FC Bayern:Erste Niederlage für Nagelsmann

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Erlebte seine erste Niederlage als Bayern-Trainer: Julian Nagelsmann. (Foto: ActionPictures/imago images)

Das Spiel kennt nur eine Richtung, trotzdem erleben die Bayern beim 1:2 gegen Frankfurt überraschend ihre erste Saisonpleite. Eintracht-Torwart Kevin Trapp hält irgendwann einfach alles.

Aus dem Stadion von Philipp Schneider, München

Julian Nagelsmann erhob sich von der Bank, lief los. Raus aus seiner Coaching-Zone. Mit jenem Gang, der ihm zu eigen ist. Immer etwas breitbeinig. Und mit Händen, die rechts und links vor seiner Hüfte baumeln, als gelte es jederzeit einen Revolver zu ziehen. Nur war dieses Duell am Sonntagabend in der Münchner Arena jetzt vorbei. Nagelsmann lief zu Niklas Süle, er ging zu Leon Goretzka. Dann machte er die ganz große Runde. Vorbei an zehn Feldspielern und einem Torwart, denen man nachsehen wollte, dass ihre Mimik teilweise so aussah, als hätten sie gerade eine unheimliche Begegnung der dritten Art überstanden.

Und das hatten sie in gewisser Weise ja auch. Im Stadion verstummten die Rufe "Auswärtssieg". Und: "Hurra, hurra, die Frankfurter sind da!" Das waren sie zwar 87 von 90 Minuten gefühlt gar nicht gewesen. Zumindest die Spieler nicht, die Fans schon. Allerdings leuchteten oben in der Arena auf der Anzeigetafel zwei Ziffern, überaus unmissverständlich in ihrer Botschaft. Bayern München: 1. Eintracht Frankfurt: 2.

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Und so schlich Julian Nagelsmann also raus auf den Rasen, nach einer denkwürdigen Partie, die nach ziemlich genau 100 Tagen im Dienst seinen Einstand als neuer Trainer beim FC Bayern komplettierte: Nach einem Unentschieden und neun Siegen nacheinander hatte er soeben seine erste Pflichtspielniederlage als Trainer der Münchner erlebt. Nach einem Spiel, das eigentlich nur eine Richtung kannte, hatten die Bayern verloren gegen eine Mannschaft, die sich verrammelt hatte im eigenen Strafraum. Und vor allem gegen den Mann, auf den heute Bälle gefeuert worden waren wie in einer Schießbude: den überragenden Frankfurter Torwart Kevin Trapp.

An der Seitenlinie tanzt Nagelsmann wie wild - doch das Spiel läuft nicht wie erwartet

Für die Eintracht brachte der Abend zwar keine Premiere wie für Nagelsmann. Aber die Erinnerung an ein Glücksgefühl, das die Frankfurter zuletzt vor 21 Jahren in München gespürt hatten. "Wir sind enttäuscht, sauer, was man auch immer sagen will", sagte Thomas Müller später: "Wir sind natürlich gescheitert an unserer eigenen Effektivität." Kleine Pause. "Jetzt ist nichts mit Superbayern. Jetzt haben wir auch noch zu Hause verloren."

Als Zeichen des Vertrauens in seine Superbayern, die unter der Woche ein 5:0 gegen Kiew vorgelegt hatten, schickte Nagelsmann dieselben elf Spieler auch gegen Frankfurt auf den Rasen. "Weil alle fit sind, weil es alle gut gemacht haben", sagte er vor dem Anpfiff im Streamingdienst DAZN.

Erlebte seine erste Pflichtspielniederlage als Bayern-Trainer: Julian Nagelsmann. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Frankfurts Trainer Oliver Glasner hatte zwar in Aussicht gestellt, "keinen Sonntagsausflug bei spätsommerlichen Temperaturen für Kaffee und Kuchen" zu machen, sondern den Bayern "einen richtigen Fight" zu liefern. Aber bis auf die korrekt vorhergesagten Temperaturen sah es danach nun wirklich nicht aus. 240 Sekunden waren gespielt, da umspielte Alphonso Davies den Frankfurter Almamy Touré in seiner Hälfte wie eine Fahnenstange, zog unwiderstehlich bis zur Torlinie - seine Flanke setzte Robert Lewandowski knapp über die Latte. Nach Kaffee und Kuchen sah es vor allem deshalb nicht aus, weil sich die Frankfurter mit so vielen Leuten rund um die eigene "Box", wie Nagelsmann sagen würde, versammelten - teilweise acht, neun Mann -, dass ihnen das Gebäck viel zu schnell ausgegangen wäre. Kein Fight weit und breit.

Stattdessen: Eine Hereingabe von Gnabry, die Kristijan Jakić, anstatt zu klären, sogar brandgefährlich aufs eigene Tor zog. Und Kevin Trapp rettete erstmals an diesem Abend eine Eintracht, die sich sinnbildlich im Rückwärtsgang befand.

Allerdings muss auch so ein Block der Eintracht erst mal geknackt werden. Müller schoss aus der Ferne aufs Tor, Leon Goretzka ebenfalls. An der Seitenlinie tanzte Nagelsmann wie wild. Seine Gesten ließen darauf schließen, dass aus seiner Sicht über die Nachschublinien aus dem Mittelfeld die Bälle in die gegnerische Box nicht rasant und reibungslos genug liefen. Die Bayern verlegten sich auf das beliebte Mittel der Endlos-Ballstafette. Doch es passte zur Frühphase der Partie, dass der erste Treffer aus einem Fehler der Eintracht resultierte. Martin Hinteregger schoss Goretzka an, der vollstreckte am Ende eines überfallartigen Konters über Lewandowski selbst (29.).

Lange Zeit bringt Nagelsmann keinen neuen Spieler - auch nicht Jamal Musiala

Nun half es ja nichts mehr, auch Frankfurt musste mitspielen. Zumindest ein bisschen. Dass der Eintracht sogar nahezu im Gegenzug der Ausgleich gelang, das verwunderte doch sehr. Hinteregger gelang die Widergutmachung, indem er einen Eckball ins Netz wuchtete, passiv flankiert von Dayot Upamecano und Süle (32.). Der staunende Nagelsmann ließ sich auf der Bank sofort ein Tablet zur Nachbetrachtung reichen. Er sah: eine sogenannte Verteidigung im Raum, in der sich niemand zuständig gefühlt hatte für einen Torschützen.

Weil es nun wieder 1:1 stand, verfiel die Eintracht sofort wieder in ihr passives Phlegma. Um kurz vor der Pause doch wieder zu überraschen: Djibril Sow schlug einen hohen Ball in den Lauf von Touré, eine herrliche Annahme, eine Drehung in der Hüfte - Manuel Neuer mit einer Glanzparade. Die Eintracht, 44 von 45 Minuten lang so gut wie spielerisch nicht existent, wäre beinahe in Führung geraten.

Was tun? Obwohl seine Elf es diesmal gegen die kompakten Frankfurter nicht ansatzweise so gut gemacht hatte wie gegen Kiew, brachte Nagelsmann zunächst keinen neuen Spieler. Auch nicht Jamal Musiala, der ja schon oft bewiesen hat, wie er mit seiner yogaartigen Wendigkeit Blockadesituationen aufbrechen kann. Also formierte Frankfurt wieder einen schwarzen Block. Und die Bayern rannten an. Einen Sonderapplaus verdiente sich mangels Toren zumindest der nicht minder bewegliche Sané, als er nach einem Solo im gegnerischen Strafraum wie der Derwisch zurücksprintete, und sich den Ball zurückerkämpfte.

Die Bayern machten nicht viel falsch, aber der Eintracht gelang Erstaunliches. Vor allem Torwart Trapp, der zunächst mit einem irren Reflex im Stile seiner Handballkollegen den rechten Fuß in einen Kopfball von Lewandowski streckte. Und kurz darauf ähnlich stark einen Schuss von Gnabry klärte. 20 Minuten vor Schluss musste der weichen für Musiala. Außerdem kam Marcel Sabitzer für Süle. Und Eric-Maxim Choupo Moting für Sané. Es war Nagelsmanns Aufstellung für eine Schlussoffensive.

Aber dann setzte Sow nach in einer Situation, die längst geklärt war. Und Filip Kostić versenkte einen Schuss, den sich einer aus so spitzem Winkel gegen Manuel Neuer erst einmal trauen muss.

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