FC Bayern:Das verlorene Erbe

Das 4:0 gegen Frankfurt verschafft Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann eine kleine Verschnaufpause - und sorgt für einen neuen Brandherd in der Mannschaft.

Johannes Aumüller

Nein, reden wollte Michael Rensing nach diesem Spiel nicht. Nur ein kurzer Blick zur Journalistenschar, ein kurzes Kopfschütteln, und schon entschwand der Bayern-Torhüter merklich angefressen in Richtung Mannschaftsbus - lange, bevor die anderen Spieler des deutschen Rekordmeisters das Stadion verließen.

Michael Rensing, dpa

Hat sein frisch erworbenes Torwart-Erbe schon wieder verloren: Michael Rensing.

(Foto: Foto: dpa)

Es passt zu dieser absurden Saison des FC Bayern, dass die Münchner ein Spiel gegen Frankfurt locker mit 4:0 (1:0) gewinnen können - und es in ihren Reihen trotzdem einen Verlierer gibt. Denn wie schon gegen Barcelona setzte Trainer Jürgen Klinsmann den 24-jährigen Michael Rensing auf die Bank, wie schon gegen Barcelona hütete stattdessen Hans-Jörg Butt das Tor.

Wortreich und bisweilen verquer versuchte Klinsmann hinterher, etliche Gründe für diese Entscheidung zu nennen. Weil Butt qualitativ im Moment einen Tick voraus sei. Weil es derzeit nur ums nackte Ergebnis gehe. Weil Butt nach nur zehn Monaten im Verein schon ein Leader der Mannschaft sei.

Der nächste kleine Brandherd

Und weil der in Barcelona bei dem üblen Foul von Henry im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf hingehalten habe, es von der Mannschaft dafür keine Revancheaktion gegeben habe und er den Torwart so nicht vom Platz schleichen lassen wolle. Derzeit sieht es so aus, als solle Butt die nächsten Spiele im Tor bleiben. Auch wenn der frühere Leverkusener abwiegelt: "Über die nächsten Spiele mache ich mir keine Gedanken."

Michael Rensing hingegen hat sein frisch erworbenes Torwart-Erbe also schon wieder verloren. Über Jahre hinweg bauten ihn die Bayern-Verantwortlichen als Nachfolger von Oliver Kahn auf; über Jahre hinweg gab er sich als Nummer zwei bei den Bayern zufrieden, schlug Wechsel zu anderen Klubs aus - immer mit der Perspektive, beim deutschen Rekordmeister einen Stammplatz zu besitzen. Mit Beginn der laufenden Spielzeit durfte er diesen Stammplatz endlich einnehmen, doch über Nacht ist ihm dieser Stammplatz nun abhanden gekommen, und das nicht gerade auf die feine englische Art.

Erst degradierte Klinsmann ihn für das Barcelona-Spiel, dann galt es als abgemacht, dass Rensing in der Bundesliga wieder im Tor steht - und doch setzte Klinsmann ihm erneut Butt vor die Nase. "Dass es Michael Rensing weh tut, ist doch vollkommen normal", sagte Klinsmann und fuhr in seinem Jeden-Spieler-jeden-Tag-besser-machen-Duktus fort: "Wir haben viele Spieler, die eine sehr gute Entwicklung durchmachen. Der Michael gehört da dazu."

Mit dem Torwartwechsel hat Klinsmann den nächsten kleinen Brandherd verursacht - dabei konnte er den großen Brandherd der vergangenen Woche nicht vollends löschen. Dieser Brandherd betraf ihn selbst; kurz vor dem Rauswurf soll er gestanden haben, das Spiel gegen Frankfurt hatte Endspiel-Charakter, in den Tageszeitungen konnte er schon die Namen der potentiellen Nachfolger studieren. Und Klinsmann reagierte in dieser Drucksituation mal wieder so, wie Klinsmann schon so oft in Drucksituationen reagiert hat: mit Risiko. Die Mannschaftsaufstellung (unter anderem mit Lell, Ottl und Sosa) war so nicht unbedingt zu erwarten gewesen, die Taktik (nur ein echter Stürmer) auch nicht.

"Ich glaube weiter an die Meisterschaft!"

Das Risiko zahlte sich zwar aus, doch die Diskussionen um ihn sind noch nicht vom Tisch. Viele Fans pfiffen fast durchgehend, selbst als nach dem Abpfiff der 4:0-Sieg feststand, skandierten etliche Anhänger "Klinsmann raus". Die Bayern-Oberen verließen wortlos das Stadion, und Kapitän Mark van Bommel beteuerte mehrfach: "Wir müssen nicht über den Trainer reden, für die Mannschaft ist das kein Thema."

Klinsmann selbst nahm die Fan-Kritik nach dem Abpfiff gelassen. "Ich habe Verständnis, dass ich als Trainer so in der Kritik stehe, wenn es solche Niederlagen wie gegen Wolfsburg und Barcelona gibt, weil die Fans Bayern eben siegen sehen wollen." Aber er weiß, dass dieser Sieg ihm nur eine Verschnaufpause verschafft. Am Dienstagabend wartet das Champions-League-Rückspiel gegen Barcelona, wo es gilt, eine erneute Blamage zu verhindern. Und schon in einer Woche steht er im Auswärtsspiel in Bielefeld wieder unter demselben Druck wie gegen Frankfurt. Ein Sieg ist dann Pflicht, ansonsten brechen die ganzen Diskussionen wieder los.

Doch Klinsmann will den Anschein der Gelassenheit erwecken: "Mir macht die Arbeit immer noch Spaß. Es stand schon schlimmer um mich. Ich denke da an ein 1:4 in Italien vor der WM 2006. Wo alle sagten, der muss weg! Danach gab's ein Sommermärchen. Ich glaube weiter an die Meisterschaft!"

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