Richtig kann man in diesen Tagen nicht viel machen, aber manches doch ein bisschen besser als andere. Ein jeder kennt das ja inzwischen, den mahnenden Ruf beim Bäcker: Maske, bitte! - sonst gibt's in Dortmund keine Brötchen, in Bayern keine Semmel, und in Berlin geht keine Schrippe über die Theke. Wie man derzeit in einem Fußballstadion korrekt sitzen sollte, also halbwegs entsprechend den Abstands- und Hygienegeln, hat am Freitagabend Christian Seifert demonstriert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL). Seifert, schon qua Amt eine Art Vor-Sitzender, verfolgte den Achtnull-Startsieg der Bayern gegen müde Schalker, und eine Sitzschale blieb leer zwischen ihm und Christian Pfennig, dem DFL-Direktor für Unternehmens- und Markenkommunikation.
Der passende Mann saß also gleich, mit Abstand, neben Seifert, denn für die Liga stellte sich schon am Startwochenende die Fachfrage: Liefert sie die passenden Bilder? Laufen diese Bilder synchron zu den Herausforderungen, die die Pandemie gerade stellt? Nachdem die 57. Saison als Geisterspiel-Theater beendet wurde, werden jetzt, zum Start der 58. Bundesliga-Spielzeit, die Stadiontore Spalt um Spalt geöffnet, aber wie weit, wird von Ort zu Ort souverän entschieden. Da gibt es keine Generallinie außer der, dass bundesweit maximal 20 Prozent der Stadionkapazität genutzt werden dürfen.
Inwieweit das tatsächlich ausgereizt wird, entscheiden lokale Behörden und Gesundheitsämter. Nicht einmal in jedem Bundesland ist deshalb die Linie einheitlich: In Dortmund, beim 3:0 gegen Gladbach, kehrte die Corona-Rekordzahl von 9300 Besuchern zurück. In Köln, ebenfalls in Nordrhein-Westfalen, durfte niemand rein, die 9200 Kandidaten wurden wegen steigender Infektionszahlen kurzfristig wieder ausgeladen. Wochenend-Doppelschlag also gegen den Frohsinn am Rhein: Das 2:3 gegen Hoffenheim folgte kurz auf die endgültige Absage des Straßenkarnevals.
Das nennt sich Föderalismus. Dieser erlaubt flexible Lösungen
Das alles nennt sich Föderalismus. Der erlaubt im Positiven flexible, individualisierte Lösungen, ist aber in der Durchsetzung anstrengend und nicht selten verwirrend. Demonstrativ zu erleben bei jener sehr speziellen Münchner Stadion-Folklore, die DFL-Chef Seifert aus seiner Sitzschale heraus zerknirscht verfolgte. Und für die es am Samstag eine Rüge von CSU-Gesundheitsministerin Melanie Huml gab, die den Champions-League-Sieger zu Recht an "die Vorbildfunktion" erinnerte. Woraufhin Karl-Heinz Rummenigge prompt reagierte: "Wir sind uns alle einig, dass das Bild nicht unbedingt vorbildlich war. Wir werden das ändern." Der Vorstandschef klang dabei wie ein Pennäler, der bei einer S-Bahn-Schwarzfahrt ohne Mund-Nasen-Schutz ertappt worden war.
Das Bild? Es zählt schon jetzt zu den Kuriositäten einer Saison, die, höchst verunsichert, gerade erst wieder ihren Betrieb aufnimmt. Wie zum Trotz, so wirkte es, hatten sich die Münchner Kluboberen auf der Tribüne konzentriert - mit Unterstützung des einstigen CSU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Ein Promi-Zehnerpack, Mann neben Mann, ohne Maske, ohne Abstand. Allein im leeren Haus, weil sie ihre 7500 erhofften Fans unter Protest wieder hatten ausladen müssen.
Dass sich da bundesweit schnell eine optische Schieflage ergibt, war am Tag danach beim Streifzug durch alle Stadien zu entdecken. Dort, wo sie beim Bäcker nicht Semmeln, sondern Schrippen ordern, in Berlin, bei Unions 1:3 gegen Augsburg, standen die 4500 Eingelassenen eng an eng im Stehplatz-Block wie die Münchner sonst nur beim Oktoberfest-Anstich.
Die wiederum trösten sich derzeit am Corona-Hotspot des Südens mit einer speziellen Wirtshaus-Wiesn in 54 Gaststätten über die stornierten Festwochen auf der Theresienwiese hinweg. Alle brav, alle unter Kontrolle, beteuern die Wirte. Doch wenn man jetzt schon mal beim Quervergleich ist: Alkohol ist in den Stadien verboten. Und näher aneinander als der Zehnerblock des FC Bayern verbringen diese Oktoberfest-Nostalgiker am schunkelnden Zehnertisch ganz sicher ihren Abend.
Man muss auch gönnen können - so lautet jene Weisheit, mit der die Kölner in Krisenzeiten meist gut gefahren sind. Anstatt ins Stadion durften 180 Fans am Samstag zur Andacht in den Dom. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Hlg. Geistes wurde gebeten, dass wenigstens der 1. FC Köln halbwegs mit dem klarkommen möge, was da gerade passiert.