FC Bayern vor dem Duell in Dortmund:Gesten der Geschlossenheit

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Rücken (öffentlich) enger zusammen: Die Spieler des FC Bayern gegen Athen (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die Spieler des FC Bayern bejubeln gegen Athen den verwandelten Elfmeter durch Robert Lewandowski, als wäre es ein ganz besonderes Tor - überhaupt wirkt die Partie wie eine Demonstration des Zusammenhalts.
  • Zuletzt waren immer wieder Interna aus der Mannschaft an die Öffentlichkeit geraten, was Zweifel an der Stimmung in dem Team nährte.

Von Sebastian Fischer, München

Der Ball lag im Netz, die Torhymne setzte ein, die ewige Melodie der White Stripes. Robert Lewandowski lief jubelnd in Richtung Eckfahne, so wie es immer wieder war in den vergangenen Jahren, doch eine Kleinigkeit war anders.

Wer nicht auf Lewandowski schaute, der gerade mit einem Elfmeter das 1:0 gegen die harmlose Mannschaft von AEK Athen geschossen hatte, sondern dahinter auf Thomas Müller, der sah einen Fußballer, der aufgeregt mit den Armen ruderte, schrie und seinen Mitspielern den Weg in die Ecke wies, ja: befahl. Und so bejubelten sie nach und nach ein gewöhnliches Tor, als wäre es ein besonderes: Zuerst Leon Goretzka und Müller, dann auch Franck Ribéry, Jérôme Boateng und schließlich Mats Hummels. Alle zusammen.

Der FC Bayern bestreitet am Samstag ein Fußballspiel, so wegweisend, wie zuletzt für den Klub selten eines war. Wenn der Meister als Tabellendritter beim Tabellenführer Borussia Dortmund antritt, könnten diese 90 Minuten den Saisonverlauf definieren. Es geht um einen oder sieben Punkte Rückstand für München, es geht um das Selbstverständnis des Klubs, es geht vielleicht auch um die Jobsicherheit des Trainers Niko Kovac. Oder?

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Robert Lewandowski verschafft dem FC Bayern mit seinen zwei Toren gegen Athen etwas Ruhe vor dem Topspiel gegen Dortmund. Und er spricht wieder: über "Blödsinn" in den Medien.

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Das 2:0 in der Champions League gegen Athen am Mittwoch, das Spiel vor dem Spiel, nutzte der FC Bayern, um sich zu vergewissern, noch zusammenhalten und immerhin ordentlich Fußball spielen zu können. Und so, wie es um diesen ruhmreichen Klub gerade bestellt ist, konnte man wohl sagen: Das ist doch schon mal was. Wenn viel mehr gerade nicht drin ist, dann ist das doch okay. So ähnlich sagte es jedenfalls Präsident Uli Hoeneß.

Als Hoeneß zuletzt öffentlich gesprochen hatte, da hatte er extra zu jener inzwischen berühmten Pressekonferenz eingeladen, um - gemeinsam mit dem Münchner Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge - Journalisten und Kritiker und auch den früheren Münchner Spieler Juan Bernat zu beleidigen. Nun sagte er, dass es ihm sehr leidgetan habe, Bernat zu beleidigen, und Hoeneß lobte die zweite Halbzeit, die für einen Aufwärtstrend spreche nach Wochen des schwachen, verunsicherten Fußballs.

Aber er sagte vor allem: "Wir fahren nicht als Favorit nach Dortmund, sondern als Außenseiter, zum ersten Mal seit langer Zeit." Außerdem würde der FC Bayern übrigens "nicht untergehen", sollte er nach sechs Jahren einmal nicht deutscher Meister werden. Hoeneß begründete das so: "Wir haben eine Mannschaft, die im Umbruch ist, einen jungen Trainer, der sich hier reinarbeiten muss, da muss man ein bisschen Geduld haben." Und spätestens da musste man sich ein wenig wundern.

Gegen Athen spielte erstmals seit dem 0:3 der deutschen Nationalelf gegen die Niederlande die Innenverteidigung aus Boateng und Hummels gemeinsam, wobei Boateng oft bedrohlich humpelte, wenn er nach einem Zweikampf wieder aufstand. Es spielte auf Linksaußen Ribéry, 35, der nach seinen wenigen Dribblings kaum mal torgefährlich wurde. Und es stürmte vorne Lewandowski, 30, der mit einem Tor nach einem Elfmeter, den er selbst herausholte, und einem zweiten Tor nach einer Ecke das Spiel entschied. Der Kader des FC Bayern ist mit 27,3 Jahren im Schnitt der älteste und mit 23 Spielern der kleinste in der Bundesliga. Der Kader ist also wenn überhaupt ein Kader vor dem Umbruch.

Es hat die vergangenen Wochen ja auch erschwert, dass der FC Bayern einen Generationswechsel im Sommer aufgeschoben hat, indem er etwa die Verträge mit Ribéry und dem (zurzeit angeschlagenen) Arjen Robben, 34, verlängerte. Denn so muss Kovac - in der Tat ein junger Trainer, der sich beim FC Bayern erst in ein schwieriges Metier hineinarbeiten muss - eine Mannschaft voller nicht gerade uneitler Persönlichkeiten bei Laune halten. Als er vor dem Spiel darauf angesprochen wurde, dass seit Wochen immer wieder Interna aus der Mannschaft und Trainerkritik in der Bild-Zeitung stehen, da verglich er seine Situation mit jener des von Verrätern ermordeten Cäsar. Er sagte: "Wir müssen zusammenhalten, vom Zeugwart bis zum Trainer." Hoeneß nannte die Debatte um sogenannte Maulwürfe nun "ein Geschwür, das man nicht mehr los wird". Seine vor Wochen getroffene Aussage, den Trainer "bis aufs Blut" zu verteidigen, gelte immer noch. Wer ein Spiegelbild der vergangenen unruhigen Wochen sehen wollte, wurde auch gegen Athen durchaus fündig. In der ersten Halbzeit fiel den Bayern im Spiel nach vorne kaum etwas ein, der Elfmeterpfiff vor dem 1:0 war schmeichelhaft, und Athen kam zwar zu sehr wenigen, aber gar nicht mal schlechten Torchancen. Wenn Kovac an der Seitenlinie zaghaft mit einer Hand die Richtung wies oder hie und da forderte, über die Außen zu spielen, dann bildete das durchaus den taktischen Hauptkritikpunkt ab, es fehle der Mannschaft unter seiner Leitung an einer erkennbaren offensiven Spielidee. Darauf angesprochen, wich Kovac in der Pressekonferenz aus, er sagte: "Entscheidend ist, dass man als Trainer gewinnt, das haben wir getan."

Es gab dann aber auch die bessere zweite Halbzeit, in der ein weiteres Tor hätte fallen können. Und es gab auffällig viele Szenen wie jene nach dem 1:0, in der sich die Spieler gegenseitig applaudierten. Szenen, von denen es in der Vergangenheit auffällig wenige gegeben hatte. Als Hummels den besten Angriff des Spiels mit einer Grätsche und einem Pass in die Tiefe einleitete, da applaudierte ihm Müller, und David Alaba tätschelte ihm den Nacken.

Solche Aktionen seien die Basis, sagte Joshua Kimmich. Lewandowski, sonst für solche Sätze nicht bekannt, sagte, man müsse "kämpfen, positiv bleiben, Geduld haben". Manuel Neuer sprach von einer "schwierigen Zeit" seit der WM, "man konnte nie durchatmen. Da versteht es sich von selbst, dass man nicht mit Leichtigkeit auf dem Platz stehen kann und die super Bayern sieht, die man kennt". Neuer sagte allerdings über das Spiel beim BVB: "Wir dürfen auf keinen Fall verlieren."

Der FC Bayern hält zusammen, das war die Botschaft des Abends. Bis auf Weiteres.

© SZ vom 09.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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