DFB-Pokal-Sieg für FC Bayern:Ein glitzernder Trostpreis für Pep

DFB-Pokal-Sieg für FC Bayern: Trostpreis? Guardiola scheint doch ganz zufrieden mit dem Gewinn des DFB-Pokals zu sein.

Trostpreis? Guardiola scheint doch ganz zufrieden mit dem Gewinn des DFB-Pokals zu sein.

(Foto: Markus Schreiber/AP)

Pep Guardiola mit dem DFB-Pokal - das ist eine Art Happy End. Insgesamt wiegt aber die Enttäuschung in der Champions League zu schwer.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Am Ende noch mal kurz zurück zu der Geschichte, die am Anfang stand. Wie der damals noch im Amt des Präsidenten agierende Uli Hoeneß in geheimer Mission nach New York reiste. Wie er dort all seine Überredungskunst einsetzte, um Pep Guardiola zum Ende seines Sabbatjahrs zu bewegen. Und wie dann beide gemeinsam den Plan fassten, die Fußball-Welt aus den Angeln zu heben. Nun, da das letzte Kapitel geschrieben, das letzte Spiel gespielt ist, bleibt festzuhalten: Es war eine intensive, strapaziöse Zeit, und wer sie allein auf ihre nüchterne Titel-Bilanz reduziert, der kommt zu dem Ergebnis: hätte mehr sein können, hätte mehr sein sollen.

Drei deutsche Meisterschaften, zwei nationale Pokalsiege, aber doch nicht der große internationale Champions-Titel. Den verloren Guardiola und seine Mannschaft womöglich sogar durch jenen Elfmeter, den Thomas Müller vor wenigen Tagen gegen Atlético Madrid verschoss. Müller traf nun am Samstag, kurz vor 23 Uhr, schon wieder souverän im Elfmeterschießen - der Fußball nimmt, der Fußball gibt. Als Bild wird bleiben, wie die Bayern-Spieler ihren immer fordernden, oft anstrengenden und nun scheidenden Trainer in die Berliner Luft bugsierten.

Die Dramaturgie des Finals erhebt sich über schnöde Rechnerei

So eine intensive, zehrende Arbeitsepoche ist halt nicht nur in einer Titelbilanz zusammenzufassen. Zumal sich dieses Finale in seiner Dramaturgie über jede schnöde Rechnerei erhob. Es war ein wilder, bisweilen wirrer Schlagabtausch, mit stabilen Abwehrketten, tausenden Zweikämpfen, sehr wenigen klaren Chancen, am Ende ein von Wadenkrämpfen geprägtes Taumeln in der Rasenmitte. Ein Drama, das sich der reinen Pep-Lehre entzog, die darauf zielt, die Ereignisse mit der Kraft der Gedanken herbei zu grübeln.

Die Bayern fanden trotz stetig wachsender Überlegenheit das Tor nicht. Elfmeterschießen ist dann Schicksal - und es gönnte Guardiola einen versöhnlichen Schlussstrich unter seine deutsche Etappe. Die Bayern und ihr Trainer sind nun geschieden, es war eine lange Trennung unter Härten, aber ohne, dass am Ende noch das Porzellan zerschlagen wurde.

So ein Cup-Finale kann Gräben zuschütten, Leistungslücken schließen, die sich über Wochen, Monate und Jahre aufgetan hatten. 25, 19, 33, 10 - bei dieser Kette handelt es sich nicht etwa um die ersten vier Lotto-Zahlen fürs kommende Wochenende, sondern um die Punktrückstände des BVB in der Bundesliga seit 2013 auf den FC Bayern. Die ersten drei Rückstände wurden noch unter Jürgen Klopp erwirtschaftet, den letzten hat dessen Nachfolger Thomas Tuchel zu verantworten. Nach etwas spannenderem Saisonverlauf als in den Vorjahren war der Borussia am Ende doch die Luft ausgegangen. In der Guardiola-Phase ist der Tabellen-Rückstand der Dortmunder kaum geringer geworden, einen heißen Atem der Verfolger hat der FCB in der Liga schon lange nicht mehr zu spüren bekommen.

Von der Hegemonie der Fußball-Germanen, die in Merkels Europa befürchtet worden war, nachdem sich Münchner und Dortmunder 2013 im Champions-League-Finale begegnet waren (der FCB siegte durch einen Robben-Treffer mit 2:1 kurz vor Abpfiff), ist heute nicht mehr viel zu erkennen. Seit 2013 gingen alle sechs Europapokale an die Spanier, das Pokalfinale Bayern-Dortmund hatte also auch schon wieder etwas Nostalgisches.

Watzkes Forderung gilt nicht für die Bayern

Der Rückstand auf die Südeuropäer hat klare Wegmarken, die sich in die Bayern-Historie eingebrannt haben: Real Madrid (2014), FC Barcelona (2015), Atletico Madrid (2016). Die drei Halbfinal-Enttäuschungen in der Champions League werden auf der Malus-Seite in der Guardiola-Bilanz stehen bleiben. Auch wenn die Münchner sich vielleicht sogar hinter der Forderung von BVB-Chef Watzke versammeln könnten, der vor Anpfiff in Berlin gefordert hatte, man müsse sich "vom Titelwahn lösen", und meinte, heute müsse "man sich für eine Vize-Meisterschaft fast schon entschuldigen".

Nun orientiert sich das Selbstverständnis des FCB allerdings allein an seiner Trophäensammlung, an den Maximen des Erfolges, und in der Ära Guardiolas hat auch dieser Klub das Verlieren wieder bitter lernen müssen. Schmerzlich besonders gegen jenes Atlético, gegen das sich die Münchner durchaus als die bessere, die aktivere Mannschaft wähnen durften, die trotzdem keine Beute machen konnte.

Zurück bleibt das Gefühl, dass der FC Bayern in diesem Jahr auch international dran gewesen wäre. Dass die aktuelle Mannschaft nach ihren ersten beiden Halbfinal-Niederlagen in der Warteschleife eigentlich ganz vorne gewesen wäre - ähnlich wie nach dem Final-Drama von 1999 gegen ManUnited, dem der Triumph 2001 folgte; und der Heim-Niederlage gegen den FC Chelsea von 2012, dem sich der Triumph 2013 anschloss. Insofern, und da die Münchner ahnen, wie gut sie im CL-Finale am kommenden Samstag in Mailand hätten sein können (das nun zum Madrider Stadtderby wird), kann der Berliner Triumph doch nur ein glitzernder Trostpreis sein.

Das Spiel ist stärker als alle Gurus und Strategen

Allerdings errungen in Szenen und Bildern, die lange nicht nach Guardiolas Geschmack sein konnten. Einst gekommen, um wie damals bei den Champions-League-Siegen mit dem FC Barcelona dem Spiel seinen Willen aufzuzwingen, musste er erkennen, dass der Eigendynamik, die sich in Berlin auf dem Rasen entwickelte, auch mit wildesten Gesten lange nicht Einhalt zu gebieten war. So bleibt als letzter Eindruck seiner Amtszeit, dass das Spiel stärker, fließender ist als alle Gurus und Strategen, die es mit der Kraft ihrer Gedanken zu dominieren versuchen. Der letzte Vorhang in diesem Pep-Theater ist gefallen. Das letzte Bild zeigt einen Trainer, der minutenlang versucht, mit den Händen vor dem Gesicht die Tränen aus den Augen zu drücken. Ein Happy-End war im großen Drehbuch dieser Drei-Jahres-Beziehung mit dem FC Bayern also doch noch vorgesehen.

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