Süddeutsche Zeitung

FC Bayern Frauen:Geschenk zum Abschied

Das letzte Heimspiel der Saison ist für Kapitänin Melanie Leupolz auch ihr letztes Heimspiel für den FC Bayern. Gegen Wolfsburg geht es um die Champions-League-Qualifikation - und ein mögliches Wiedersehen.

Von Anna Dreher

Diese Art von Abschied wäre doch sehr komisch gewesen. Anfang März, kurz nach dem Ende der Winterpause und dann auch noch im Ruhrgebiet statt in München. Immerhin, ein kleiner Trost, wäre es ein Abschied mit Tor, allerdings bei einem Remis - kein Treffer bei einem schillernden Auftritt mit Jahresrückblickspotenzial. Also nein, dieses 2:2 beim MSV Duisburg wäre wirklich nicht der ideale Rahmen gewesen, um ein letztes Mal im Trikot des FC Bayern auf dem Platz zu stehen. Aber als sich das Coronavirus im Frühjahr schon so weit über den Globus verbreitet hatte, dass auch die Fußballwelt nicht mehr weitermachen konnte wie sonst, da war dies ein durchaus wahrscheinliches Szenario. Und so sagte Melanie Leupolz in dieser Zeit der Unsicherheit: "Ich würde gerne noch mal für den FC Bayern spielen. Es ist kein schöner Gedanke, dass ich für den Klub schon mein letztes Spiel gemacht haben könnte."

Es hat eine Weile gedauert, bis ihr diese Befürchtung genommen worden ist. Inzwischen hat die Kapitänin des FC Bayern München seit dem Liganeustart Ende Mai in vier weiteren Partien das Trikot des Bundesligazweiten getragen, zwei kommen noch hinzu, bevor sie zur nächsten Saison nach England in die Women's Super League zum Chelsea LFC wechselt.

Der FC Bayern verliert damit nach sechs Jahren eine seiner prägendsten Spielerinnen, ein Gesicht der Mannschaft. Eine Europameisterin (2013) und Olympiasiegerin (2016), die im zentralen Mittelfeld verlässlich mit viel Übersicht, feiner Technik und großer Präsenz aufgefallen ist. Es passt also recht gut, dass Leupolz eine Woche vor dem Saisonende bei der SGS Essen ihr letztes Heimspiel diesen Sonntag (13 Uhr) gegen die großen Rivalinnen des VfL Wolfsburg absolviert, im Spitzenspiel der Bundesliga. Eine Sache jedoch passt nicht so gut. "Es ist schade, dass mein Ende beim FC Bayern so sehr von den allgemeinen Umständen überschattet wird", sagte Leupolz am Freitag. "Ich hätte mich gerne auch von den Fans verabschiedet."

Die 26-Jährige aus Wangen im Allgäu hat seit ihrem Wechsel vom SC Freiburg im Sommer 2014 eine wichtige Rolle bei der spielerischen Entwicklung des FC Bayern zu einem der besten Bundesliga-Teams inne gehabt. Das vergangene Jahr markiert mit dem Erreichen der Halbfinals von Pokal und Champions League eines ihrer erfolgreichsten. Und der FC Bayern investiert immer mehr, um Titel zu gewinnen. Als Leupolz als junges Talent kam, trainierte der FC Bayern noch auf einem zugigen Sportplatz in Aschheim. Wenn sie in wenigen Wochen als Führungsspielerin nach London zieht, verlässt sie einen der professionellsten deutschen Standorte für Fußballerinnen - aber eben in dem Wissen, dem Ruf eines noch professionelleren Standorts zu folgen.

Die englische ist auch bei den Frauen eine Profiliga und erfüllt damit jenes Kriterium, das Leupolz zuletzt hierzulande anmahnte: Wenn man die Bundesliga voranbringen wolle, müssten alle Spielerinnen den Sport professionell ausüben können. Derzeit können das nur wenige, was auch zu Problemen bei der Umsetzung des Hygienekonzepts im Rahmen des Neustarts nach der Corona-Pause führte und Folgen für den Wettbewerb hat. "Ich denke, der Fußball in England passt zu mir. Dort wird athletischer und schneller gespielt und in Chelsea legen sie zudem Wert auf tollen Ballbesitzfußball", sagte Leupolz. "Ich werde mein Spiel etwas umstellen müssen. Aber gerade das macht es ja super spannend, darin liegt der Reiz."

Wenn es am Sonntag im Campus-Stadion gegen den VfL Wolfsburg geht, dürfte Leupolz bei aller Vorfreude auf das Neue auch von Wehmut begleitet werden. Den Dauerkonkurrenten konnte sie mit dem FC Bayern im Titelkampf 2015 und 2016 besiegen, wurde von diesem dann jedoch oft vom Erreichen weiterer Erfolge gestoppt. Die wohl bitterste Niederlage war jene im Pokalfinale 2018, das Bayern im Elfmeterschießen 2:3 verlor. Diese Saison war im Pokal im Achtelfinale Schluss, ebenfalls gegen Wolfsburg. Die Meisterschaft hat der VfL am Mittwoch für sich entschieden. In der dieses Jahr als Turnier ausgetragenen Champions League trifft der FC Bayern im Viertelfinale auf Titelverteidiger Lyon - wohl ohne Leupolz. Noch steht die Entscheidung der Uefa zu den Wechselmodalitäten jedoch aus.

Aber ihr letztes Heimspiel hat nicht nur sentimentalen Wert. Wenn Bayern gegen Wolfsburg gewinnt, kann die TSG Hoffenheim nicht mehr Zweiter werden. Dann hätte sich der FC Bayern sicher für die Champions League qualifiziert, es ist das einzig verbleibende Saisonziel. Leupolz, die seit Jahren viel Verantwortung auf dem Platz übernimmt, könnte ihrem künftigen Ex-Klub zum Abschied also noch ein Geschenk machen und dem FC Bayern so in der Champions League wieder begegnen. Chelsea LFC hat sich bereits qualifiziert. Melanie Leupolz geht zum amtierenden englischen Meister.

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SZ vom 20.06.2020
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