Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:Und wer pfeift das Finale?

Der Elfmeter in Bremen macht das Pokalendspiel schon jetzt zu einer brisanten Veranstaltung. Der DFB sollte das Duell zwischen Leipzig und Bayern in die Hände einer erfahrenen Autorität legen.

Kommentar von Christof Kneer

Noch ist nicht klar, welcher Schiedsrichter in vier Wochen das DFB-Pokal-Endspiel in Berlin leiten wird. Der DFB vergibt solche Spiele meist als eine Art Jahresend-Bonus an Schiedsrichter, die eine gute Saison hinter sich haben oder die aus Gründen, die man nicht immer verstehen muss, irgendwie mal dran sind. Vor einem Jahr hat der Verband dem Schiedsrichter Felix Zwayer das Endspiel anvertraut, wogegen auf den ersten Blick nichts einzuwenden war, weil Zwayer zu den renommierteren Namen im Lande gehört. Auf den zweiten Blick war die Ansetzung nicht ohne Brisanz: Zwayer war ja nicht unbeteiligt daran gewesen, dass die Bayern dieses Pokalfinale überhaupt erst erreicht hatten. In der zweiten Pokalrunde hatte Zwayer beim Spiel in Leipzig einen Elfmeter gegen die Münchner verhängt und diesen dann nach einer skurrilen Beratung mit seinem 50 Meter entfernten Assistenten wieder zurückgenommen. In der Halbzeit brachte Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick dann einen ebenso skurrilen Videobeweis zur Aufführung, erbost zeigte er Zwayer auf seinem Smartphone noch mal die Bilder dieser Szene. Die Bayern gewannen am Ende nach Elfmeterschießen.

Derselbe Zwayer hat den Bayern im Finale dann übrigens einen Elfmeter verweigert, Javi Martínez war vom Frankfurter Kevin-Prince Boateng getroffen worden. Den Elfer hätte man geben können, sagte Boateng später, dessen Eintracht dann das siegbringende 3:1 erzielte. Folgt man dieser kuriosen Logik der ausgleichenden Ungerechtigkeit, dann müsste der DFB jetzt also den Schiedsrichter Daniel Siebert fürs Pokalfinale nominieren - jenen jungen Mann, der den Bayern in Bremen soeben einen siegbringenden Elfmeter überreicht hat.

Natürlich hat diese Entscheidung auch ein paar Tage später noch das Potenzial, die Volksseele aufzuwühlen, obwohl die benachteiligten Bremer und ihr souveräner Trainer Florian Kohfeldt in bemerkenswerter Sachlichkeit davon abgesehen haben, sich mit den Bayern anzulegen. Inzwischen darf die Fragwürdigkeit dieses Elfmeterpfiffs aber als offiziell beglaubigt gelten, nicht nur, weil Jochen Drees, Leiter des Video-Projekts beim DFB, die Entscheidung für "nicht korrekt" befunden hat. Am Freitag hat der Verband die Brisanz des Pfiffs erneut eingeräumt, indem er Robert Kampka als Vierten Offiziellen vom anstehenden Bremer Bundesligaspiel zurückzog; Kampka war am umstrittenen Pokalabend der (schweigende) Videoschiedsrichter gewesen. Auch Bayerns Thomas Müller hat den Elfmeter nach anderthalb Tagen Bedenkzeit nun für unberechtigt erklärt.

In jedem Fall müssen die Münchner damit leben, dass Sieberts Pfiff die Theorie vom sog. "Bayern-Bonus" wiederbelebt - in der Tradition von Pfiffen wie jenem im Pokalfinale 2014, als ein Dortmunder Tor gegen Bayern aberkannt wurde, obwohl der Ball hinter der Linie war. Seit langem kritisiert die Branche bei engen Entscheidungen eine - natürlich unbewiesene - Art vorauseilenden Gehorsams gegenüber den großen Bayern, was das Finale am 25. Mai schon jetzt zur brisanten Veranstaltung macht. Die Partie ist ja ohnehin aufgeheizt genug, das alte Geld der Bayern begegnet dem neuen Geld der Leipziger in einer Art Kulturkampf, weshalb der DFB alle Möglichkeiten zur vorauseilenden Deeskalierung ausschöpfen sollte. So sollte der DFB dem Schiedsrichter des Finales einschärfen, auch im Falle des geringsten Zweifels bitte das Videobild zu konsultieren - außerdem empfiehlt es sich, das Spiel in die Hände einer erfahrenen Autorität zu legen, so wie der DFB das Halbfinale HSV gegen Leipzig zum Beispiel von Felix Brych leiten ließ, dem renommiertesten Referee im Land.

Fürs Finale ist Brych allerdings kein Kandidat. Er kommt ja aus München.

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SZ vom 27.04.2019/tbr
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