FC Bayern:Die Tage des Kühlschranks beginnen

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Kühlschrankartige Statur: DFB-Verteidiger Niklas Süle (Foto: REUTERS)
  • Innenverteidiger Niklas Süle kehrt als einer der Gewinner aus der Länderspielwoche zurück zum FC Bayern München.
  • Er hat die jahrelang betonierte Hierarchie durchbrochen: Vor Mats Hummels und Jérôme Boateng steht nun Süle.
  • Der 23-Jährige machte im Länderspiel gegen Frankreich einfach nichts falsch, und das reicht im Herbst 2018 schon, um als bester deutscher Innenverteidiger zu gelten.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Einen kräftigen Auftrieb in seiner Karriere hat Niklas Süle regelmäßig dann gespürt, wenn er gerade erst übergangen worden war. Mai 2012, der 16 Jahre alte Süle spielt mit der U 19 der TSG Hoffenheim gegen den Abstieg aus der Bundesliga, am vorletzten Spieltag geht es gegen einen direkten Konkurrenten, gegen Waldhof Mannheim. Süle sitzt auf der Bank, zur Halbzeit steht es 0:2, erst dann kommt Süle, Endstand: 1:2. Zum letzten Spieltag gegen den TSV 1860 München übernimmt der spätere Profi-Manager Alexander Rosen als U19-Trainer, ihm assistiert ein gewisser Julian Nagelsmann, damals 24. Süle spielt durch, die TSG gewinnt 4:0. Fortan gilt Süle als Innenverteidiger der Zukunft in einem Verein, der damals zugegebenermaßen nicht einmal sonderlich viele Innenverteidiger der Gegenwart hat.

Knapp sechseinhalb Jahre später wird Süle wieder übergangen, und wenige Tage später gilt er erneut als Innenverteidiger der Zukunft, und das in einer Mannschaft, die in der Abwehrmitte schon Spieler wie Berti Vogts, Guido Buchwald oder Jürgen Kohler aufgeboten hat. Beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft am vergangenen Samstag in den Niederlanden saß Süle 90 Minuten lang auf der Bank, Endstand: 0:3. Am Dienstag dann, gegen Frankreich, spielte der Verteidiger durch. Das 1:2 konnte auch er nicht verhindern, doch er präsentierte sich dabei zumindest so stabil, dass er die in der deutschen Innenverteidigung jahrelang betonierte Hierarchie endgültig durchbrochen hat.

Wenn an diesem Samstag der FC Bayern erstmals nach der Länderspielpause sowie erstmals nach den zuvor vier sieglosen Partien wieder spielt, beim VfL Wolfsburg, dann ist zwar der Zustand unverändert, dass Mats Hummels und Jérôme Boateng darum wetteifern, wer denn nun der Bessere, Klügere und Schönere der beiden ist. Neu aber ist, dass sie sich nun erst einmal nur darum streiten, wer der Bessere, Klügere und Schönere hinter Süle ist. So sagte der weiterhin unbestritten sehr kluge Hummels nach der Niederlage in Paris: "Man hat gesehen, dass wir viele gute Jungs haben, die nachrücken." Er meinte damit seinen umsichtigen Kumpel vor der Abwehr, Joshua Kimmich, 23. Er meinte die schnellen Wilden in der Offensive, den 23-jährigen Serge Gnabry sowie die beiden 22-jährigen Timo Werner und Leroy Sané. Er meinte aber auch: Niklas Süle, inzwischen 23 Jahre alt.

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Zumindest Süle dürfte beschwingt und gestärkt zum FC Bayern zurückgekehrt sein

Gegen Frankreich spielte Süle in der neu formierten Dreierkette in der Mitte, also auf der Position, auf der einer gerne zum sog. Abwehrchef ernannt wird. Süle gewann 80 Prozent seiner Zweikämpfe, ein paar Zweikämpfe konnte er zudem durch ein gutes Stellungsspiel vermeiden, und dank seiner gerade für seine kühlschrankartige Statur beeindruckenden Schnelligkeit brachte ihn selbst der flinke Franzose Kylian Mbappé vergleichsweise selten in Schwierigkeiten. Im Spielaufbau gab Süle zudem einen besonders vorbildlichen Chef, er unternahm nie etwas Verrücktes, immer etwas Grundvernünftiges, 67 seiner 68 Pässe kamen an. Süle machte also einfach nichts falsch, und das reicht im Herbst 2018 schon, um als bester deutscher Innenverteidiger zu gelten.

Boateng fehlte in Frankreich wegen muskulärer Probleme in der Wade, schon gegen die Niederlande hatte er sich damit über den Platz geschleppt. Immer wieder hatte er sich gedehnt, immer wieder saß er erledigt auf dem Rasen, den Kontern zum 0:2 und 0:3 lief er dennoch nicht sonderlich geschmeidig hinterher. Es war ein weiterer unglücklicher Auftritt Boatengs in diesem Herbst, der gelegentlich geprägt ist von etwas verrückten Pässen, von abenteuerlichen Grätschen. Hummels wirkte gegen die Niederlande zwar sicherer, aber ihm gelang es nicht, seinen Abwehrkollegen besser aussehen zu lassen, diesem vielleicht ein paar ungeschmeidige Sprints oder abenteuerliche Grätschen zu ersparen. Gegen Frankreich war es dann Hummels, der erschöpft wirkte, der vor allem damit beschäftigt war, diese flinken Franzosen nie aus dem Sichtfeld zu verlieren - und dann waren sie doch wieder an ihm vorbei. Manchmal profitierte Hummels davon, dass er neben sich einen Abwehrchef hatte, der mit seinem Kühlschrankkörper schnell ein paar kleinere Lücken stopfte.

Er hoffe, dass seine Nationalspieler auf den Länderspielreisen "einen freien Kopf" bekommen, mit diesem Wunsch hatte sich Bayern-Trainer Niko Kovac in die Pause verabschiedet. Es war ein bescheidener Wunsch, doch zumindest Süle dürfte beschwingt und gestärkt zurückgekehrt sein. Kovac weiß jetzt auch, dass er im Sommer den richtigen Instinkt hatte, als er Süle in seiner persönlichen Hierarchie ganz nach oben beförderte, vor den von den Bossen wenig geschätzten Boateng, vor den unbestritten klugen Hummels. Dennoch unterwarf der Trainer auch seine drei Innenverteidiger der Rotation, mit der Folge, dass keiner gestärkt wurde. Beim letzten Spiel vor der Pause, beim 0:3 gegen Mönchengladbach, leitete Süle die Niederlage mit einem ungeschmeidigen Ballverlust ein. Anschließend rutschte der FC Bayern auf den sechsten Tabellenplatz ab, und Süle sprach von einer "schwarzen Woche". Von einer Woche, in der er nicht seinen eigenen Ansprüchen genügte. Von einer Woche, wie er sie nicht wieder erleben will.

Dazu, so sieht das Süle, sollten aber endlich die Zeiten enden, in denen er erst übergangen werden muss, um aufzufallen.

© SZ vom 19.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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