Süddeutsche Zeitung

Einzelkritik:Es schneit in Neuers Tor

Lesezeit: 3 min

Der Torhüter hat bei keinem der drei Gegentreffer eine Chance, Niklas Süle wird zur Eissäule und Alphonso Davies nutzt spät den Kanada-Vorteil. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp

Manuel Neuer

Hat in dieser Saison keine ganz saubere Schneegestöber-Bilanz (Kiel!), weshalb es einiges gut zu machen galt. Aber was sollte er tun, es schneite bei ihm erst einmal auf ungemütliche Weise rein ins Tor. Erst das trockene Ding von Vlap, dann der Schneeballvolltreffer von Piepers Kopf. Das hatte schon fast Kieler Ausmaße. Nein, es war eigentlich viel schlimmer, denn dann entkam seinen Vorderleuten auch noch ein Mensch namens Gebauer - da konnte Neuer sich nur noch in Rage prusten. Drei Gegentore, bei keinem eine Chance, da wirste jeck.

Bouna Sarr

Einer von bald etwa 800 Franzosen beim FC Bayern (Upamecano & Co.) und als Rechtsverteidiger damit betraut, sich bei der Saukälte keinen Katarrh (Fieslinge würden aktuell sagen: Katar) zu holen. Beim 0:1 dann aber direkt arg unpässlich, als er im Verbund mit Süle in der sogenannten "Schnittstelle" ein Winterschläfchen hielt (Foto). Beim 1:3 begleitete er Bielefelds Voglsammer so wie man im Fußball niemals jemanden begleiten sollte: mit pandemiegerechter Abstandshaltung. Bei der Vorstellung muss man insgesamt sagen: Gut, dass die Bayern bald wirklich Upamecano für hinten drin haben.

Niklas Süle

Besitzt die Statur eines Kühlschranks (USA-Style), weshalb er bei jedem Wetter auf der Höhe ist. Normalerweise. Denn dieser Gegentreffer nach wenigen Minuten passte so gar nicht zu ihm. Stand wie eine Eissäule im Raum, da war es schon zu spät. Auch beim zweiten Gegentor (Foto) seltsam hüftsteif bei der allgemeinen Bielefelder Eckenfreiheit, was seinen frostigen Auftritt untermalte. Taute erst ganz spät ein bisschen auf und freut sich nun auf das nächste Azorenhoch.

Lucas Hernandez

Darf in diesen Tagen endlich mal zeigen, dass er eigentlich ein Innenverteidiger ist. Grätschte gleich zur Eröffnung gegen Doan und genoss sichtlich die Schlitterfahrt im Pulverschnee. Vermochte der Abwehr aber keinen Halt zu geben in dieser wilden Wetterschlacht. Beim 1:3 viel zu träge gegen Torschütze Gebauer, so hatte man den Weltmeister, der immer noch ein 80-Millionen-Euro-Schild trägt, noch nie gesehen in seiner Münchner Zeit. War diesmal nur ein Innenverteidigerle.

Alphonso Davies

Wuchs in Edmonton auf, wo es in dieser Nacht nach gesicherten SZ-Infos Minus 23 Grad hat (brrr, kein Witz). Ist einer, der sonst immer schnell auf Betriebstemperatur kommt, aber diesmal wedelten überall Bielefelder herum. Schmiss gegen Doan bei einem Konter der Arminia den Motorschlitten an und pflügte in Playstationgeschwindigkeit zurück - ja, er hatte gut zu tun. Fast schon zu viel, wie sich beim 1:3 zeigte. Da half auch sein Speed nichts, er stand einfach schlecht. Stand aber wieder gut, als er fulminant zum 3:3 traf. Mit solchen Schüssen strecken die Mounties in Kanada Grizzlies nieder, wenn's sein muss.

David Alaba

Apropos wedeln: Einziger Österreicher, der aktuell nicht bei der Ski-WM reüssiert, wo die Kriechmayrs dieser Welt ja wie die Narrischen herumsausen. Sauste stattdessen durchs defensive Mittelfeld, wo es zuging wie in Saalbach-Hinterglemm zur Hüttngaudi. Sein Kopfballverhalten beim 0:2 erinnerte mehr ans Schlangestehen am Lift an denn an echte Wettkampfhärte. Rehabilitierte sich ein wenig mit feiner Halbfeldflanke vor dem 1:2, aber ansonsten ein eher letscherter Auftritt.

Corentin Tolisso

Nach seiner Bestrafung (für Tätowieren in Pandemiezeiten) definitiv der am frischesten bemalte Mensch des Abends. Besetzte die Position neben Alaba, wo er nicht den Glanz eines Joshua Kimmich versprühte, sondern meist nur Schneekaskaden im Rutschflug. Probierte es dann in der Luft, wo sich die Dinge deutlich besser gestalteten. Köpfelte zum 2:3 ein, aber er stand auch arg frei (Foto). Konnte aufgrund des allgemeinen Durcheinanders, wie man so schön sagt, "wenig Werbung für sich machen".

Kingsley Coman

Wäre der ideale Slalomfahrer bei der Ski-WM, einer wie weiland sein Landsmann Jean-Baptiste Grange. Wirkte aber auf dem zugeschneiten Platz in der Arena zunächst neben der Ideallinie. Verlor einige Bälle und auch den Halt im Rasen und demonstrierte, warum Techniker wie er auf solchem Boden keine artgerechte Haltung durchleben. Hat schon sehr wichtige Tore erzielt, aber diesmal gab es keinen Gold-Moment für ihn.

Eric Maxim Choupo-Moting

Nahm auf der Müller-Position wenig am Spiel Teil und vergab die einzige wirkliche Münchner Chance der ersten Hälfte. Suchte abseits der Piste nach Schleichwegen fürs Freeriden, aber er fand nur vollbesetzte Buckelpisten in der Bielefelder Defensive. Sollte vielleicht mal Tourengehen versuchen, da hat man seine Ruhe vor dem Dauerverkehr und den Touris.

Leroy Sané

Zeigte ein paar Haken wie sonst die Profis auf der Piste, aber Zählbares sprang dabei zunächst nicht heraus. Kämpfte wie so viele Münchner mit den Bedingungen und den biestigen Bielefeldern. Erinnerte sich dann an seine Sozialisierung in England und nahm sich in dieser "cold snowy night" in Fröttmaning ein Herz für eine feine Flanke zu Tolissos 2:3. Fluchte in der Schlussphase noch einmal wie ein Stahlarbeiter aus Manchester Richtung Linienrichter und bereitete auch das 3:3 mit vor. Ist trotzdem kein Schnee -und Eistyp, aber bald ist es ja vorbei mit diesem Schmarrnwetter.

Robert Lewandowski

Auf so einem Schneematsch musste der Weltfußballer wohl zuletzt in der Jugend bei Varsovia Warschau ran. Aber er versuchte es mit all seinem Verbiegungstalent und eine seiner Aktionen führte dann prompt zum 1:2, als er artistisch in einer fließenden Bewegung Ballannahme und Torschuss vereinte. Verhakte sich zunehmends im Bielefelder Dickicht. Er. Kam. Einfach. Nicht. Durch. Blieb bei einem Treffer und haderte mit sich, allem und jedem.

Einwechselspieler

Joshua Kimmich erlöste den indisponierten Bouna Sarr nach seiner Einwechslung und brachte ein wenig mehr Zug und Zweikampflust ins Bayern-Spiel.

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