Choupo-Moting beim FC Bayern:Klebstoff für die Kabine

FC Bayern München: Stürmer Eric-Maxim Choupo-Moting beim Training

Schon in München bei der Arbeit: Eric Maxim Choupo-Moting (Mitte).

(Foto: Christof Stache/AFP)

Mit dem auf den letzten Drücker geholten Stürmer Eric Maxim Choupo-Moting kopieren die Münchner ein Pariser Erfolgsmodell. Der gebürtige Hamburger gilt als Garant für Zusammenhalt.

Von Philipp Selldorf

Thomas Tuchel hatte nach dem Besuch von Eric Maxim Choupo-Moting eine Ahnung, man könnte sogar behaupten, ihn hätte eine Vision ereilt. Der Besuch war zwar nicht lang geblieben, "Choupo", wie er gemeinhin gerufen wird, hatte sich nur ein Sportgerät geliehen, um mit seinem sechsjährigen Sohn eine der vielen freien Stunden im fußballlosen Pariser Sommer zu genießen. Doch er hatte bei seinem Trainer mal wieder einen speziellen Eindruck hinterlassen. Später sagte Tuchel einem Vertrauten: "Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er uns in Lissabon in der letzten Minute einen reinstolpert."

Bekanntlich erfüllte sich diese Prophezeiung schon bei der ersten Gelegenheit in der Champions-League-Finalrunde: Choupo-Moting war pünktlich zur Stelle, als Kylian Mbappé im überbevölkerten Strafraum von Atalanta Bergamo ins Zentrum passte, und wenn "Choupo" den Ball auch nicht reinstolperte, sondern geradewegs zum 2:1-Siegtor ins Ziel beförderte, so trug sich der magische Moment doch tatsächlich in der letzten Minute der Nachspielzeit zu. Ein paar Tage später fehlte dann nur ein halber Schritt, um Tuchels Ahnung ein weiteres Mal zu bestätigen.

Im Estadio da Luz in Lissabon rollte der letzte Angriff, der Paris Saint-Germain im Finale noch blieb, um die 1:0-Führung der Bayern auszugleichen. Vier bis fünf Rote standen drei frontal heranstürmenden Blauen entgegen, aber die Überzahl mochte niemanden auf der Münchner Bank beruhigen, denn die Angehörigen der gegnerischen Offensive hießen Neymar, Mbappé - und Choupo-Moting.

Mbappé führte den Angriff, nahm das Tempo raus und wartete auf den Moment für den Steilpass. Neymar verschaffte ihm den Zielpunkt, indem er quer durch die Bayern-Deckung kreuzte und genau dort auftauchte, wo Mbappé das Anspiel platzieren konnte. Choupo-Moting war währenddessen Alphonso Davies entwischt und hatte den Platz im Zentrum bezogen. Alles war also angerichtet für den Ausgleich. Doch statt den freien Mitspieler zu bedienen, versuchte Neymar, wohl eher aus Verzweiflung als aus Egoismus, einen Torschuss, der vorbeisauste.

Choupo-Moting hätte ein zweites Mal zum Helden werden können, stattdessen war das Spiel kurz darauf vorbei, und der 31 Jahre alte Angreifer aus Hamburg-Altona musste den Weg in die Arbeitslosigkeit antreten. Die von allen sonstigen Beteiligten gewünschte Vertragsverlängerung bei PSG versagte ihm der zuständige Sportdirektor Leonardo, der nicht zum ersten Mal exklusiv seine eigenen Pläne verfolgte.

Die Bayern haben einigen Spott auf sich gelenkt, als sie eine knappe Woche vor Transferschluss den Versuch starteten, einen Stürmer zu engagieren, um Robert Lewandowski jene Pausen zu geben, die der Terminplan nicht von selbst erlaubt. Der eine oder andere ständige Beobachter (Uli Hoeneß würde ihn "Schlaumeier" nennen) hatte bereits darauf hingewiesen, dass es personell eng werden könnte in dieser gnadenlos getakteten Saison.

Dass die Bayern dann beim Namen Andrej Kramaric landeten, das hatte was von Folklore: Jener Kramaric hatte ja gerade durch zwei Treffer zur 1:4-Niederlage des Großmeisters in Hoffenheim beigetragen. Nun schienen die Münchner ihr Scouting- und Einkaufsprinzip des 20. Jahrhunderts kopieren zu wollen: Wer gegen uns trifft, muss was taugen, also her mit ihm! Mit dieser Methode hat man einen Spieler wie Roy Makaay nach München gebracht, aber auch einen wie Vahid Hashemian.

Letztlich hat Sportdirektor Hasan Salihamidzic ein anderes Modell kopiert, indem er den Coup aufgriff, den Tuchel in Paris mit Choupo-Moting inszeniert hatte. Der Stürmer war 2017 vom englischen Absteiger Stoke in die französische Hauptstadt gekommen, unbedarfte Augenzeugen mochten das für eine Märchengeschichte halten. Was hatte ein Premier-League-Flop im Pariser Glamourteam verloren? Aber Tuchel wusste natürlich, was er tat. Er kannte den Stürmer aus gemeinsamen Zeiten bei Mainz 05 und wusste, dass dieser noch andere Talente besitzt, als kunstvoll mit dem Ball umzugehen.

Er hat eine besondere Gabe

"Choupo" habe die Gabe, als "sozialer Klebstoff" eine Gemeinschaft zusammenzuhalten, sagt Tuchel, diese Eigenheit hat in Paris in drei gemeinsamen Jahren allen geholfen: dem Trainer, dem Team - und Choupo-Moting, der außer dem Spitzenfußball bei PSG auch das Leben in der französischen Hauptstadt genoss. Sehr profitiert haben auch Pariser Räuber, die zweimal bei Choupo-Moting einstiegen und außer Handtaschen und Schmuck einen Haufen edler Uhren davontrugen. Warenwert insgesamt: rund eine Million Euro.

Ein großer Ästhet war er auch schon, als er noch bei Schalke 04 spielte und in einem ausgebauten Gutshof in der Nähe von Düsseldorf eine Wohnung bewohnte, die außer von den teuren Designermöbeln auch vom guten Geschmack der Bewohner geprägt war. In Paris war dann alles eine Nummer größer. Choupo-Moting ging nun nicht mehr mit Roman Neustädter auf die Düsseldorfer Modemesse und traf dort Verona Pooth, sondern mit Neymar auf die Pariser Fashion Week, wo außerdem halb Hollywood zugegen war.

Neymar, sagen Kenner, habe "Choupo" regelrecht geliebt, aber mit Mbappé kam er auch sehr gut aus. "Er kann mit jedem", sagt ein Insider der Pariser Kabine, "er ist ein Hamburger Junge geblieben, aber er spricht mehrere Sprachen und er hat die Leichtigkeit des Weltmanns." Gerne empfing er Gäste aus der Hamburger Hip-Hop-Szene bei den PSG-Spielen, und geschätzt hat er auch, mit seinem Porsche GTS durch die Stadt zu kreuzen.

Wie Abwehrchef Thiago Silva und Mittelstürmer Edinson Cavani wäre auch Choupo-Moting gern beim Klub geblieben. Tuchel hätte es gefallen. Leonardo entschied anders. Hasan Salihamidzic hat den Neuling nun mit angemessenen Worten willkommen geheißen. Choupo-Moting, sagte er, sei "ein Riesentyp mit sehr gutem Charakter". Fußball spielen kann er aber auch sehr gut.

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Eric Maxim Choupo-Moting of Paris Saint-Germain during the UEFA Champions League group A match between Galatasaray AS a

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