Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in der Champions League:Endspiel-Chancen bis zur 90. Minute

Lesezeit: 3 min

Die Fußballerinnen des FC Bayern verpassen gegen Chelsea ihr erstes Champions-League-Finale. Am Ende fehlt es in einer dramatischen Partie an Präzision, Entschlossenheit - und an Ruhe.

Von Anna Dreher, London/München

Noch vor einer Woche hatte Magdalena Eriksson gefehlt. Die Kapitänin des Chelsea FCW war verletzt, und wie sehr haben die Fußballerinnen des FC Bayern nun damit gehadert, dass Eriksson ausgerechnet zum Halbfinal-Rückspiel der Champions League wieder fit geworden war. Nicht nur weil sie dem Spiel der Engländerinnen mehr Stabilität verlieh. Sondern vor allem wegen ihres rechten Fußes: Musste die Schwedin den Schuh in der 90. Minute ausgerechnet vor der Linie hinhalten?

Als nach einer Ecke erst Klara Bühl aufs Tor schoss, wurde der Ball noch abgeblockt. Er landete bei Viviane Asseyi, und spätestens jetzt musste er doch über die Linie bei all dem Chaos, das da in der Abwehr herrschte. Fast hätte die Französin das auch geschafft, aber dann hielt Eriksson ihren Fuß eben geistesgegenwärtig im richtigen Moment an die richtige Stelle. Wieder war eine entscheidende Szene von Chelsea gewonnen worden - wie letztlich auch das ganze Spiel.

Die Münchnerinnen hätten sich an diesem Sonntag auch nach der 90. Minute noch ins Endspiel retten können. Chancen hatten sie. Aber nachdem Fran Kirby in der fünften Minute der Nachspielzeit zum 4:1 (2:1) für die Gastgeberinnen traf, da stand endgültig fest, dass der FC Bayern zum zweiten Mal nach 2019 den Einzug ins Finale der Königsklasse verpasst hatte.

"Das ist in der Höhe nicht verdient. Wir haben ein gutes Spiel abgeliefert. Chelsea war nicht die bessere, aber die effektivere Mannschaft", sagte Bayerns Trainer Jens Scheuer auf der Pressekonferenz. "Wir haben zu viele individuelle Fehler gemacht, die auf dem Niveau einfach nicht passieren dürfen. Die Enttäuschung ist groß." Im Finale wird Chelsea am 16. Mai in Göteborg auf den FC Barcelona treffen, der ebenfalls am Sonntag Paris Saint-Germain mit der deutschen Nationalspielerin Sara Däbritz besiegte. Chelseas Emma Hayes ist damit die erste Trainerin im Endspiel der Champions League, seit die heutige deutsche Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg 2009 mit dem FCR 2001 Duisburg den Titel gewann.

Die Münchnerinnen treten nicht so zwingend und mutig wie im Hinspiel auf

Dass Scheuer nach dem 2:1-Heimsieg der Münchnerinnen vor einer Woche von einer defensiven, bestens funktionierenden nun auf eine offensive Aufstellung mit Lea Schüller als Sturmspitze setzte, stellte Chelsea nicht vor größere Probleme. In der zehnten Minute legte Samantha Kerr den Ball bei einem Konter geschickt an Bayerns Abwehrspielerin Amanda Ilestedt vorbei und passte auf Kirby. Die Münchner Defensive rannte ihr noch im Pulk hinterher, aber Kirby hatte längst zum Schuss angesetzt - und kurz darauf sahen alle, wie der Ball zum 1:0 im Netz landete. Lineth Beerensteyn hätte vier Minuten später beinahe den Ausgleich erzielt, die Niederländerin aber verzog, für den FC Bayern begannen bange Minuten. Den Gästen war eine durch den Rückstand ausgelöste Verunsicherung anzumerken.

Während sich das gefährliche Angriffstrio um Kirby, Kerr und die frühere Wolfsburgerin Pernille Harder im Hinspiel kaum entfalten konnte, hatte es nun mehr Bewegungsfreiräume. So zwingend wie vor einer Woche, als die Münchnerinnen dem druckvollen Spiel Chelseas einen mutigen Auftritt entgegengesetzt hatten, agierten sie nun nicht. Und doch hielten sie den Anschluss in dieser per se ausgeglichenen Partie.

Carolin Simon trat eine Ecke kurz zu Lina Magull, deren Hereingabe prallte aus der Menge ins Feld, wo Sarah Zadrazil die Reise des Balles genau beobachtet hatte. Und statt weiter zu beobachten, ob sich vielleicht eine Mitspielerin in aussichtsreicher Position befand, donnerte sie den Ball in der 29. Minute aus rund 20 Metern voller Wucht aufs Tor, er knallte an die Latte und von dort spektakulär ins rechte Eck zum 1:1. Schüller verpasste knapp den nächsten Treffer (38. Minute), die Intensität dieser Partie wuchs und wuchs - und ab der 43. Minute der Druck für die Münchnerinnen, noch ein Tor zu erzielen.

Dem FC Bayern fehlt es an Präzision, Entschlossenheit und bisweilen auch an Ruhe

Ji Son-Yun hatte einen Freistoß in die Münchner Mauer geschossen, von wo der Ball direkt zu seiner Absenderin zurücksprang. Dieses Mal erwischte Ji mit ihrem aufprallenden Abschluss eine Lücke, durch die der Ball so schnell schoss, dass Torhüterin Laura Benkarth nur noch zuschauen konnte, wie er an ihr zum 2:1 vorbei über die Linie flog.

Trainer Scheuer versuchte, mit Wechseln zu reagieren. Und lange gelang es seinem Team auch, dieses Spiel weiter offen zu halten und sich immer wieder dem Tor zu nähern. Doch es fehlte an Präzision und Entschlossenheit und bisweilen auch an Ruhe. Manchmal auch an Glück. In der 84. Minute war es dann Harder, die diese Partie entschied. Nach einem scharfen Freistoß von Jessica Carter wurden am vorderen Pfosten weder Kirby, noch Harder bewacht, die aus dem Strafraum angerannt kam. Die Dänin machte den entscheidenden Schritt nach vorne und köpfelte zum 3:1 rein (84.). Und was auch immer die Spielerinnen des FC Bayern danach noch versuchten - der Ball wollte einfach nicht mehr ins Tor hinein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5282194
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.