Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Die Defensive steht und wackelt

Trainer Niko Kovac lobt die Abwehr und wünscht sich den Verbleib von Jérôme Boateng, der mit Manchester United in Verbindung gebracht wird.

Von Sebastian Fischer

Alexis Sánchez ist ein Stürmer von Weltklasse, er hat in seiner Karriere unter anderem 62 Tore in der Premier League geschossen. Auch Marcus Rashford ist ein Angreifer der gehobenen Kategorie, er hat in der Premier League bereits 17 Mal getroffen, allerdings ist er auch erst 20, neun Jahre jünger als Sanchez. Am Sonntagabend waren beide in der Münchner Arena so gut wie unsichtbar. Sie hatten im Testspiel beim FC Bayern keine einzige Torchance, der deutsche Meister gewann gegen Manchester United 1:0. Es lag also die Interpretation nahe, dass die Münchner vor dem Start der Pflichtspielsaison im Supercup gegen Eintracht Frankfurt am kommenden Sonntag in der Lage sind, eine Abwehr von Weltklasse aufzustellen. Wenn es doch nur so einfach wäre.

Trainer Niko Kovac hatte nach einem nahezu ereignislosen Testspiel bereits die Ereignislosigkeit vor dem eigenen Tor gelobt, Rechtsverteidiger Joshua Kimmich und Innenverteidiger Niklas Süle hatten sich ihm angeschlossen, da verließ der Innenverteidiger Jérôme Boateng die Arena. Er schaute auf sein Handy, trug Kopfhörer im Ohr und sagte nichts. Er wäre ansonsten gefragt worden, ob es stimme, dass er in den kommenden Tagen den Verein verlassen und nach Manchester wechseln könnte. Und er hätte es kaum entschieden verneinen können. Sportdirektor Hasan Salihamidzic dementierte einen Bericht der Bild-Zeitung nicht, wonach die Vereine am Rande des Spiels über Boatengs Transfer verhandelt hätten. Torwart Manuel Neuer sagte: "Jérôme würde uns natürlich fehlen, es wäre schade, wenn er ginge."

Die Münchner Abwehr steht - das war das Ergebnis auf dem Rasen gewesen. Sie steht noch nicht, das war das Ergebnis der Szenen hinterher.

Dass die Defensive ein Fokus von Kovac während seiner ersten Saisonvorbereitung als Bayern-Trainer sein würde, das steht eigentlich seit dem 19. Mai fest. Damals besiegte Kovac als Trainer von Eintracht Frankfurt die Münchner im DFB-Pokalfinale mit 3:1 durch drei Kontertore. Das ist nicht die einzige Neuerung, Kovac legt zum Beispiel sehr viel Wert auf Fitness, die noch vor einem Jahr unter dem zur Gemütlichkeit neigenden Trainer Carlo Ancelotti ein Problem war. "Das Training ist umfangreicher, es wird mehr auf die Grundlagenausdauer geachtet. Ich bin davon überzeugt, dass uns das während der Saison zugutekommen wird", sagte Kimmich. Kovac lässt auch Standardsituationen üben; wer wollte, der konnte im Kopfballtor von Javi Martínez nach einer Ecke von Thiago dafür den Beleg sehen. Am auffälligsten war jedoch hinterher das allgemeine Lob der Abwehrleistung. "Was richtig gut war, war die defensive Absicherung, wie wir als Team gearbeitet haben, dass wir in Überzahl standen. Das war letztes Jahr in vielen Spielen das Problem", sagte Süle.

Kovac hat während der Werbereise in der USA, im Training in München und auch im Trainingslager am Tegernsee, das noch bis Donnerstag dauert, eben jenes Defensivverhalten geschult, das Verschieben im Spiel ohne Ball und die unmittelbare Ballrückeroberung nach Ballverlust, Gegenpressing genannt. Er hat angekündigt, bei Bedarf auf eine Kette aus drei Innenverteidigern umstellen zu wollen, anstatt einer Viererkette mit zweien. Am Sonntag sagte er, dass er sich Boatengs Verbleib wünsche. "Ich habe drei fantastische Innenverteidiger, und bei Jérôme gibt es meines Wissens nichts Neues."

Nun ist es tatsächlich nichts Neues, sondern so etwas wie die Begleitmusik dieser Saisonvorbereitung, dass über Boatengs Abschied spekuliert wird. Paris Saint- Germain galt und gilt als Kandidat, der kicker berichtet auch vom Interesse des FC Arsenal. Es ist auch kein Geheimnis, dass der FC Bayern bereit wäre, Boateng für rund 50 Millionen Euro abzugeben und spätestens im kommenden Sommer den französischen Weltmeister Benjamin Pavard vom VfB Stuttgart verpflichten will. Es bleibt vorerst noch ein Geheimnis, was die Verhandlungen um Boateng bringen.

Fest steht, dass am Freitag in England die Saison beginnt, am Donnerstag das Transferfenster schließt und am Sonntag Manchesters Verteidiger Phil Jones, eher nicht Weltklasse, stark nachschwitzend sagte: "Wir haben schon ein paar neue Gesichter und vielleicht bekommen wir noch ein paar mehr."

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SZ vom 07.08.2018
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