Nach 3:0-Sieg in London:Ein Stift für den Trainer

Champions League - Round of 16 First Leg - Chelsea v Bayern Munich

Erst Zwei-Spiele-Trainer, dann Weihnachts-Trainer, dann Sommer-Trainer - jetzt langfristige Lösung? Hansi Flick.

(Foto: Action Images via Reuters)
  • Nach dem 3:0-Sieg des FC Bayern beim FC Chelsea deutet Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge recht klar an, dass Hansi Flick über den Sommer hinaus Bayern-Trainer bleibt.
  • Er schenkt ihm einen Stift "und mit Stiften beim FC Bayern unterschreibt man ja manchmal auch Papiere", sagt Rummenigge.
  • Flick hat die Mannschaft innerhalb von fünf Monaten wieder in eine beeindruckende Form gebracht.

Von Benedikt Warmbrunn, London

Und dann eröffnete Karl-Heinz Rummenigge, wie es sein Amt als Vorstandsvorsitzender und somit Chefconférencier des FC Bayern von ihm verlangt, das Buffet. Sollten die anwesenden Fans im Ballsaal des Londoner Hotels, in das der Verein nach dem 3:0 beim FC Chelsea eingeladen hatte, doch selbst überlegen, was genau es mit diesem Geschenk auf sich hatte. Bei frischen Austern, Tigergarnelen in Knoblauchöl oder gegrillter Schweinelende durften sie gerne darüber rätseln, wie Rummenigge das gemeint haben könnte, und mit ihnen auch die Mannschaft, ja, und vielleicht rätselte auch Hansi Flick ein bisschen mit.

Bevor Rummenigge am späten Dienstagabend das Buffet eröffnen durfte, hatte er bereits von einem "Faschingsdienstag, wie wir ihn uns alle gewünscht haben" gesprochen, er hatte vor den anstehenden Aufgaben gewarnt ("will kein Wasser in den Wein schütten"), er hatte ausführlich erklärt, was er mit dem Satz "London mag uns" gemeint hatte (Sieg im Champions-League-Finale 2013, das 7:2 bei Tottenham Anfang Oktober und nun dieses 3:0 im Achtelfinal-Hinspiel bei Chelsea).

Dann aber sprach er diese wenigen Sätze, die noch bedeutend sein werden für die Zukunft des FC Bayern, wenige Sätze, aber an ihnen kommt Rummenigge nun nicht mehr vorbei. Er gratulierte Flick noch einmal zu dessen 55. Geburtstag am Montag ("Das ist ein gutes Alter") - und dann überreichte er ihm ein rotes Päckchen. Er sagte: "Für die, die nicht wissen, was da drin ist: Es ist ein Stift, und mit Stiften unterschreibt man ja beim FC Bayern manchmal auch Papiere." Raunen im Saal. "Mach es weiter so, mach es gut, bleib wie du bist, wir sind sehr zufrieden mit dem, wie die Mannschaft spielt." Alles Gute, einen schönen Abend, und dann war das Buffet eröffnet.

Hansi Flick musste erst einmal husten.

Das souveräne 3:0 gegen Chelsea, es war nur noch eine Randnotiz. Hatte Rummenigge gerade von einer anstehenden Vertragsverlängerung gesprochen?

Präzision, Spielfreude, Talent und Wärme

Seit Anfang November betreut Flick den FC Bayern, fußballerisch hat er am Dienstag seinen Höhepunkt erlebt, an einem Abend, an dem seine Mannschaft viel von dem gezeigt hat, was er ihr in diesen Monaten beigebracht hat. Für die, die nicht wissen, was in diesem Fußball drin ist: Präzision und Spielfreude und Abgeklärtheit wie bei den Toren von Serge Gnabry (51., 54.) und Robert Lewandowski (76.). Stabilität, von Flick aufgebaut durch eine zentrale Mittelfeldachse Joshua Kimmich-Thiago-Thomas Müller. Auge für Talent, zu erkennen an einem weiteren furiosen Auftritt des 19 Jahre alten Linksverteidigers Alphonso Davies, der den Endstand mit einem spektakulären Sololauf vorbereitet hatte. Und viel menschliche Wärme, verkörpert am Dienstag von Jérôme Boateng, der den FC Bayern (und Chef Rummenigge) am liebsten schon längst hinter sich gelassen hätte, in London aber mit seiner altbekannten, lässigen Routine verteidigt hatte. Das alles hat Hansi Flick seiner Mannschaft gegeben, in nicht einmal fünf Monaten hat er ein fragiles Gebilde so gefestigt, dass auf einmal viel denkbar erscheint in dieser Saison.

Sicher ist allerdings noch nichts, nicht die Meisterschaft, nicht der Pokalsieg, genau genommen nicht einmal der Einzug ins Viertelfinale der Champions League (wobei zumindest letzterer Punkt doch sehr, sehr wahrscheinlich ist). Und so stellte sich zwar nicht die Frage, warum Flick einen Stift geschenkt bekommen hat, gegen dieses Geschenk ist ja wirklich nichts einzuwenden, aber warum Rummenigge diese Andeutung bereits jetzt gemacht hat, Ende Februar.

Flick hat einen neuen Ehrgeiz entdeckt

In ihrem Umgang mit Flick hat sich die Führungsebene des FC Bayern auch ein bisschen selbst überholt. Erst hatte Flick nach der Trennung von Trainer Niko Kovac für zwei Spiele übernommen, dann war er lange in einem Schwebezustand, nur zögerlich waren die Chefs auf Fragen nach Flicks Zukunft eingegangen; irgendwann hieß es, dass er vielleicht bis Weihnachten bleiben dürfe, dann war Weihnachten sicher, und kurz vor Weihnachten dann eine Beschäftigung bis zum Saisonende - die Mitteilung damals enthielt sogar den Zusatz, dass eine längerfristige Zusammenarbeit "für den FC Bayern ausdrücklich eine gut vorstellbare Option sei". Mit Flick hat der Verein in all diesen Wochen meist sehr spät gesprochen, aber Flick hatte seine Chance erkannt, er hatte die Lust an der Aufgabe entdeckt und auch einen neuen Ehrgeiz. Einst war er jahrelang Assistent von Bundestrainer Joachim Löw gewesen, dann Sportdirektor, beim DFB und in Hoffenheim; auch deswegen waren sie beim Klub erst einmal zögerlich: Sie wussten ja selbst nicht, wie gut dieser Mann ist, dem sie nun ihre fragile Mannschaft anvertraut haben. Und dass in ihm weiterhin in erster Linie ein Cheftrainer drin ist, das wusste auch Flick selbst nicht mehr. Bis er den FC Bayern übernehmen durfte.

In den vergangenen Wochen hat sich Flick immer selbstbewusster präsentiert, er hat sich sogar öffentlich mit Sportdirektor Hasan Salihamidzic angelegt, hatte weitere Zugänge gefordert (und Álvaro Odriozola bekommen, worüber Flick sich nie beschwert hat). Den Chefs ist das positiv aufgefallen, natürlich auch die Spielweise des Teams; zuletzt haben sie immer wieder über ihren Trainer geschwärmt, Rummenigge, Präsident Herbert Hainer, Salihamidzic, auch die Spieler.

Die heiße Phase der Saison hat erst begonnen

Und doch haben die Bosse nie ganz den Eindruck beseitigen können, dass sie auch andere Optionen für gut vorstellbar halten, allen voran eine mit dem Pariser Trainer Thomas Tuchel, den Rummenigge und Salihamidzic schon 2018 holen wollten. Ob Tuchel sich - wie schon 2018 - selbst aus dem Rennen genommen hat, auch darüber ließ sich auf dem Bankett debattieren, eine Auflösung gab es nicht, so wie Rummenigge auch nicht seine eigenen Sätze genauer erklärte, macht er sonst ja auch nicht. Doch offenbar kann es den Chefs nach anfänglichem Zögern nun nicht schnell genug gehen mit einer Verlängerung. Dabei ist ja gar keine Eile erforderlich, die heiße Phase der Saison hat erst begonnen, und ob Flicks FC Bayern mit den ganz, ganz Großen Europas mithalten kann, das konnte dieser Abend in London nicht zeigen, dazu war Chelseas Mannschaft zu jung und irgendwann auch zu verschreckt.

Und was hätte Rummenigge, nur einmal angenommen, seinem Trainer eigentlich geschenkt, wenn seine Mannschaft gegen Chelsea nicht gewonnen hätte, wenn sie vielleicht sogar verloren hätte? Es ist eine hypothetische und daher eine überflüssige Frage, aber so ist das eben in diesen Wochen: Vieles kann schnell kippen, vieles ist gut vorstellbar, außer vielleicht, dass der Verein seinem Trainer Gespräche über einen neuen Vertrag anbietet, und dieser dann am Ende nicht unterschreibt.

Er wolle dazu nichts sagen, sagte Hansi Flick selbst am frühen Mittwochmorgen. Noch habe er ohnehin nicht in sein Päckchen reingeschaut.

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