Vidal eroberte im Mittelfeld so aggressiv den Ball, als habe er in Backnang die Ralf-Rangnick-Schule besucht. Auch die weiteren Rangnick-Lektionen setzte er so perfekt um, dass Leipzigs Sportchef sich bestimmt gefreut hätte, wenn das Tor nicht zufällig gegen seine Elf gefallen wäre: Balleroberung, Umschaltpass auf Lewandowski, der ohne schuldhaftes Zögern querlegt zu Thiago, der wiederum Xabi Alonso sucht und findet. Auch das passte ja zu diesem unterhaltsamen Abend: dass ausgerechnet ein würdiger, älterer Herr, der aus einer völlig anderen Fußballzeit stammt, diesen modernen Hochgeschwindigkeits-Spielzug mit einem Tor veredeln durfte.

"Wir wollten vor der Winterpause bewusst noch mal ein Ausrufezeichen setzen, das ist uns vor allem in der ersten Halbzeit gelungen", sagte Philipp Lahn später, und Ancelotti sprach gar von "perfekten 30 Minuten", in denen die Münchner den Leipzig-Style mit allerlei eigenen Qualitäten würzten. Im Grunde war Bayerns Überlegenheit sogar ein Kompliment für den Gegner: Die Münchner nahmen den neuen Rivalen extrem ernst, fühlten sich vielleicht auch angestachelt von den Hymnen, die dem Aufsteiger zuletzt so ausdauernd gedichtet wurden. Jedenfalls liefen die Bayern mit einer inneren Schärfe auf den Rasen, die man unter der Regie des eher gemütlichen Ancelotti bisher noch nicht gesehen hatte.

Dennoch gelang es den Gästen zumindest in der Anfangsphase noch, ihre Tugenden sichtbar zu machen; am Anfang waren sie es, die schnell umschalteten und auf diese Weise sogar zu einer großen Chance kamen, als Youssuf Poulsen an einem Schuss von Timo Werner (4.) vorbeirutschte.

Das war Leipzig, der respektlose Rivale, dem es völlig egal ist, dass er neu ist auf dieser Bühne. Aber ein paar Minuten später gab es dann doch das zweite Leipzig zu sehen: die Elf, der man im Angesicht der bayerischen Klasse schon deutlich anmerkte, dass die meisten Spieler vorige Saison noch in der zweiten Liga unterwegs waren.

"Mit dem Foul hat Emil der Mannschaft keinen guten Dienst erwiesen"

Nach einer Viertelstunde war zu erkennen, dass die Gäste beeindruckt wirkten. Und ehe sie Zeit hatten, darüber nachzudenken, ob man im Rangnick-Fußball überhaupt beeindruckt sein darf, hatten sie schon das erste Tor kassiert - was sie nur noch weiter beeindruckte. Vor allem, weil es nun die Bayern waren, denen Thesen und Trends völlig egal waren - wie zum Trotz waren es ausgerechnet die nicht mehr komplett jungen Arjen Robben und Philipp Lahm, die sich von den sehr jungen Leipziger Balljägern nicht einfangen ließen.

Lahms Flanke lenkte Robert Lewandowski an den Pfosten, den Nachschuss bugsierte Thiago ins Netz (17.) - auch so ein Spieler, den der Hype um den Gegner offenbar herausgefordert hatte. Thiago hatte nicht nur seine feinen Füße mit aufs Feld gebracht, sondern auch seinen Körper, von dem er demonstrativ Gebrauch machte.

Es war ein Sieg des Willens und der individuellen Klasse, aber auch Ancelotti durfte sich (neben der sagenhaften Blondierung seines Abwehrspielers) einen Überraschungspunkt gutschreiben lassen: Er hatte Thiago auf die Müller-Position hinter Lewandowski gestellt, was zwei Effekte hatte: Erstens war Thiago damit - siehe 1:0 - nahe am Tor; zweitens bildete er mit den hinter ihm postierten Vidal und Alonso einen autoritären Mittelblock, der das bekanntlich sehr mittig geschnittene Spiel der Leipziger wirkungsvoll blockierte.

Womöglich sah das - rein inhaltlich - auch Thomas Müller so; dennoch dürfte es ihm nicht gefallen haben, dass er in einem wichtigen Spiel wieder draußen saß. Nur wenige Minuten nach dem 2:0 waren Leipzigs Chancen, aus diesem Spiel noch mal das angekündigte Duell zu machen, endgültig auf ein Minimum gesunken: Emil Forsberg sah für einen Tritt gegen Lahms Achillessehne zu Recht die rote Karte (30.).

In Unterzahl kann Leipzig ohnehin nicht wie Leipzig spielen, und so durfte der Aufsteiger sogar froh sein, dass nur noch Lewandowskis Elfmetertreffer folgte (45.) und die Bayern sich nach der Pause mit einem schwungvollen Verwaltungsakt begnügten. "Mit dem Foul hat Emil der Mannschaft keinen guten Dienst erwiesen", sagte Trainer Ralph Hasenhüttl später, "da hätte er wegbleiben müssen." Ein wahrer Satz, der - nur so nebenbei - auch zu Hummels' Friseur gepasst hätte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: