Süddeutsche Zeitung

FC Bayern gegen Darmstadt 98:Champagner gibt's später

Von Jonas Beckenkamp

In seiner Karriere im Weltfußball hat Pep Guardiola Herausforderungen gemeistert, die natürlich zu würdigen sind. Er gewann zum Beispiel die Champions League. Auch das Oktoberfest hat er über sich ergehen lassen - er trug dort sogar eine Krachlederne und sah passabel aus. Aber die wahren Hindernisse des Fußballtrainer-Daseins warten in der Bundesliga, das weiß der Mann aus Santpedor seit diesem Herbsttag in Darmstadt. Ein Stadion wie das Böllenfalltor dürfte der Katalane zuletzt als Teenager erlebt haben.

Unkrautbüschel, Turnhallenmief, Rostpatina - der Hauch des Ursprünglichen dürften Guardiola erstaunt haben. Nach einem überlegen geführten Spiel seiner Bayern lässt sich aber bilanzieren: Die widrigen Umstände nahmen er und seine Mannschaft stoisch hin, es kann halt nicht immer Champagner aus den Duschköpfen fließen. Beim 3:0 (1:0) sorgten Arturo Vidal (20. Minute), Kingsley Coman (62.) und Sebastian Rode (63.) mit ihren Toren dafür, dass Guardiola in seiner knirschenden Sitzschale am Seitenrand kaum seine Nerven strapazieren musste. Der SV Darmstadt 98 erlebte dagegen seine erste Saisonniederlage - freute sich aber trotzdem, dass der edle Besuch aus München jetzt auch den Geruch der Umkleiden am "Bölle" eingeatmet hat.

"Bis zur 60. Minute haben wir sehr gut verteidigt. Aus dem Spiel heraus haben wir relativ wenig zugelassen. Ab der 60. Minute haben wir ein bisschen optimistisch und naiv verteidigt", sagte 98-Trainer Dirk Schuster, "das Normalste der Welt ist passiert: Bayern hat 3:0 in Darmstadt gewonnen." Guardiola meinte: "Ich bin sehr zufrieden. Ich weiß, was es heißt, nach der Champions League hier zu spielen. Wir haben wenig zugelassen und gut gekämpft. Ich war der Meinung, dass wir ein bisschen rotieren müssen. Ich bin nun einmal der Trainer, das ist mein Beruf."

Begonnen hatte der Nachmittag mit Überraschungen: Die präsentierte Guardiola zum Anpfiff erst einmal auf der Ersatzbank, wo auf morschen Planken die Herren Alonso, Müller, Lahm, Martinez und Thiago Platz nahmen. Ohne den daheim gebliebenen Robert Lewandowski (leicht am Sprunggelenk verletzt) verblieb auf den Feld nicht gerade eine Eliteelf. Im Zentrum durften ausnahmsweise Joshua Kimmich und Sebastian Rode vorspielen, für vorne erinnerte sich Guardiola an einen Spieler namens Mario Götze. Das ist jener begabte Fußballer, mit dessen Jahresgehalt (an die zehn Millionen) man die halbe Mannschaft des SV Darmstadt kaufen könnte.

Sein Startelf-Debüt feierte Kingsley Coman, dessen luftiger Auftritt als Einwechselspieler in Piräus seinen Trainer offenbar inspiriert hatte. Coman, Douglas Costa, Götze - solche Berühmtheiten beehren die Bruchbude am Böllenfalltor sonst nur auf der Playstation. Doch von einem Konsolenkick war diese Partie weit entfernt. Es ging um echte Punkte - und die versuchten sich die Bayern in gewohnter Manier herauszukombinieren. Schon bei den ersten Ballkreiseleien mussten die Darmstädter erkennen, dass diesmal viel Hinterherrennen angesagt war.

Eine erste Gelegenheit ergab sich, als Coman und Vidal den Weg in den Sechzehner fanden, wo der Chilene knapp vorbeischoss (10.). Vidal war ja auch noch nie in Darmstadt, weshalb er sich beim Publikum gleich noch einmal vorstellte: Einen Querpass von Costa stoppte er zentral vor dem Strafraum mit Links, dann folgte ein Hieb mit Rechts, der sich vom Pfosten ins Tor hineinquirlte (20.). Darmstädter waren bei der Szene auch anwesend - sie standen nur leider alle bei Costa und schauten zu. Die Münchner Führung kam so überraschend wie der Bieranstich auf der Wiesn: Sie war ob der Dominanz der Bayern nur eine Frage der Zeit gewesen.

Das 0:1 besiegelte dann auch das Ende einer Darmstädter Serie: Bis zu diesem Zeitpunkt waren die "Lilien" das einzige Bundesligateam gewesen, das in dieser Saison noch keinen Rückstand erlebt hatte. Dass die Partie trotzdem interessant anzuschauen blieb, lag daran, dass die Darmstädter die von 98-Coach Dirk Schuster ausgerufene "Kampfzone" auf dem Feld durchaus erfolgreich installierten.

Weil ihnen bei ihren seltenen Ballgewinnen nur wenig Zeit blieb, ging es rasant nach vorne. Zwei Konterchancen waren das Resultat dieser Taktik - einmal prüfte Dominik Stroh-Engel Bayern-Torwart Manuel Neuer mit einem Dropkick (24.), danach knallte Marcel Heller einen Volleyschuss ans Außennetz (32.).

Recht viel mehr brachte der Aufsteiger in dieser einseitigen Begegnung aber nicht zustande. Die Bayern zelebrierten nach dem Wechsel ihren Einschnürfußball, sie hatten wenig Erbarmen. Über rechts flitzte plötzlich Rode los, seine Hereingabe erreichte Coman - und der Franzose schloss mit seinem ersten Bundesligator zum 2:0 ab (62.). Nur eine Minute später nutzte erneut Rode ein Riesenloch in der 98-Defensive zu einem weiten Lauf. Erst traf er den Pfosten, im Nachschuss erzielte er schließlich das 3:0 - ausgerechnet Rode, der im Landkreis Darmstadt-Dieburg aufwuchs, entschied die Sache.

Pep Guardiola hatte sich derweil von seinem Platz erhoben, er kommandierte noch Javi Martinez auf den Platz und verhalf dem Spanier zu einem weiteren Comeback nach seinen zahlreichen Verletzungen. Auch Müller und Alonso durften am Ende an diesem entspannten Kick teilnehmen, ihre Einwechslungen hatten vor allem einen Effekt: Sie werden ihren Enkeln eines Tages Großes erzählen können von diesem Stadion, in dem sie durch ein Kieselbett wieder Richtung Kabine stapften.

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