Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Die Bayern sind wieder die Bayern

Von Philipp Selldorf, Düsseldorf

Der FC Bayern müsse "schleunigst aus dem Stadion", hat Trainer Friedhelm Funkel nach der 0:4-Niederlage seiner Düsseldorfer Fortuna gesagt, aber natürlich hat er damit keine Drohung ausgesprochen und den Gästen den Rausschmiss erklärt. Er hat es nur kurz machen wollen auf der obligatorischen Pressekonferenz, weil die Bayern ihre Reise in den Westen in jahrzehntelang geübter Manier in engem Takt geplant hatten: Spiel erledigen, Punkte einsacken - und dann zügig heimfliegen zu Frauen, Kindern, Hunden, Pferden und sonstigen Hausbewohnern in den verschiedenen Bayern-Haushalten.

In dieser bewährten Tradition sind sie in Düsseldorf vorgegangen, und da hat ihnen auch der Schiedsrichter nicht im Wege stehen wollen: Sowie die 90. Spielminute erreicht war, hat Frank Willenborg die Partie beendet. Kein Fortune hat sich über die vorenthaltene Bonus-Zeit beklagt, alle Fragen waren beantwortet, was auch Hansi Flick zugutekam: Das Reden vor den Reportern gehört ja nicht zu seinen Vorlieben.

Flicks Bilanz: drei Siege, 10:0 Tore

In Düsseldorf genügten ihm 38 Sekunden für den Vortrag. Er handelte davon, dass seine Mannschaft guten Fußball gespielt habe und dies in nächster Zeit bitteschön fortsetzen möge. "Gibt es Fragen?", erkundigte sich dann der Moderator und gab augenblicklich selbst die Antwort: "Ich sehe, das ist nicht der Fall."

Doch, doch, man habe sich schon "etwas vorgenommen", stellte zur gleichen Stunde Düsseldorfs Verteidiger Kaan Ayhan klar, weil er wohl ahnte, dass nach Ansicht des einseitigen Spiels ein anderer Eindruck entstanden sein könnte. Aber man habe bei allen ambitionierten Vorsätzen auch einen Hintergedanken gehabt: "Dass wir Fortuna Düsseldorf sind und die anderen Bayern München." Ja, und das habe man dann auch zu spüren bekommen.

Die Bayern sind wieder die Bayern, das ist eine tautologische Aussage und dennoch eine Form der Erkenntnis nach diesem zwölften Spieltag. "Natürlich" habe der FC Bayern in seiner Mannschaft mehr sportliche Klasse als die Elf von Fortuna Düsseldorf, sagte Bayern-Angreifer Thomas Müller, "aber darum geht's ja im Fußball nicht immer zu hundert Prozent". Es geht darum, die überlegenen Qualitäten zu aktivieren und zu verwirklichen, und eben dies scheint den Spielern jetzt wieder zuverlässig zu gelingen.

Am Samstag hat es nicht mal des Sonderfaktors Robert Lewandowski bedurft, um den Sieg zu sichern. Der Mittelstürmer schoss kein einziges der vier Tore und blieb zum ersten Mal in dieser Ligasaison ohne Treffer. Dass er sich auf dem Weg zur Abreise der Kommentierung entzog, lag aber nicht daran, dass er untröstlich war, sondern an den nassen Haaren und der Sorge vor einer Erkältung: "Irgendwann musste es ja mal passieren", ließ er im Rausgehen noch wissen.

Andere Bayern-Spieler hingegen ließen in der Zeugenbefragung tief blicken, und zwar dadurch, dass sie gewisse Dinge ausdrücklich nicht erwähnten. Der Name Niko Kovac fiel kein einziges Mal - und doch war ständig die Rede von ihm. Dieser Sieg habe vielleicht wie ein FC-Bayern-AlltagsErfolg ausgesehen, unvermeidlich und selbstverständlich, aber er sei als das Ergebnis eines Strategiewechsels zu betrachten, betonte Joshua Kimmich: "Ich finde, wir laufen ein Stück weit mutiger an", sagte er, "dadurch setzen wir den Gegner unter Druck und zwingen ihn zu Fehlern."

Den Erfolg führt Kimmich nicht auf eine verstärkte Offensive zurück, sondern auf die organisierte Gegenwehr, die dahinter stehe: "Man hat wirklich Spaß gemeinsam zu verteidigen." Der Antwort auf die Frage, was Hansi Flick damit zu tun habe, wich Kimmich nicht aus: "Das ist ganz klar Vorgabe des Trainers."

Coutinho sinkt auf die Knie und dankt dem Himmel

Die Mannschaft stehe jetzt "ein bisschen höher, das kommt uns zugute", stimmte ein paar Meter weiter Manuel Neuer ins Thema ein. Abwehr und Angriff stünden nun "enger zueinander", und wenn der Abstand nicht 20, 30 Meter betrage, sondern zehn bis 15 Meter, dann "macht das einen Riesenunterschied". Mehr Risiko im Verteidigen und dennoch mehr defensive Stabilität, das ist für Neuer kein Widerspruch. Aus der neuen Ordnung entstehe "mehr Kommunikation und mehr Vertrauen" der Spieler untereinander, sagte er.

Ist es so einfach? Dass Flick mit nur wenigen lehrreichen Handgriffen jene Hemmnisse gelöst hat, die das Spiel der Bayern in der quälenden Schlussphase von Kovacs Engagement blockiert hatten, bis es vor lauter Selbstzweifeln zum Stillstand kam? Seine persönliche Trainer-Statistik - drei Siege, 10:0 Tore - lässt sich als Beleg einer Befreiung und als klassischer Effekt eines lang angebahnten Trainerwechsels interpretieren. Es mag ein oberflächlicher Trend sein, aber es ist ein Trend, zumal er Phänomene hervorbringt, die nicht nur an der Aufstellung sichtbar werden.

Am Samstag rotierten vermeintliche Verlierer des Trainertauschs ins Team, Corentin Tolisso und Coutinho. Letzterer sank auf die Knie und schickte ein Dankesgebet in den Himmel, als er das 4:0 erzielt hatte. In Wahrheit hatte er das Tor einem Mitspieler zu verdanken, der unter Flick wieder wichtig geworden ist und auch wieder gute Laune verbreitet: Ein Tor hatte Thomas Müller vorbereitet, zwei weitere fielen, weil er nicht eingegriffen hatte in den Lauf des Balles. "Ich habe bei beiden Toren versucht dranzukommen, aber geschickt durchgelassen", sagte er listig. Auch diese Tautologie ist eine Erkenntnis: Thomas Müller ist wieder Thomas Müller.

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SZ vom 25.11.2019/sonn
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