Süddeutsche Zeitung

Trainer des FC Bayern:Der Gegner ist der eigene Verein

Hansi Flick verschanzt sich vor dem Rückspiel in Paris mit seinen Spielern in einer Wagenburg - die Vereinsführung soll demonstrativ draußen bleiben. Eine Entwicklung, die seine Zukunft bei Bayern schwer vorstellbar macht.

Kommentar von Christof Kneer

Neymar und Kylian Mbappé haben genau hingesehen, als der FC Bayern im vergangenen August dem FC Barcelona im Viertelfinale der Champions League begegnete. Thomas Tuchel, damals noch Trainer von Paris Saint-Germain, hatte im Essensraum extra drei Fernseher aufhängen lassen, er wollte, dass seine Spieler sich schon mal ihren möglichen Finalgegner anschauen.

Aber Neymar und Mbappé gehören zu jener Kategorie von Fußballern, die so einleuchtend von ihrem eigenen Heldentum überzeugt sind, dass sie sich grundsätzlich keine Sorgen machen. Und wenn der mögliche Finalgegner ein epochales Spiel hinlegt und mit 8:2 gewinnt? Egal, wir sind Neymar und Mbappé! Außerdem waren sich die PSG-Profis an diesem Abend im August ohnehin nicht sicher, ob sie die Bayern im Finale überhaupt treffen würden. Die Bayern müssten im Halbfinale ja erst noch Manchester City besiegen, und ob sie das schaffen würden, das war doch sehr fraglich.

Wie die Geschichte weiterging, lässt sich dem Fußball-Geschichtsbuch entnehmen: Olympique Lyon war so freundlich, Manchester City für die Bayern aus dem Weg zu räumen, und am Ende gewannen die Bayern das Finale, gegen Neymar und Mbappé.

Würden sich Neymar und Mbappé in der Geschichte fremder Fußballklubs auskennen, könnten sie es jetzt ausnahmsweise doch mit der Angst zu tun bekommen. Der FC Bayern kommt nämlich in der bestmöglich schlechten Verfassung zum Viertelfinal-Rückspiel nach Paris: Die Stimmung in München ist maximal angespannt, und die Geschichte lehrt, dass die Bayern aus solcher Reibung oft ihre Stärke bezogen haben. Jedenfalls für 90 oder 120 Minuten.

Flick sagt Sätze, die eine scharfe Trennlinie ziehen

Allerdings wird man in der Vereinschronik eine Weile blättern müssen, um auf einen vergleichbaren Vorfall zu stoßen. Die Vermutung ist: Man wird nicht fündig werden. Im Boulevardtheater an der Säbener Straße wurden zwar schon die unterschiedlichsten Komödien, Tragödien und Tragikomödien aufgeführt, aber dieser Plot dürfte neu sein: Da ist ein Trainer, der auf dem Vereinsgelände eine Wagenburg errichtet, in der er sich mit seinen Spielern demonstrativ verschanzt - keine neue Idee, zugegeben, der Trainer Otto Rehhagel hat auf diese Idee seine ganze Trainerkarriere gebaut. Neu ist aber: dass der Gegner, der draußen vor der Wagenburg steht, nicht von den Medien ist, von Borussia Dortmund oder vom DFB. Der Gegner ist der eigene Verein.

Man muss nicht in der Spielerkabine und auf den Fluren der Geschäftsstelle dabei gewesen sein, um die Dimension der internen Zerwürfnisse zu begreifen. Inzwischen reicht es, Mimik und Aussagen des grundsätzlich loyalen Trainers Hansi Flick zu verfolgen, den man noch nie so abgründig erlebt hat. Flick tut etwas, was Trainer vor wichtigen Spielen eigentlich nicht tun: Er sagt Sätze, die eine scharfe Trennlinie ziehen. Sätze, die man gar nicht anders interpretieren kann als: Mia san mia, also die Mannschaft, der Trainer und der Trainerstab, und mia halten 'zamm. Und ihr seid's ihr - gemeint sind damit Funktionäre wie der Sportchef Salihamidzic oder auch der Ehrenpräsident Hoeneß.

Unklar ist, ob Flick von der mangelnden internen Solidarität so genervt ist, dass er sich zu solchen Sätzen hinreißen lässt; oder ob er vor dem Rückspiel in Paris bewusst die allerletzte Patrone zückt, um die Mannschaft in einen emotionalen Jetzt-erst-recht-Zustand zu versetzen. Klar ist aber: Beide Varianten lassen es schwer vorstellbar erscheinen, dass Hansi Flick in diesem Verein eine Zukunft hat - oder: eine haben will.

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