Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Erwachsen werden

Lesezeit: 3 min

Die Fußballerinnen des FC Bayern starten in die neue Bundesligasaison - mit den Lehren aus der Champions League.

Von Anna Dreher

Zum Beispiel, wie Eugénie Le Sommer den Ball in Richtung Strafraum gelupft hat, genau in die Lücke. Und wie die Absprache zwischen Kristin Demann und Torhüterin Laura Benkarth dann missglückte und der Ball, gelenkt von Nikita Parris, im Tor landete. Oder wie Amel Majri einen Freistoß präzise ins rechte Eck vorbei an der Mauer schießen konnte. Aber natürlich auch, wie Carolin Simon den Ball clever flach an allen vorbei über die Linie brachte. Und wie meist diszipliniert und ohne Hektik verteidigt, wie Präsenz ausgestrahlt wurde, keinesfalls Unsicherheit oder zu viel Respekt vor dem Gegner. All diese Szenen aus dem Champions-League-Viertelfinale gegen Olympique Lyon haben sich das Trainerteam und die Spielerinnen des FC Bayern München in den vergangenen Tagen einige Male angeschaut. Sie wollen schließlich daraus lernen für das, was nun kommt.

Das Spiel gegen den späteren Titelgewinner Lyon vor zwei Wochen ist der erste wichtige Auftritt des neu formierten Teams des FC Bayern gewesen. Und es war trotz der 1:2-Niederlage ein Auftritt, der die Münchnerinnen durchaus optimistisch gestimmt hat, was ihre künftige Zusammenarbeit angeht. Sie haben sich eindrucksvoll gegen eine Mannschaft gestemmt, die den europäischen Frauenfußball seit Jahren dominiert. Sie haben gezeigt, dass es für viele Klubs in dieser Saison schwer werden dürfte, gegen sie zu spielen. Besonders in der an diesem Wochenende beginnenden Bundesliga.

"Dieses Spiel hat gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt Bayerns Trainer Jens Scheuer wenige Tage vor der Heimpartie gegen den SC Sand am Sonntag. "Aber wir müssen jetzt lernen, eine solche Leistung Woche für Woche zu bestätigen. Wir müssen, egal gegen welchen Gegner, immer die maximale Leistung abrufen." Es ist diese Einstellung, die Scheuer bei seinen Spielerinnen verinnerlicht sehen will. Auch aus der Erfahrung der vergangenen Saison heraus. Die Duelle gegen Doublesieger und Champions-League-Finalist VfL Wolfsburg, ihren größten Konkurrenten, waren umkämpft und endeten in der Liga mit einer Punkteteilung. Es sind also vielmehr Unkonzentriertheiten gegen eigentlich schwächere Gegner gewesen, die eine bessere Bilanz des Ligazweiten verhinderten: Am Ende fehlten acht Zähler auf den ungeschlagenen VfL.

Aber es gibt eben einen großen Unterschied zwischen der beendeten und der beginnenden Saison: Die Vorbereitungszeit. 2019 waren viele Fußballerinnen des FC Bayern bei der Weltmeisterschaft. Die Einheiten, die der gesamte Münchner Kader gemeinsam auf dem Platz absolvierte, waren dadurch wenige. Und diese wurden, das kommt hinzu, in Scheuer von einem neuen Coach mit einem neuen Trainerteam geleitet - das einen Umbruch mit zahlreichen Weg- und Zugängen moderieren musste. In diesem Sommer aber: Mehr Zeit, weniger Veränderung. Optimale Bedingungen also, abgesehen von den für alle ungewöhnlichen Umständen der Pandemie natürlich. "Es hat sich richtig viel entwickelt. Auf und neben dem Platz herrscht ein ganz anderer, intensiver Teamspirit", sagt Scheuer. "Jede kennt ihre Rolle und weiß, wie wichtig sie ist."

Der 41-Jährige will Offensivfußball sehen, auf Ballbesitz und dominantes Auftreten ausgelegt. Folglich wurde der Kader speziell im Angriff mit Lea Schüller, Klara Bühl und der Französin Viviane Asseyi verstärkt. Scheuer will, dass eine eigene Spielidentität entwickelt und eine klare Spielidee gezeigt wird. Mit mutigen Angriffen, die effizient abgeschlossen werden, um so wegzukommen von dem Manko einer öfters unbefriedigenden Chancenverwertung. Auch hier war das Champions-League-Viertelfinale ein gutes Beispiel, weil manch einer in den Zweikämpfen noch Entschlossenheit fehlte. "Wir sind eine junge Mannschaft, wir müssen noch ein bisschen erwachsen werden", sagt Scheuer. "Wir sind jetzt gefordert, Woche für Woche zu reifen und unsere Spielidee weiter zu verinnerlichen."

Seit acht Jahren machen Bayern und Wolfsburg den Titel unter sich aus, zwei Mal (2015, 2016) konnten sich die Münchnerinnen durchsetzen. Die Marschroute der Zukunft wurde nun auch von oberster Stelle ausgerufen: "Wir wollen Meister werden und in der Champions League eine Rolle spielen", sagte Vereinspräsident Herbert Hainer vor Wochen. Als hilfreich dürfte sich bei diesem Unterfangen erweisen, dass der VfL-Kader geschwächt wurde. Vor allem durch den Wechsel von Toptorjägerin Pernille Harder, die zum englischen Meister Chelsea LFC ging, wie zuvor auch FCB-Kapitänin Melanie Leupolz. Damit setzt sich der Trend fort, dass viele der besten Spielerinnen ihre nächsten Schritte lieber im Ausland machen wollen, gerade England lockt mit seiner Profiliga.

"Es wäre schön, wenn sie hier bleiben würden. Andere Ligen haben wohl größere Anstrengungen unternommen und das macht dann eben auch den Reiz aus", sagt Scheuer. "Aber darauf habe ich wenig Einfluss, ich fokussiere mich lieber auf die guten Spielerinnen, die wir haben." Und da kamen in Marina Hegering, der Schwedin Hanna Glas und der Österreicherin Sarah Zadrazil auch für die Reihen hinter den Stürmerinnen Verstärkungen hinzu. So soll vom Team auch der Ausfall der verletzten Jovana Damnjanovic aufgefangen werden. Denn die wiederum war zuletzt Bayerns Toptorjägerin.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5020723
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.09.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.