Hansi Flick und der FC Bayern:Eine Sollbruchstelle entsteht

FC Bayern München: Trainer Hansi Flick beim Bundesliga-Spiel gegen Hertha BSC

Im Hier und Jetzt: Bayern-Trainer Hansi Flick, Mittelpunkt einer Zukunftsdebatte.

(Foto: Action Pictures/Imago)

Der FC Bayern versucht die Bundestrainer-Nachfolge-Debatte herunter zu dimmen. Dennoch bleibt Hansi Flick der Favorit auf den Posten.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Zur Interpretation dessen, was da gerade als Bundestrainer-Nachfolge-Debatte Fahrt aufnimmt, ist es wichtig zu wissen, dass Karl-Heinz Rummenigge zum Jahresende aufhört. Zudem, dass der FC Bayern als Verein gar nicht so kompliziert ist, wie fälschlicherweise oft behauptet. Die Charaktere der Hauptdarsteller mögen kompliziert sein, die Strukturen des Klubs sind es nicht. Jedenfalls sind sie es weit weniger als in anderen Traditions- und Volksklubs wie in Köln, beim Hamburger SV oder bei Schalke 04. Das ist das eigentliche Geheimnis des Erfolges der Münchner. Sie reden selten mit einer Stimme, in letzter Konsequenz aber ziehen sie meist doch an einem Strang.

Rummenigge, 65, der scheidende Vorstandsvorsitzende, hat sich am Montag demonstrativ beim Deutschen Fußball-Bund, namentlich bei Präsident Fritz Keller, dafür bedankt, dass der DFB sich "seriös und korrekt" dazu entschlossen habe, "keinen Trainer zu kontaktieren, der vertraglich über den 30. Juni 2021 hinaus gebunden ist". Denn Bayern-Coach Hansi Flick hat einen Kontrakt bis Sommer 2023.

An dieser Stelle erhält die Debatte jedoch schon ihre lustige Komponente. Ist es doch gerade der FC Bayern, der seine rekordmeisterhafte Existenz der Tatsache verdankt, dass er von jeher Personen aus laufenden Verträgen rauskauft, wenn er dies für zielführend erachtet. In der langen Managerzeit des Uli Hoeneß wurde das Prinzip "Geld regiert die Welt" stilbildend an der Isar auf den Fußball umgeschrieben. Motto: "Geld schießt Tore!"

Zielführend aus Perspektive der Bayern wäre es deshalb, wenn die vom Löw-Beben geschlagenen Wellen schnell verebben und die Münchner Trophäensehnsucht akut nicht weiter irritieren. Und so versteckt sich der zentrale Satz der Rummenigge-Erklärung im Subtext, indem er feststellt, dass "man gerade die erfolgreichste Zeit in der Geschichte des FC Bayern" erlebe. Diese soll maximal fortgeschrieben werden, so lange sie noch mit dem Namen Rummenigge in direkter Verbindung steht. Zumal das Datum seines Ausscheidens kein selbst verfügtes, sondern ein vornehmlich von Hoeneß, inzwischen Ehrenpräsident und Mitglied im Aufsichtsrat, diktiertes war. Ab Januar 2022 übernimmt Oliver Kahn die Regie.

Nichts wäre für Rummenigges Münchner jetzt störender als eine lautstarke, lästige Trainerdebatte. Denn anders als zum Beispiel Jürgen Klopp ("Stehe nicht zur Verfügung") hat Flick, der ehemalige Bundestrainerassistent und 2014er-Weltmeister, eine definitive Festlegung via Verbalslalom umkurvt. So geschickt, dass es nicht oft genug zitiert werden kann: Er habe, so Flick, doch "von Anfang an gesagt, dass mich das Hier und Jetzt interessiert. Darin lebe ich". Und deshalb "verbieten sich Spekulationen darüber, wie meine Zukunft aussieht".

Ein Dementi hört sich zwar anders an, die Hintertür zum DFB bleibt offen, aber fest steht: Rummenigge und Flick, von denen es beim FC Bayern heißt, sie kämen sportfachlich relativ gut miteinander klar, haben rhetorisch bis heute alles gegeben, um dieses Hier und Jetzt nicht zu gefährden. Anders verhält es sich bei Flick und Hasan Salihamidzic, dem Sportvorstand. Beide müssten eigentlich harmonieren, tragen aber zunehmend heftiger ihre Diskussionen über Qualität und Personalien des Bayern-Kaders öffentlich aus. Hier entwickelt sich die Sollbruchstelle zwischen Trainer und Verein. Denn wer stützt Flick, wenn Rummenigge weg ist?

Es hat lange gedauert, aber inzwischen ist es zumindest in den klügeren Klubs akzeptiert, dass der Trainer - jenseits aller Messis oder Neymars, Haalands oder Lewandowskis - der wichtigste, da stilbildende Angestellte ist. Was passieren kann, wenn ein rapider Autoritätsverfall eintritt, hat die Bundesliga in dieser Saison schockartig vorgeführt: Schalke verschleißt auf dem letzten Tabellenplatz jetzt bereits den fünften Trainer, und in Mönchengladbach verlor Marco Rose seinen Zauber, nachdem bestätigt war, dass er im Sommer zur anderen Borussia nach Dortmund überlaufen wird.

Noch sind bis zum avisierten neunten Meistertitel der Münchner in Serie neun Ligaspieltage gemeinsam zu bewältigen, zudem bietet sich die Chance, den Champions-League-Titel erfolgreich zu verteidigen. Dabei liegt der Fokus zunächst auf Ostersamstag: Bayern gegen Leipzig, der Erste beim Zweiten. Flick, 56, gegen Julian Nagelsmann, seinen potenziellen Nachfolger - wenn nicht demnächst, dann irgendwann, der Senkrechtstarter in der Trainerszene ist immer noch erst 33.

Es heißt, es hätten bereits Sondierungsgespräche stattgefunden. Salihamidzic habe pflichtgemäß Erkundigungen eingeholt, ob Nagelsmann zu haben wäre, falls Flick, der bis zum Beweis des Gegenteils als Favorit gelten muss, Bundestrainer wird. Zumindest Leipzig hat öffentlich kategorisch Nein gesagt. Nagelsmanns Vertrag ist wie der von Flick bis 2023 gezeichnet, aber wer kennt in diesem Gewerbe schon alle Schmerzgrenzen, Nebenabreden und Klauseln?

"Wir wären doch verrückt, wenn wir ..." - so hat Rummenigge am Montag versucht, die Causa Flick zu beruhigen. Ein klares Wort. Für den Augenblick. Denn es wird nicht das letzte gewesen sein.

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