Bayern-Frauen in der Champion League:Große Schritte Richtung Spitze

Enttäuschung beim FC Bayern, Carina Wenninger (FCB, 19), Hanna Glas (FCB, 5), Freude bei Chelsea FC, 02.05.2021, London

Zum zweiten Mal verpasst: Die Fußballerinnen des FC Bayern um Carina Wenninger (links) und Hanna Glas müssen sich im Halbfinale der Champions League dem Chelsea FCW geschlagen geben.

(Foto: Karsten Lauer/imago)

Die Ansprüche sind gewachsen: Bei den Fußballerinnen des FC Bayern ist die Enttäuschung über das Verpassen des Finales enorm - doch es gibt auch positive Signale.

Von Anna Dreher

Die Technik streikte. Irgendwie wollte der Ton nicht, wie bei so vielen virtuellen Treffen. Nur, dass das hier die Pressekonferenz nach dem Halbfinale der Champions League war. Ein eher ungünstiger Moment. Jens Scheuer saß vor dem Bildschirm und schaute dabei zu, wie der Pressesprecher seines Teams mit ein paar Klicks die verschiedenen Optionen auslotete.

Bitte, jetzt, die erste Frage. Aber immer noch kein Ton. Und in der vermeintlichen Stille war deutlich zu vernehmen, dass im Hintergrund eine Party stattfand. Gesang, Musik, Euphorie. Ja, in Kingsmeadow, dem Fußballstadion im Londoner Stadtteil Kingston upon Thames, wurde gefeiert. Aber es waren nicht die Spielerinnen des FC Bayern, die da zu hören waren. Deren Trainer legte nun seine Stirn in Falten und atmete tief durch.

Gerade hatte Scheuer eine dramatische Partie gesehen, die nicht so eindeutig verlaufen war, wie ihr Ergebnis vermuten lässt. Aber was half das schon. Der FC Bayern hat am Sonntag 1:4 (1:2) beim Chelsea FCW mit den deutschen Nationalspielerinnen Melanie Leupolz und Ann-Katrin Berger verloren. Nach dem 2:1-Heimsieg eine Woche zuvor reichte das nicht, um erstmals in der Vereinsgeschichte in das Königsklassen-Finale der Frauen einzuziehen.

"Das 4:1 ist in der Höhe nicht verdient. Wir hatten Möglichkeiten, wo definitiv ein zweites Tor drin war", sagte Scheuer, nachdem der Ton funktionierte. Er zählte auf, dass die Münchnerinnen auch in Führung gehen, zum 2:2 ausgleichen oder den 2:3-Anschlusstreffer erzielen hätten können: "Die Enttäuschung ist jetzt natürlich riesig, weil wir ein gutes Spiel abgeliefert haben. Chelsea war nicht die bessere, aber die effektivere Mannschaft. Wir haben zu viele individuelle Fehler gemacht, die auf dem Niveau einfach nicht passieren dürfen."

Bis Anfang April gelten die Spielerinnen des FC Bayern als Mannschaft der Stunde

Als es wieder technische Probleme gab, gab er zu verstehen, das habe doch alles keinen Sinn und wollte schon gehen. Scheuer seufzte, blieb noch, aber nach seiner zweiten Antwort war es genug. Er stand auf. Nur weg jetzt! Währenddessen hatte der FC Bayern auf seiner Homepage Statements der Klubverantwortlichen veröffentlicht. "Das Erreichen von Europas Top 4 ist ein großartiger Erfolg gewesen", wurde Präsident Herbert Hainer zitiert. "Es ist unser Anspruch, auch mit unseren Fußballerinnen internationale Spitze und in Deutschland die Nummer 1 zu sein. Diesem Ziel nähern wir uns mit großen Schritten." Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge sprach seine Überzeugung aus, "dass diese Mannschaft ihre tolle Entwicklung der vergangenen Jahre fortsetzen und sich als eine feste Größe im internationalen Spitzenfußball etablieren wird."

Damit dürften beide nicht danebenliegen. Aber was für einen Unterschied doch ein Monat ausmachen kann. Bis Anfang April galten die Spielerinnen des FC Bayern als Mannschaft der Stunde, als absolute Überflieger, quasi unüberwindbar. 26 Partien in Serie hatten sie gewonnen und sich dabei eine Bilanz erarbeitet, die ihre Dominanz zusätzlich verdeutlichte: 104:6 wettbewerbsübergreifende Tore.

Damit hatten auch sie sich jene Aura aufgebaut, die nach den vielen Erfolgen der Kollegen von der Säbener Straße den gesamten Klub umgibt. Das Team wirkte derart souverän und selbstbewusst, dass es auf dem besten Weg zu sein schien, die bei einem einst gefassten Vier-Jahres-Plan gesteckten Ziele zu überbieten. Die lauten, in dieser Saison einen Titel zu gewinnen und in den kommenden Jahren auch dank eines wachsenden Budgets international zu den führenden Vereinen zu gehören.

Women's Champions League - Semi Final Second Leg - Chelsea v Bayern Munich

Spektakulärer Schuss aus 20 Metern: Sarah Zadrazil (Mitte) bringt dem FC Bayern gegen Chelsea nach dem Führungstor von Fran Kirby noch den 1:1-Ausgleich in der 29. Minute.

(Foto: John Sibley/Action Images/Reuters)

Vielleicht ist der Druck der selbst geschürten Erwartungen dann zu groß geworden. Vielleicht war es eine gewisse Müdigkeit in Kopf und Körper nach intensiven Wochen. Vielleicht auch beides. Am 4. April jedenfalls kam die erste Saisonniederlage gegen den VfL Wolfsburg, ausgerechnet im Pokalhalbfinale. Ein Titel futsch. Unterbrochen von Länderspielen folgte Mitte des Monats die nächste Niederlage gegen die TSG Hoffenheim.

Das Aufbäumen danach gegen Potsdam war der Vorbote auf die beeindruckende Rückkehr zur bisherigen Stärke im Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen Chelsea, dessen gefürchtetes Angriffstrio um Samantha Kerr, Fran Kirby und Pernille Harder überhaupt nicht zu Wirkung kam. Im Rückspiel jedoch war Chelsea entschlossener, präziser, überlegter: Zweiter Titel futsch. "Wir waren nah dran", sagte Sarah Zadrazil, die in London als einzige Münchnerin traf. "Das tut sehr weh. Die Niederlage ist sehr bitter, das müssen wir erstmal sacken lassen."

Die Bayern haben immer noch eine gute Bilanz von 28 Siegen in 31 Spielen. Aber was hilft das schon, wenn jene Begegnungen verloren gingen, die nicht verloren gehen dürfen, wenn Trophäen in die Vitrine gestellt werden sollen. Der nächsten Bundesligapartie am Sonntag kommt nun eine umso größere Bedeutung zu.

Die Gegnerinnen aus Wolfsburg haben nur noch zwei statt der einst fünf Punkte Rückstand auf den Tabellenführer. Wer diese Saison Meister wird, dürfte hiernach entschieden sein. Für die Münchnerinnen geht es dabei um viel: Zu zeigen, im entscheidenden Moment da zu sein und Tiefs überwinden zu können. Es geht darum, ob sie nach einer einst so glanzvoll und glorreich anmutenden Saison mit leeren Händen dastehen - oder voll im Plan bleiben.

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