Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Erinnerungen an einen verhängnisvollen Herbst

Bayern-Trainer Kovac arbeitet akribischer als Vorvorgänger Ancelotti - doch sein Team ist so erfolglos wie vor einem Jahr. Er braucht dringend einen Plan für die Offensive.

Kommentar von Benedikt Warmbrunn

Im ungemütlichen Herbst 2017 reichten zwei sieglose Spiele in Serie, ein 2:2 gegen Wolfsburg, ein 0:3 in Paris. Der FC Bayern war in der Liga Tabellendritter, mit drei Punkten Rückstand auf den Tabellenführer aus Dortmund. Zwei sieglose Spiele, drei Punkte Rückstand, den Klubbossen war das zu wenig. Sie trennten sich von Trainer Carlo Ancelotti.

Im ungemütlichen Herbst 2018 hat der FC Bayern seit vier Spielen nicht mehr gewonnen, 1:1 gegen Augsburg, 0:2 in Berlin, 1:1 gegen Amsterdam, nun das 0:3 gegen Mönchengladbach. Der FC Bayern ist Tabellenfünfter, er könnte Sechster werden, sollte Leipzig am Sonntagabend gewinnen; der Rückstand auf den Tabellenführer aus Dortmund beträgt vier Punkte. Müsste das also den Klubbossen nicht auch zu wenig sein? Ist das Ende schon nahe, von dem Präsident Uli Hoeneß vor wenigen Tagen gesprochen hat, das Ende, an dem Trainer Niko Kovac den Kopf hinhalten muss?

Nun ist der FC Bayern in diesem Herbst anders als 2017 keine pomadige, lustlose, unfitte Mannschaft, die sich selbst beim Verfall zusieht. Sie wird auch nicht trainiert von einem Trainer, der den Eindruck verbreitet, dass ihm die Zigarettchen seines Fitnesstrainers wichtiger sind als die Stimmung in der Kabine. Der FC Bayern ist fit, er ist gewillt. Er sollte ja auch in diesem Herbst 2018 eine Mannschaft sein, in der etwas entsteht, aus dem die Zukunft des FC Bayern wachsen kann. Und angeleitet wird sie dabei von einem Trainer, der den Eindruck verbreitet, dass ihm gegenwärtig nichts im Leben so wichtig ist wie seine Arbeit, dass er keinen Gedanken verschwendet, dass er akribisch, detailverliebt und endlos arbeitet. Das jedoch ist das, was die gegenwärtige Negativserie so ungemütlich macht.

Es ist gerade nicht zu erkennen, ob in München etwas entsteht

Schon nach wenigen Wochen haben sich einige im Verein gegen den Trainer positioniert. James Rodríguez wütet wiederholt, er will gehen. Spieler geben verdeckt Informationen nach draußen, die gegen den Trainer ausgelegt werden können (dass James gewütet haben soll; dass zu wenig einstudiert werde; dass das, was einstudiert werde, sich auf defensive Aufgaben konzentriere). Und Uli Hoeneß sagt einen Satz, den er so hart wahrscheinlich gar nicht gemeint hat; den Satz, dass Kovac "den Kopf hinhalten" müsse - einen Satz also, der den Trainer schwächt, auch wenn es nur um die Rotation ging. Da kann Kovac noch so oft beteuern, dass Hoeneß das alles so gar nicht gemeint habe. All dies steht auch dafür, dass schon nach wenigen Wochen nicht mehr zu erkennen ist, dass in München etwas entsteht.

Kovac hat eine Mannschaft übernommen, die in diesem Herbst nicht mehr kaschieren kann, dass sie in die Jahre gekommen ist. Für Kovac ist das Glück und Pech zugleich. Glück, weil jeder sieht, dass es nicht mehr schwer ist, Spielern wie Arjen Robben das Tempo zu nehmen. Pech, weil nicht zu sehen ist, was Kovac in der Offensive eigentlich mit seiner Mannschaft vorhat.

Der FC Bayern hat unter seinem neuen Trainer das Kontern gelernt, in Lissabon zum Beispiel gingen den Treffern zwei feinfüßige Angriffe über die gesamte Spielfeldfläche voraus (das Spiel liegt übrigens gerade einmal zweieinhalb Wochen zurück). Allerdings ist der FC Bayern auch unter Kovac eine Mannschaft, die nur selten die Gelegenheit zum Kontern erhält, sie ist weiter eine Mannschaft, die das Spiel gestalten muss. Und für diese Spielsituationen ist kein Schema zu erkennen. Zu sehr ist das Spiel auf die Außen aufgerichtet, und den Außen fehlt eben das Tempo, das sie früher so gefährlich gemacht hat (s.o.). Und so ist in der Offensive noch keine Idee zu sehen, für die der Trainer am Ende seinen Kopf hinhalten könnte.

Kovac sei nicht ratlos, dafür hat er am Freitag vehement geworben, das hat er auch am Samstag wiederholt. Und so erinnert der FC Bayern im Herbst 2018 nicht so sehr an den FC Bayern im Herbst 2017. Sondern an Dortmund im Herbst 2017. Der Rivale hatte damals einen neuen Trainer, Peter Bosz, unter dem eine große Zukunft entstehen sollte. Der BVB gewann in den ersten sieben Spielen 19 Punkte, danach klappte gar nichts mehr. Bevor sich Dortmund von Bosz trennte, Mitte Dezember, vergingen acht quälend lange sieglose Spiele.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2018/chge
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