FC Bayern gegen Dortmund:Hansi Flick steigt auf

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Hansi Flick darf jubeln - und erstmal Bayern-Trainer bleiben. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der FC Bayern gewinnt 4:0 gegen Dortmund, auch für Interimstrainer Hansi Flick ist es ein besonderer Sieg.
  • Er zeigt, dass er die Mannschaft bestens erreicht - und darf erstmal Trainer bleiben.
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Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Ob man das lernen kann, diese Fähigkeit ein Fußballspiel in wenigen, deftigen Sätzen zusammenzufassen? Thomas Müller ist es jedenfalls oft gelungen, die richtigen Worte zu finden, er gilt gewissermaßen als Akrobat mit Ball und Worten. Bei ihm war man also auch nach dieser größtmöglichen Wiederauferstehung des FC Bayern gegen Borussia Dortmund richtig, um alles Wesentliche zu diesem Abend zu erfahren.

Müller, der nach schwierigen Wochen urplötzlich wieder Stammspieler ist, wirkte beschwingt. Er redete und schlawinerte, er war voll und ganz der Thomas Müller, den alle kennen. Er hatte zum 4:0 (1:0) der Münchner zwei Vorlagen beigesteuert und er wollte etwas in Richtung des BVB loswerden. "Es war hier vor dem Spiel ja viel von 'Männerfußball' die Rede und ich finde, mit 30 kann man sich da schon angesprochen fühlen", sagte Müller und meinte damit Aussagen von Dortmunds Sportchef Michael Zorc, der diese Art von Fußball gerne von seinen Leuten gesehen hätte.

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Was auch immer Zorc mit diesem Begriff aus der Mottenkiste der 80er-Jahre genau gemeint hatte, Müller gab die passende Antwort. Er fand: "Das ist der Unterschied, warum wir sieben Mal in Folge Meister geworden sind und die nicht." Das saß, so wie wie jedes einzelne Münchner Tor gesessen hatte, bei denen die Arena zuvor ordentlich gewackelt hatte. Andererseits: Wer solche Spitzen abfeuert, muss ganz schön genervt gewesen sein von den Dortmunder Avancen.

"Ich habe den Eindruck, der Hansi macht das ganz gut"

Dieses 4:0 jedenfalls setzte beim Meister einiges an Kräften frei, es wirkte wie ein bayerischer Urknall, ein krachledernes "Da samma wieder" und es rückte die Verhältnisse auf eine Art zurecht, welche die Verantwortlichen in Verzückung versetzte. Uli Hoeneß zum Beispiel hatte Karl-Heinz Rummenigge "beim 1:0 fast die Treppe runtergestoßen", berichtete Letzterer - zum Glück unversehrt - hinterher vergnügt. Vorstandsboss Rummenigge baute sich dann auch vor den Reportern auf und sprach als Erster aus, worauf alle gewartet hatten: Dass die Bayern nach diesem Spiel, der für ihn "besten Saisonleistung", natürlich "bis auf weiteres" mit Interimstrainer Hansi Flick weitermachen.

Denn der Aufstieg des vormaligen Co-Trainers, das war die eigentliche Geschichte dieses Spitzenspiels, das so manche kleine und große Erzählung bereithielt. "Ich habe den Eindruck, der Hansi macht das ganz gut", sagte Rummenigge, "wir müssen jetzt einfach unaufgeregt weitermachen." Tatsächlich war Flicks zweites Spiel als Cheftrainer eine Vorführung im Fußball-Einmaleins. Er hatte der Mannschaft nach den taktischen und kommunikativen Wirrungen von Niko Kovac genau die richtigen Kniffe verpasst. Keine Zaubertricks, sondern stinknormales Trainer-Handwerk.

Flick hatte Mut bewiesen, etwa mit einer Abwehr-Formation, in der kein einziger Profi auf seiner angestammten Position auflief. Links demonstrierte der einstige Flügelstürmer Alphonso Davies, 19, dass er einen astreinen Außenverteidiger drauf hat. In der Mitte hielten die zweckentfremdeten Javi Martinez und David Alaba gekonnt den Laden dicht und rechts bereitete der eigentliche Innenverteidiger Benjamin Pavard Robert Lewandowskis 1:0 (17.) vor. "Gut positioniert" sei man gewesen, fand Lewandowski, der nach Serge Gnabrys 2:0 (49.) auch das 3:0 (76.) erzielte. Das 4:0 hinterließ Mats Hummels bei seiner Rückkehr als Gastgeschenk per Eigentor (80.).

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Vielfache Erwähnung fand das aufgefrischte Gegenpressing der Bayern, mit dem der in allen Belangen vernichtend geschlagene BVB überhaupt nicht zurecht kam. Der neue Trainer habe "die Grundhaltung verändert", sagte Leon Goretzka, dessen Präzisierungen einiges offenlegten: "Auch das defensive Anlaufen, wie wir verteidigen, all das beeinflusst die Dynamik, denn nur so gibt es von Beginn an Ballgewinne." Die Münchner griffen früher an, sie lauerten, sie waren in jedem Moment aggressiv und führten Zweikämpfe, als seien es die letzten in ihrem Leben. Bemerkenswert war im Vergleich zu fast allen Spielen dieser Saison vor allem der Unterschied in Sachen Körperlichkeit.

Flick hat in seinen fünf Tagen im Amt nicht alles neu erfunden, das betonten mehrere Akteure, aber er hat die richtigen Schlüsse aus der spielerischen Misere der vergangenen Wochen gezogen - und das ist in dieser aufgeregten Phase durchaus eine Leistung. Er selbst sprach simple, aber einleuchtende Worte: "Die Mannschaft hat eine enorme Qualität. Wir haben in den letzten Tagen nach dem Piräus-Spiel nochmal an ein paar Stellschrauben gedreht um noch stabiler zu werden." Stark reden, Taktik anpassen, hinten gut stehen - Flicks Ideen wirken auf die Mannschaft wie eine Kraftbrühe im Winter.

Die zurückerlangte Stabilität, das Zusammenwirken der Mannschaftsteile ist wohl sein größtes Verdienst. Erreicht hat er das mit Gesprächen, mit klaren Ansagen und der Fähigkeit der genauen Analyse. "Er hat die richtigen Punkte angepackt", sagte Goretzka, der sich nun als Stammkraft auf der Achterposition austoben darf. Für Rummenigge sind es auch psychologische Effekte: "Wenn ein neuer Trainer kommt, fängt man manchmal mit einem neuen Spirit an." So endete dieser bayerische Befreiungskampf mit lauter glücksprallen Gesichtern - und irgendwo stand leicht überwältigt auch Uli Hoeneß, der völlig vergessen hatte, dass es sein letztes Spiel als amtierender Präsident gewesen war.

Am kommenden Freitag endet auf der Jahreshauptversammlung seine Amtszeit, Hoeneß wird dann nur noch Aufsichtsrat sein. Wehmut war ihm anzumerken, die Lippen bebten, der Körper wankte, aber auch ein wenig Distanz wurde spürbar. Er sagte: "Man sieht, dass die Mannschaft mit Hansi Flick gut zurecht kommt. Unsere Führung wird jetzt nachdenken und klar ist Flick unser erster Kandidat als Trainer." Bis zum Winter dürfte er nun mindestens bleiben - der Neue habe schließlich "Überragendes bewirkt in der kurzen Zeit", wie Thomas Müller resümierte. Und was Thomas Müller sagt, das hat beim FC Bayern ja meistens Substanz.

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