FC Bayern:Einfach aus dem Stau gerast

In einer zähen ersten Halbzeit spielt der FC Bayern den AS Rom müde und startet nach Toren von Thomas Müller und Miroslav Klose mit einem verdienten 2:0-Sieg in die Champions-League-Saison.

Meine Spieler sind müde. Meine Spieler sind müde. Meine Spieler sind müde. In diese drei Kernthesen hatte der stets hellwache Trainer Louis van Gaal die jüngsten Vorstellungen des FC Bayern gebündelt, was die Anhänger etwas skeptisch stimmte vor dem ersten Saison-Auftritt in der Champions League gegen den AS Rom. "Wer im Finale war, will da so schnell wie möglich wieder hin und es dann auch gewinnen", hatte Sportdirektor Christian Nerlinger der Müdigkeit zum Trotz kurz vor Spielbeginn noch verfügt. Müde Männer, und dann noch unter Erfolgsdruck? Konnte das gut gehen? Es konnte, aber es dauerte eine Weile: Nach zähem Beginn drehten die Bayern in der zweiten Hälfte auf und kamen am Ende zu einem hochverdienten 2:0 (0:0). "Nach 70 Minuten konnten die Römer nicht mehr laufen", bilanzierte Louis van Gaal zufrieden lächelnd, "wir haben sie kaputt gespielt."

FC Bayern Muenchen v AS Roma - UEFA Champions League

In Feierlaune: Daniel van Buyten und Thomas Müller (rechts).

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Es hatte nicht müde, sondern recht routiniert gewirkt, wie die Bayern von Beginn an das Spiel aufnahmen, das der große Guru van Gaal sie gelehrt hat. Sie nahmen den Ball und gaben ihn nicht mehr, sie reihten Ballstafette an Ballstafette, aber sie mussten schnell feststellen, dass der italienische Fußballer als solcher zu cool ist, um wegen ein paar Passgirlanden in Angst und Schrecken zu verfallen. Die Italiener spielten das Spiel, das ihre Großväter sie schon gelehrt haben. Sie verteidigten zäh, clever und ohne jeden Sinn für Humor, sie unternahmen eine Menge, um der angriffswilligen Mannschaft die Lust am Sport zu nehmen. "Rom war in der ersten Halbzeit vielleicht fünfmal über der Mittellinie", sagte van Gaal missbilligend. Zwei dicke Viererketten hatte Roma-Trainer Claudio Ranieri schmieden lassen, und sie legten sich eisenhart um die bayerische Offensiv-Dreierreihe, die van Gaal in Abwesenheit von Arjen Robben (verletzt) und Franck Ribéry (gesperrt) mit Thomas Müller, Toni Kroos und Hamit Altintop (von rechts nach links) besetzt hatte.

Es wurde nun ein Spiel, das die Betrachter zur gemeinen R&R-Frage provozierte: Was wäre gewesen, wenn wenigstens einer der rasenden Flügelartisten dabei gewesen wäre? Die Frage ist ein bisschen unfair (gegenüber Vertreter Altintop etwa) und ein bisschen nutzlos (niemand kann sie beantworten), aber mit jedem harmlosen Seitwärtslauf von Altintop drängte sie sich mehr auf. Den Bayern fehlte in dieser Phase das, was Ballgeschiebe in Dominanz verwandelt: der Überraschungsfaktor. Kein Contento flitzte bis zur Außenlinie durch, kein Kroos spielte Doppelpass mit niemandem, keiner startete in den freien Raum, um Kerben in die Deckung der gusseisernen Römer zu ritzen. Van-Gaal-Fußball wandelt ja manchmal auf einem schmalen Grat: Funktioniert das Spiel, gibt es einen herrlich kontrollierten und am Ende zwingenden Fußball zu sehen. Funktioniert es nicht gleich, wegen des Fehlens der großen R's, der Müdigkeit der Protagonisten oder eines hemmungslos defensiven Gegners, dann kann dieselbe Spielkontrolle auch wie Querpassfußball aussehen. Die Zuschauer pfiffen zur Pause, auch das ist ja ein Münchner Phänomen. Den Spielern wird es nicht gefallen haben, sie dürften sich missverstanden gefühlt haben bei ihren gut gemeinten, zunächst noch erfolglosen Bemühungen.

"Die Fans müssen verstehen, dass es Zeit braucht, bis man ein Team, das nur verteidigt, müde gespielt hat", tadelte van Gaal. Die Zuschauer hatten es aber auch nicht leicht: Dank U2-Konzert und U-Bahn-Streik verbrachten sie die Anfahrt in einem monströsen Stau, der sich auf dem Rasen zunächst fortsetzte. Auch im Spiel kam anfangs keiner so recht voran. München steckte im Stau.

Eine Art Powerplay

Man dürfe das Spiel nicht zu sehr öffnen, erklärte Nerlinger zur Pause, schließlich begriff jeder im Stadion, was die Römer wollten. Sie wollten nur kontern, und so war es ihnen in der ersten Hälfte tatsächlich gelungen, trotz geringer Spielbeteiligung die besseren Chancen zu kreieren, wie van Gaal vermutlich sagen würde. Während die Bayern nur einen Badstuber-Freistoß (7.), einen Olic-Versuch (8.) sowie ein paar dezente Distanzschüsse zu bieten hatte, musste Bayern-Torwart Jörg Butt ganz gegen seine Natur spektakulär durch die Luft fliegen, um eine von van Buyten abgelenkte Flanke aus dem Eck zu boxen (40.).

Manchmal kann aber ein einziger Schuss reichen, um die Ketten zu sprengen. Als Toni Kroos in der 55. Minute mit links abzog, beschlossen die Bayern, dass man auch ohne Brillanz zum Erfolg kommen kann. "Wir haben gemerkt, dass die Römer vom vielen Hinterherlaufen langsam müde wurden", meinte Bastian Schweinsteiger. Es entwickelte sich eine Art Powerplay, aus querpassenden Münchnern wurden anrennende Münchner. Nach Kroos' Versuch parierte Torwart Julio Sergio frecherweise auch den Drehschuss des WM-Helden Müller (56.), aber die römischen Viererketten lösten sich immer mehr auf. Nur Torwart Sergio hielt noch stand, auch beim nächsten Schuss des immer stärker werdenden Kroos (63.). Zur Unterstützung des Powerplays entschloss sich van Gaal zum Doppelwechsel, er brachte das Mittelstürmer-Paket Klose/Gomez für Olic und Altintop. Zug, Zielstrebigkeit und der Wille zur zwingenden Kombination waren ins Bayern-Spiel zurückgekehrt, sie stürmten gegen Sergio und die Zeit. Aus allen Richtungen kamen nun die Schüsse geflogen, am Ende halfen den Italiener auch die Catenaccio-Gene ihrer Vorfahren nicht mehr. Natürlich war es der freche Müller, der nach van Buytens Kopfballvorlage einen artistischen Außenristschuss anbrachte, der sich in langem Bogen ins Netz drehte (79.). Und weil's gerade so schön war, lenkte der sehr lebhafte Klose einen Badstuber-Freistoß noch zum 2:0 ins Netz (83.).

Die Bayern sind müde, sind müde, sind müde? In der ersten Hälfte, mitten im Stau, waren sie es vielleicht noch. In der zweiten Hälfte sind sie einfach in hohem Tempo aus dem Stau gerast.

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