Corona in der Bundesliga:Es geht weiter unter Lotterie-Bedingungen

Corona in der Bundesliga: Nur einer auf diesem Bild steht gerade für den FC Bayern auf dem Platz: Marcel Sabitzer (Mitte) ist gesund.

Nur einer auf diesem Bild steht gerade für den FC Bayern auf dem Platz: Marcel Sabitzer (Mitte) ist gesund.

(Foto: Markus Ulmer /imago images/ULMER Pressebildage)

Beim FC Bayern werden die Corona-Positivtests Nummer sieben und acht im Team bekannt, auch Sané und Upamecano sind infiziert. Doch die Hürden für eine Spielverlegung sind hoch.

Von Philipp Selldorf

Seit dem Wochenende betreibt das Fachmagazin kicker einen "Virus-Ticker", in dem all die pandemierelevanten Neuigkeiten erfasst werden, die den Profifußball in den Tagen vor dem Rückrundenstart beschäftigen. Wegen der hohen Frequenz an aktuellen Mitteilungen mochte man allerdings meinen, die Zeitung hätte besser ein anderes Modell praktiziert: Würde es nicht Zeit, Platz und Mühe sparen, statt der vielen, vielen Ansteckungsfälle lediglich die ausnahmsweise negativ getesteten Spieler aufzulisten, die nicht in Quarantäne müssen? Zumal dann auch mehr Raum für die Meldungen von den Spielabsagen bliebe, die ja wohl unweigerlich folgen würden.

Inzwischen darf man beim kicker allerdings feststellen, dass sich das Modell bewährt hat. Auch am Dienstag liefen zwar diverse Nachrichten über betroffene Akteure ein, doch die Lage erweckt nicht mehr den Anschein von Eskalation und potenzieller Unbeherrschbarkeit. Der Profisport richtet sich gezwungenermaßen in einer neuen, wieder mal verschärft angespannten Normalität ein. Das hat konkrete, von Ort zu Ort unterschiedliche Folgen, bringt aber den Spielbetrieb bis auf Weiteres nicht in Gefahr. Programmgemäß soll der 18. Bundesliga-Spieltag am Freitagabend mit dem Klassiker FC Bayern gegen Borussia Mönchengladbach beginnen, programmgemäß soll er am Sonntagabend mit der Partie Bochum gegen Wolfsburg enden - es sei denn, aus München kommen noch weitere Hiobsbotschaften.

Dass besonders der FC Bayern eine hohe Viruslast aus dem kurzen Weihnachtsurlaub importiert zu haben schien, hatte am Wochenende zur gesteigerten Aufregung um den Ligastart wesentlich beigetragen. Mittlerweile hat sich der Eindruck bestätigt, dass die Säbener Straße - bildlich gesprochen - zum Corona-Hotspot der Bundesliga mutiert ist. Während weite Teile der Liga tendenziell Entwarnung geben, trifft es den Tabellenführer in unvermindert geballter Form.

Am Neujahrstag hatte der Verein die Infektionen von Kapitän Manuel Neuer, Kingsley Coman, Omar Richards und Corentin Tolisso bekanntgemacht. Das Auftakttraining wurde verschoben, um durch weitere Tests Klarheit über die gesundheitliche Situation des Kaders herzustellen. Letzteres ist nun zwar gelungen, aber nicht im gewünschten Sinne: Nachdem am Montag zunächst Lucas Hernandez und Tanguy Nianzou als Virus-Träger identifiziert wurden, hatten am Dienstag auch Leroy Sané und Dayot Upamecano Gewissheit über ihre Ansteckung.

Am stärksten betroffen neben den Bayern ist RB Leipzig

Das Gros der Betroffenen steckt immer noch am Urlaubsort fest und wird nun womöglich das eigene Fernweh bedauern: Neuer und Hernandez auf den Malediven, Coman laut Vereinsmitteilung in Dubai, Tolisso in Frankreich und Upamecano in Senegal. Die wichtigste Nachricht inmitten der Urlaubswirren bleibt dennoch folgende: Sämtlichen Spielern geht es trotz der Infektion gut, auch Sané und Upamecano seien wohlauf, teilte der Verein mit.

Von Erwägungen, einen Antrag auf Spielverlegung zu stellen, war beim Rekordmeister bisher keine Rede. Rechtlich besteht dazu auch keine Handhabe, noch haben die Münchner genügend Kräfte zur Verfügung, um eine spielfähige Elf auf den Platz zu bringen. In der DFL-Spielordnung heißt es, einem Antrag sei "nicht stattzugeben, wenn mehr als 15 spielberechtigte Lizenzspieler und/oder in der Lizenzmannschaft spielberechtigte Amateure/Vertragsspieler zur Verfügung stehen". Einen Präzedenzfall lieferten die Würzburger Kickers, als sie vor einem Jahr in der zweiten Liga in ihrer Not den Ersatztorwart als Feldspieler aufboten. Die DFL hatte auf die Austragung des Spiels gegen Darmstadt 98 bestanden, Würzburg verlor "mit elfeinhalb Feldspielern" (Trainer Bernhard Trares) 0:2.

Eng wird es auf jeden Fall für die Münchner beim Wiedersehen mit den Borussen, denen man gern das 0:5 im DFB-Pokal heimzahlen möchte. Von den 25 Spielern, die der FC Bayern während der Hinrunde eingesetzt hat, fehlen elf: Neben den acht Corona-Fällen die Afrika-Cup-Teilnehmer Eric Maxim Choupo-Moting und Bouna Sarr sowie der an den FC Venedig verkaufte Michael Cuisance. Ersatztorwart Sven Ulreich und sein Stellvertreter Christian Früchtl erweitern das Kontingent, dazu kommt eine Zahl von Spielern aus dem Nachwuchs bzw. Regionalliga-Team. Wie viele Ersatzleute die Münchner vor der Saison bei der DFL zwecks Spielberechtigung gemeldet haben, haben sie nicht bekannt gemacht. Die Liste liegt der DFL vor und ist nicht öffentlich einsehbar. Im Meldeverfahren treffen die Vereine ohnehin ihre eigenen Entscheidungen: Manche melden ihre komplette Regionalliga-Mannschaft, manche melden lediglich einzelne Spieler.

Eine Spielverlegung wäre weder im Sinne der Liga noch im Sinne der Münchner. Lediglich ein nachweislicher personeller Notstand oder eine Weisung des Gesundheitsamtes würde eine Stornierung rechtfertigen und die Beteiligten vor Schadenersatzforderungen der Geschäftspartner - Fernsehsendern und Sponsoren - schützen. Eine selbstinitiierte Absage käme die Profiklubs unter Umständen teuer zu stehen. Im Frühjahr 2020 musste man den TV-Sendern bereits erhebliche Nachlässe für den Programmausfall und die Fortsetzung unter klinischen Bedingungen gewähren. Dann lieber mit unvollständigen Besetzungen und unter Lotteriebedingungen weiterspielen.

Am stärksten betroffen neben den Bayern ist RB Leipzig, das am Dienstag wegen positiver Befunde Nordi Mukiele, Dani Olmo und Benjamin Henrichs vom Trainingsbetrieb ausschließen musste. Für Christopher Nkunku gab es zuvor schon ein Quarantänegebot, der vorübergehend wegen eines Positiv-Tests stillgelegte Torjäger André Silva kam hingegen mit einem Freigabe-Attest aus dem Portugal-Urlaub zurück. Leipzig trifft am Samstag auf den FSV Mainz 05, dessen Trainer Bo Svensson beim Hinspiel im August wegen Corona auf zehn Spieler hatte verzichten müssen. So bewährt sich wieder mal die alte Weisheit, dass sich über die Saison hinweg alles irgendwie ausgleicht. Die Mainzer haben ihr Spiel übrigens trotzdem 1:0 gewonnen.

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