Robert Lewandowski:Torlos glücklich

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Robert Lewandowski: Kein Treffer im Finale, aber mit wichtigen Aktionen (Foto: dpa)

2013 stand Robert Lewandowski noch auf der Verliererseite, nun gewinnt er sein erstes europäisches Finale. Auch ohne Tor trägt der Stürmer zum Erfolg bei, nun hofft er auf die Wahl zum Weltfußballer.

Von Christof Kneer, Lissabon/München

Ein wirklich guter Chef muss nicht nur die wichtigen strategischen Entscheidungen treffen, ein guter Chef ist auch für Mitarbeitermotivation zuständig. Robert Lewandowski spiele "eine Wahnsinns-Saison", sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge also unmittelbar vor dem Anpfiff dieses Finales, der Stürmer habe eine Auszeichnung zum Weltfußballer des Jahres "absolut verdient".

Über so einen Vorgesetzten kann sich Lewandowski wirklich nicht beschweren: Kürzlich hatte Rummenigge ja sogar noch Lobbyarbeit beim sagenhaft umstrittenen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino geleistet. Glaubt man Rummenigge (und wer würde das nicht?), dann hat vor allem Rummenigge dafür gesorgt, dass in diesem Corona-Jahr doch noch eine Weltfußballer-Wahl stattfindet - eine Wahl, bei der endlich mal ein anderer als Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo gewinnen könnte, die diesen Preis seit einer Reihe von Jahrhunderten unter sich aufteilen. Diesmal Lewandowski also?

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Das war die bemerkenswerte Nebengeschichte dieses bemerkenswerten Fußballspiels: Die Kandidaten für diesen legendären Preis waren vollständig auf dem Rasen in Lissabon versammelt, Lewandowski auf der einen, Neymar junior und Kylian Mbappé auf der anderen Seite.

Wer Lewandowski kennt, der weiß, dass ihn diese Nebengeschichte ziemlich interessiert, er findet ja seit Jahren, dass dieser Preis durchaus mal an den Mittelstürmer des FC Bayern gehen könnte. Wer Lewandowski kennt, weiß aber auch, dass solche individuellen Trophäen längst nicht mehr das einzige sind, was ihn unter Spannung hält. Seit er sich von der Idee verabschiedet hat, irgendwann mal für Real Madrid zu spielen, hat er den Gedanken lieb gewonnen, die Champions League dann halt mit dem FC Bayern zu gewinnen.

In diesem Finale dauerte es keine zwei Minuten, bis auch Laien begriffen, warum die Bayern ihren Stürmer zurzeit so loben: Lewandowski lief sofort den Torwart an, aggressiv reihte er Laufweg an Laufweg - schon seit geraumer Zeit ist Lewandowski das Gegenteil dessen, was man ihm einst vorwarf. Das Gegenteil eines Stürmers, der nur auf den eigenen Erfolg aus ist und abwinkt, wenn ein Mitspielers schießt statt ihn, den großen Lewy, anzuspielen.

Gerd-Müller-Szenen gegen Paris

Lewandowski ist gerade 32 geworden, da hat man nicht mehr ewig Zeit. Als Bayern die Champions League 2013 gewann, stand Lewandowski auch auf dem Platz, allerdings im Trikot des Finalgegners Dortmund. Er wusste, dass er mit diesem Wettbewerb noch eine Rechnung offen hat, und auch mit seiner Zeit beim FC Bayern: Zwar gilt er schon jetzt als einer der größten Stürmer des Gerd-Müller-Klubs, aber Lewandowski lief in Lissabon mit der nervenden Gewissheit aufs Feld, dass ihm eines noch fehlt: das eine, das ganz große Spiel, das er für Bayern entscheidet. So ein Spiel, wie es 2013 Arjen Robben machte, sein langjähriger innerbetrieblicher Rivale.

In der 22. Minute fehlte nicht viel, und Lewandowski hätte sich gleich doppelt im Bayern-Geschichtsbuch verewigt. Nicht nur, dass er im größten Spiel des Vereinsfußballs den Pfosten traf - der Schuss war auch eine vorbildliche Gerd-Müller-Kopie, Lewandowski schlängelte sich um den Gegenspieler und schoss aus der Drehung. Neun Minuten später die nächste Gerd-Müller-Szene: Mit artistischem Kopfball in höchster Bedrängnis nötigte er Torwart Navas zu einer vorzeigbaren Parade.

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Auch in diesem Finale war zu erkennen, dass Lewandowski auf seinem Weg zum Teamspieler schon ganz schön weit gekommen ist. Gegen Ende der ersten Hälfte tauchte Lewandowski zur erheblichen Verblüffung der eigenen Kollegen auf der Position des rechten Verteidigers auf, er klärte und rannte sofort wieder nach vorne.

In einer idealen Lewandowski-Welt wäre der Stürmer in der 59. Minute dort gestanden, wo stattdessen Mitspieler Coman stand: an dem Punkt, an dem Kimmichs siegbringende Flanke landete. Lewandowski hätte das Tor mit Sicherheit gerne selber geschossen, aber was soll man machen? Er wirkte auch torlos ziemlich glücklich mit diesem großen Sieg, zu dem er schuftend und schaffend einiges beigetragen hatte.

Und wer jetzt Weltfußballer wird? Kingsley Coman wahrscheinlich trotzdem nicht.

© SZ vom 24.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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