Bayern siegt 6:1:Kein Tor durch Lewandowski

Bayern siegt 6:1: Mané auf den Zaun: Die Bayern-Fans machten Sadio Mané direkt zu ihrem Vorsänger.

Mané auf den Zaun: Die Bayern-Fans machten Sadio Mané direkt zu ihrem Vorsänger.

(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Hat gerade Musiala getroffen? War es Mané? War es Gnabry? Der FC Bayern fegt in einem spektakulären Spiel über Eintracht Frankfurt hinweg und zeigt der Bundesliga, was auf sie zukommen könnte.

Von Christof Kneer

Es gab viele Fragen vor diesem ersten Spiel der neuen Bundesliga-Saison, zum Beispiel, wer diesmal wohl Zweiter hinter dem FC Bayern werden würde. Die spannendste Frage war aus aktuellem Anlass aber diese: Wie das wohl gehen würde ohne Robert Lewandowski, also "Zielspieler", wie man in der Fachsprache so sagt? Nach einer Minute und 30 Sekunden war die Frage noch nicht beantwortet, Joshua Kimmich fand bei einem Eckball zwar den berühmten Liverpooler Zugang Sadio Mané, aber dessen Kopfball fing Torwart Kevin Trapp locker ab.

Dreieinhalb Minuten später fanden die Bayern eine andere Antwort, eine unerwartete: Bei einem Freistoß verzichtete Kimmich auf die Konsultierung eines Zielspielers, er beschloss, dass er das Ziel auch direkt ansteuern könnte: Kess schlenzte er den Ball außen herum um ein armseliges Mauer-Imitat - und setzte den Startschuss für ein Spiel, in dem Robert Lewandowski keinesfalls vermisst wurde. Zuletzt haben sie bei Bayern ja immer die Formulierung bemüht, wonach man Lewandowskis Tore auf mehrere Schultern verteilen wolle, an diesem Abend verstand man, wie das gemeint war.

Der 6:1-Startsieg bei Eintracht Frankfurt war nicht nur ein gigantisches Statement, sondern auch eine Herausforderung für Zuschauer und Chronisten: Bei der Durchnummerierung der Tore geriet man ständig in Gefahr, sich zu verzählen. Wie steht's jetzt, 4:0 oder 5:0? Und das letzte Tor, das war Gnabry, oder? Oder doch Musiala? Noch mal zum Nachlesen: Für den FC Bayern trafen Joshua Kimmich, Benjamin Pavard, Sadio Mané, Jamal Musiala, Serge Gnabry und nochmal Jamal Musiala. Und keinmal Lewandowski.

Der FC Bayern, so viel Zeit muss sein, ist nun für einen Abend Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Und man täuscht sich möglicherweise nicht, wenn man davon ausgeht, dass die Bayern auch nach Vollzug des kompletten Spieltags vorne sein werden. Und was den Stand nach 34 Spieltagen anbelangt, darf sich DFL-Chefin Donata Hopfen schon mal überlegen, mit welchen digitalen Tools sie den Weltmärkten Spannung vorgaukelt.

Vor diesem Spiel war ja tatsächlich noch unklar gewesen, um was für einen FC Bayern es sich da zurzeit handelt. Einerseits haben sich die Münchner für einen großen Transfersommer feiern lassen und selbst gefeiert, andererseits haben sich Entscheidungsträger wie Sportchef Hasan Salihamidzic und Trainer Julian Nagelsmann in diversen Interviews reu- und demütig gegeben und die unterschiedlichsten Fehler eingeräumt. Im Spiel selbst gab es dann aber maximal zehn Minuten, in denen man ein bisschen zweifeln konnte, und auch wirklich nur ein bisschen.

Als es durch die Treffer von Kimmich (5.) und Pavard (11.) früh 2:0 stand, gelang es den Frankfurtern für kurze Zeit, den Bayern ein wildes Spiel aufzuzwingen, in dem beide Teams durch bemerkenswert offene Räume sausten und Chance auf Chance häuften. Thomas Müller dachte wie immer weiter als alle anderen und lieferte schon Anfang August eine Szene für die Jahresrückblicke, als er den Ball freistehend an den Pfosten müllerte, dabei zu Boden plumpste und liegend noch mal an den Pfosten müllerte, und zwar aus Versehen mit dem Kopf.

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(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Es folgten Momente, in denen man überlegen konnte, ob den fulminanten Bayern im Laufe der Saison vielleicht eine gewisse defensive Zerstreutheit in die Quere kommen könnte, aber bevor der Gedanke zu Ende gedacht war, schickte Kimmich Gnabry auf die Reise, und dessen Heber köpfelte Mané ins Tor. Es stand 3:0 - und die Bayern steigerten sich jetzt in einen Rausch, der nur beim Gegner zu Orientierungslosigkeit und Torkeln führte.

Musiala (35., Vorlage durch Mané und Müller) und Gnabry (43., Vorlage durch Mané und Müller) zauberten nun dank schwindelerregender Kombinationen zwei weitere Tore heraus, gegen die nur eine Kleinigkeit einzuwenden war: In dieser Phase des Spiels war nicht mehr klar, was auf Bayerns Brillanz und was auf die groteske Frankfurter Verteidigungsleistung zurückzuführen war. Nach dem 3:0 hatte die Eintracht eine Art Schockstarre überfallen, sie ließen Bayern einfach gewähren. Vor allem Filip Kostic ließ auf seiner linken Seite Räume klaffen, in die man einige Frankfurter Bankengebäude hätte hineinbauen können.

Vermutlich sagt dieser Abend gegen überforderte Frankfurter noch wenig darüber aus, wie die neuen Bayern künftig gegen Liverpool, Madrid oder gar Villarreal aussehen werden, aber eine Erkenntnis dürfen die Münchner aus diesem Spiel auf jeden Fall mitnehmen: Zumindest im Milieu der guten, alten Bundesliga ist ihre neue, lewandowski-lose Flexibilität geeignet, gegnerische Abwehrreihen in die Verzweiflung zu treiben. Wo in der einen Sekunde noch Mané steht, steht in der nächsten schon Gnabry. Oder doch Musiala?

Die zweite Hälfte spielten die Bayern lässig runter, der 17-jährige Mathys Tel bekam ebenso noch ein paar Minuten spendiert wie die Zugänge Ryan Gravenberch, Noussair Mazraoui und Matthijs de Ligt. Zur Feier des Tages gab Manuel Neuer noch einen aus, er legte Frankfurts Kolo Muani das 1:5 (64.) auf. Der Stadionsprecher brüllte dieses Tor in den Abend hinein, als habe die Eintracht soeben die Europa League gewonnen. Das 1:6 sagte er dann amtlich durch.

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