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FC Bayern: Einzelkritik:Coole Klassekicker

Ein Torhüter, der keine Nervosität kennt, ein Mittelfeldspieler, der Oberlehrer, Oberpädagoge und Oberdirigent zugleich ist und ein Offensivmann, der sich betörend schön die Haare raufen kann. Die Bayern in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Mailand

FC Bayern: Einzelkritik

Thomas Kraft

Ein Torhüter, der keine Nervosität kennt, ein Mittelfeldspieler, der Oberlehrer, Oberpädagoge und Oberdirigent zugleich ist und ein Offensivmann, der sich betörend schön die Haare raufen kann. Die Bayern in der Einzelkritik. Thomas Kraft Sagte vor dem Abflug in München: "Nervosität? Kenne ich nicht." Das klang zwar großspurig, entsprach aber in etwa dem, was Kraft in Mailand zeigte. Pflückte nach einer Viertelstunde die erste gefährliche Flanke herunter, rettete dann cool wie ein Eisklotz gegen Esteban Cambiasso, der nach einer Badstuber-Tölpelei völlig frei zum Schuss kam. Das ging in der zweiten Halbzeit so weiter: gegen Cambiasso, gegen Samuel Eto'o, gegen Wesley Sneijder, gegen Thiago Motta.

FC Bayern: Einzelkritik

Philipp Lahm

Muss irgendwann zwischen dem Italien-Länderspiel und dem Abflug nach Mailand eine kleine, womöglich bunte Wunderpille geschluckt haben. Spielte endlich wieder präzise, ohne Fehler im Spielaufbau, ohne ärgerliche Hoppler bei der Ballannahme. Dürfte sich natürlich noch häufiger nach vorne einschalten, doch man muss es ja nicht gleich übertreiben.

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Holger Badstuber

Dürfte vor dem Spiel 27 Kreuze geschlagen haben, als sich Diego Milito, der kleine Mailänder Wuselkönig, verletzungsbedingt abmeldete. Stampfte vor lauter Freude gleich nach 15 Sekunden den armen Eto'o in den Boden. Agierte im Anschluss häufig fahrig, wechselte nach Brenos Einwechslung jedoch auf die Linksverteidigerposition. Agierte dort weniger fahrig - was an den selteneren Begegnungen mit Eto'o lag.

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Anatoli Timoschtschuk

Brauchte rund 30 Minuten, um Präsident Uli Hoeneß erstmals mächtig zu verärgern. "Unsere Abwehr steht", hatte dieser kurz vor dem Spiel getönt, Timoschtschuk jedoch ließ Eto'o einfach laufen - am Elfmeterpunkt. Bedankte sich anschließend artig bei Torhüter Kraft, der auch diesen Fauxpas per Flugshow entschärfte. Leistete anschließend solide Abwehrarbeit.

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Danijel Pranjic

Wollte sich vor dem Spiel ausdrücklich überraschen lassen, wo Louis van Gaal ihn diesmal hinstellt. Im Sturm durfte dann aber doch Mario Gomez ran, auch auf der Sechs wurde er nicht gebraucht - Pranjic reihte sich folglich als Linksverteidiger ein. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, auch stürmerisch tätig zu werden. Bis zur 37. Spielminute - dann musste er verletzt vom Platz.

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Bastian Schweinsteiger

Erinnerte frappierend an "Unser Lehrer Dr. Specht", jenen TV-Lehrkörper, der nie etwas Großes vollbrachte, jedoch stets pädagogisch auf seine Umwelt einredete. In Mailand gelang auch Schweinsteiger selten Großes, seinen Nebenmann Luiz Gustavo wies er jedoch so geschickt an, dass dieser zu glänzen wusste. War damit Oberlehrer, Oberpädagoge und Oberdirigent zugleich. Erklärte später sogar Mario Gomez, wie das mit dem Toreschießen geht.

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Luiz Gustavo

Erlebte einen langweiligen Abend, da er statt auf drei Positionen (wie gegen Mainz) ausschließlich im defensiven Mittelfeld agierte. Bekam es zumeist mit Sneijder zu tun, der dank Gustavo jedoch kaum ins Spiel fand. Als Gustavo das alles viel zu langweilig wurde, holte er zweimal den brasilianischen Hammer heraus - aus 35 und 30 Metern - jeweils jedoch knapp vorbei. Auch in der zweiten Halbzeit sehr souverän - und deshalb einer der besten Münchner.

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Arjen Robben

Erlebte erneut das Mailänder Phänomen: Dass Inter die einzige Mannschaft der Welt ist, die es schafft, dem Holländer über 90 Minuten zwei, drei oder gar fünf Gegenspieler auf die Füße zu stellen. In der zweiten Halbzeit rückte Inter ohne erkennbaren Grund von dieser Taktik ab, was Robben zwei schöne Schusschancen bescherte. Mehr als den Pfosten traf er jedoch nicht.

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Thomas Müller

Äußerte vor dem Spiel, wie sehr ihn die vergebene Chance aus dem Finale von 2010 heute noch schmerzt. Agierte dann jedoch völlig schmerzbefreit - so lange, bis er kurz nach der Halbzeit wieder eine solche Großchance ungenutzt ließ. Zeigte anschließend, dass sich kein Münchner so schön die Haare raufen kann wie Thomas Müller.

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Franck Ribéry

Fand sich in den ersten Minuten oft am Boden wieder. Das lag jedoch nicht an wutstampfenden Italienern, sondern an Ribérys fehlerhaftem Gleichgewichtssinn. Dies musste ihm später als schlaue Taktik ausgelegt werden, denn als den kleinen Franzosen niemand mehr beachtete, köpfte er an die Mailänder Latte. Stocherte später viel, rannte sich häufig fest, verlor fast so häufig den Ball. Einfach kein guter Tag für Ribéry.

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Mario Gomez

War in der ersten Halbzeit Bayerns bester Kopfballspieler - vornehmlich jedoch im eigenen Strafraum, wo er eine Inter-Flanke nach der anderen hinaus bugsierte. War damit zeitweise so beschäftigt, dass ihm nach vorne kaum etwas gelang. War 89 Minuten lang so weit von seinem einstudierten Torjubel entfernt wie Mailand von Madrid - und deshalb traurigster Torrero des Abends. Wie gesagt: 89 Minuten lang. Dann traf er per Abstauber zum 1:0.

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Breno

Machte diesmal nur rund 37 Minuten seine Späße auf der Bank, weil er dann den verletzten Pranjic ersetzen musste. Rückte in die Innenverteidigung und hätte beinahe das 0:1 verschuldet - Eto'o traf jedoch nur das Außennetz. Zeigte anschließend, dass er kein schlechter Innenverteidiger ist. Man sollte ihn nur nicht überfordern.

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Louis van Gaal

Bekam bei der Verlesung der Mannschaftsaufstellung samt Trainerstab die meisten Pfiffe ab - was vielleicht daran lag, dass sein Freund José Mourinho auf der anderen Seite nicht mehr auf der Bank saß. Da muss man schließlich auch nicht mehr höflich sein. Tat sich ansonsten dadurch hervor, dass er all seine Klassekicker (abgesehen von Timoschtschuk) diesmal auf ihren Lieblingspositionen agieren ließ - was an diesem Abend sogar mit einem Sieg belohnt wurde.

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