FC Bayern:Der traurige Mario

FC Bayern München - Trainingslager

Mario Götze, wohl nicht mehr lange beim FC Bayern.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Als Posterboy des deutschen Fußballs kam Mario Götze nach München. Warum er bei den Bayern dennoch scheiterte.

Von Thomas Hummel

Pep Guardiola klagte zuletzt etwas theatralisch: "Nach diesem Spiel - everybody killed me." Er hatte sich erlaubt, einen bayerischen Weltmeister im vielleicht wichtigsten Spiel des Jahres auf die Bank zu setzen. Ohne diesen bayerischen Weltmeister hat der FC Bayern dann in Madrid 0:1 verloren und der Trainer musste sich einiges anhören. Was kaum jemand bemerkte und schon gar nicht beklagte: Auf dieser Bank in Madrid saß noch ein weiterer bayerischer Weltmeister.

Okay, Mario Götze ist längt nicht so bajuwarisch wie Thomas Müller. Den Müllerthomas im Halbfinale der Champions League nicht einzusetzen, gilt hierzulande als Landesverrat. Doch was ist eigentlich mit dem in Memmingen geborenen Mario Götze passiert, dass ihn Trainer, Verein und Volk derart vergessen haben?

Als es wirklich drauf ankam, spielte er in dieser Saison keine Rolle. Pep Guardiola, der ihn aus Dortmund geholt hatte, dachte nicht einmal daran, ihn einzusetzen. Und der neue Trainer des FC Bayern denkt gar nicht daran, an dieser Ersatzrolle etwas zu verändern. Nach Informationen der SZ telefonierten in der vergangenen Woche Carlo Ancelotti und Mario Götze miteinander, der Italiener sagte sinngemäß: Wenn Götze regelmäßig spielen wolle, dann empfehle er ihm, den Verein zu wechseln.

Es deutet sich an, dass dieser immer noch junge Fußballer demnächst die Stadt München als Gescheiterter verlassen wird. Als einer, der es nicht geschafft hat beim FC Bayern. Dabei war er einst mit dem lautestmöglichen Getöse angekommen.

Der Knall im April 2013

Mario Götze wechselt zum FC Bayern - das war im April 2013 ein Knall in der Fußballzunft. Nach einem Gespräch mit dem baldigen Bayern-Trainer Guardiola wollte der damals 20-Jährige vom BVB zum großen Konkurrenten überlaufen. 37 Millionen Euro Ablöse, der bis dahin teuerste deutsche Fußballer, samt kolportierter zwölf Millionen Jahresgehalt. Publik wurde es kurz nach Bekanntwerden der Hoeneß-Steueraffäre und am Tag des Champions-League-Halbfinals BVB gegen Real Madrid. Schon da wirkte Mario Götze wie ein Spielball mannigfaltiger Interessen. Rückblickend muss man wohl sagen, dass an diesem Tag die Tristesse eines der größten Talente des deutschen Fußballs begann.

Alles fokussierte sich fortan auf diesen Jungen. Die Freude. Und vor allem der Hass. Eigentlich ist das bis heute so. Der Wechsel löste im Fußballland und vor allem in Dortmund eine Welle der Empörung aus. Derart im Mittelpunkt zu stehen, das wollte Mario Götze nie. Er ist ein eher zurückhaltender, introvertierter Typ. Er wollte einfach nur von diesem weltberühmten Trainer geschult werden, der ihm vermutlich einflüsterte, super-super-toll zu sein. Im Rückspiel des BVB in Madrid verletzte sich Mario Götze, Muskelfaserriss. Kurz darauf verletzte er sich gleich wieder: Muskelbündelriss. Manche glauben, dass der Körper Mario Götzes dem Druck einfach nicht mehr standhielt.

Perfekt vermarktet

Seitdem sind drei Jahre vergangen. Es waren gute Phasen dabei. Phasen, in denen er sein kolossales Talent am Ball zeigte, sein Spielverständnis und seine Begabung, auf drei Grashalmen drei Gegenspieler zu narren. Es gab auch schwächere Phasen. Aber vor allem gab es ein Spiel in Rio de Janeiro, das aus Götze den Posterboy des deutschen Fußballs machte. Sein Tor in der Verlängerung gegen Argentinien machte Deutschland zum Weltmeister. Natürlich nicht irgendein Tor, sondern mit der Brust angenommen und volley vollendet. Die gesamte deutsche Nachwuchsarbeit aus eineinhalb Jahrzehnten zugespitzt in diesem Moment, in diesem Jungen. Schon wieder diese Überhöhung.

Dabei war die WM in Brasilien nicht die WM des Mario Götze gewesen. Er hatte mau bis ordentlich gekickt, die wahren Helden waren andere. Doch dieses Tor war nun in der Welt. In der Pressekonferenz nach dem Finale saß ein völlig unverdient zum Man of the Match gewählter Götze und gewährte etwa 1000 Berichterstattern aus aller Welt genau zwei Fragen. Der ganze Lärm um seine Person hatte aus Mario Götze einen unnahbaren, unzugänglichen Menschen gemacht. Einen Hochglanzfußballer. Perfekt vermarktet von seiner Berateragentur mit eigener Internet-App und dem Hashtag #PartofMario. Allerdings auf dem Platz meist ohne Glanz.

Noch im Winter erklärte er: "Ich möchte natürlich auch ein Gesicht des FC Bayern werden und Verantwortung übernehmen." Doch da war seine Karriere in München im Grunde schon beendet. Mit Kingsley Coman und Douglas Costa hatte der Klub zwei Misstrauensvoten gegen ihn eingekauft, mit einem Muskelfaserriss im Adduktorenbereich fiel er monatelang aus. Seither spielt Götze nur noch gegen Stuttgart, Frankfurt oder Bremen. Und wen hätte Guardiola schon für ihn draußen lassen sollen in Madrid? Lewandowski? Costa? Coman? Ribéry und Müller saßen ja ohnehin schon neben ihm.

Götzes Saison beginnt erst

Für den heute 23-Jährigen beginnt die Saison eigentlich erst am 24. Mai. Dann trifft sich die Nationalmannschaft in Ascona zur Vorbereitung auf die Europameisterschaft und für Götze beginnt damit eine Zeit der Freude. Bundestrainer Joachim Löw wird die Wochen vor dem Turnier nutzen wollen, um den traurigen Mario wieder aufzupäppeln. Bei jeder Gelegenheit ruft ihm Löw durch Mikrofone Aufmunterungen entgegen. "Er ist von enorm hohem Wert für uns. Ich weiß, was der Mario kann", sagt er dann. Oder: "Er spielt für uns eine große Rolle."

Der Bundestrainer hat in der Offensive nicht die Möglichkeiten eines Bayern-Trainers. Er braucht einen gesunden, motivierten, an sich glaubenden Mario Götze, will er in Frankreich tatsächlich den Titel holen. Und wer ihn gesehen hat in den Partien gegen Polen, Schottland oder Italien, der könnte auch zu dem Schluss kommen, dass der neue Klub des Mario Götze einen ganz guten Spieler erwirbt. Einen Spieler aber, der fernab von München noch einmal neu anfangen muss.

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