Süddeutsche Zeitung

Bilanz des FC Bayern:Eine Niederlage im Jahr

Exakt ein Spiel hat der FC Bayern 2020 verloren. Hansi Flick hatte bisher auf jedes Problem eine Antwort - doch nun braucht der Trainer nochmals eine neue Idee.

Kommentar von Martin Schneider

Man muss dem Fußballjahr 2020 lassen, dass es auf den letzten Metern nochmal ein paar Sachen versucht hat, um den FC Bayern in die Knie zu zwingen. Da war natürlich zuallererst die Verletzung von Joshua Kimmich im Spiel gegen den BVB und damals hieß es, dass dieser Ausfall dem FC Bayern "wehtun" würde, so wie Kimmichs Knie wehtat, als er in Dortmund vom Platz humpelte. Dann weigerte sich der Bundesligamittelbau im Anschluss auch noch, Spalier zu stehen und Partien gegen den Rekordmeister als "Bonusspiele" abzuschenken, wie das früher zuweilen der Fall war. Bremen, Stuttgart, Union - sie alle zeigten beherzte Auftritte, Wolfsburg und Leverkusen waren sogar über weite Strecken die besseren Mannschaften. Sieben Mal nacheinander schossen die Gegner das 1:0 und zwangen die müden Münchner, einem Rückstand metaphorisch und buchstäblich hinterherzulaufen.

Und was ist das Ergebnis? Ein Jahr 2020, in dem der FC Bayern ein Spiel verloren hat. Ein einziges. Von 49.

Wem es nicht sofort einfällt, es war das 1:4 bei der TSG Hoffenheim am zweiten Spieltag. Andrej Kramaric drehte auf, sogar 6030 Zuschauer durften die Partie sehen, es fühlt sich an wie aus einer anderen Zeit und es war eine Zeit, in der man dachte, dass der FC Bayern dem kraftraubenden Fußball dann doch irgendwann Tribut zollen muss. Tat er auch, aber gewinnen konnte trotzdem keiner gegen seine Spieler, kein Dortmund, kein Leipzig, kein Atlético Madrid.

Diese Serie hat natürlich mit den beiden Protagonisten der Fifa-Wahl unter der Woche zu tun. Man sollte solche Auszeichnungen nie überschätzen, der Wahlmodus ist kurios und Individualpreise sind im Mannschaftssport eigentlich widersinnig - aber dass Manuel Neuer und Robert Lewandowski, der Welttorhüter und der Weltfußballer, als Buchdeckel die Bayern-Geschichte dieses Jahres zusammenhalten, das ist nun auch nicht zu leugnen.

Dass ausgerechnet derjenige, der den größten Anteil am Bayern-Jahr 2020 hatte, nichts gewonnen hat, das war dann schon kurios. Man müsse eben noch weitere Pokale erfinden, damit Flick zum Trainer des Jahres gewählt werde, fünf Titel reichen offenbar nicht, spöttelte José Mourinho, der aber damit sehr wahrscheinlich lieber den Sieger Jürgen Klopp provozieren wollte, als Partei für Flick zu ergreifen.

Flick schweigt die Müdigkeit einfach tot

Ein zuletzt oft zitierter Satz von Flick ist der, dass Erfolg nur gemietet sei und man die Miete jeden Tag zahlen müsse. Gerade ist die Rate sehr hoch und die Spekulation, wie lang der FC Bayern dieses Pensum durchhält, ist gestattet - allerdings sieht man rechts und links Teams, denen es ähnlich geht. Dortmund hat den Trainer getauscht, auch Leipzig beißt sich die Zähne an Köln aus, in ganz Europa gibt es keine einzige Mannschaft, weder Paris noch Liverpool noch Turin, die die Liga dominiert. Die Erkenntnis, dass auch Fußballer von Spitzenteams bei neun Spielen in 28 Tagen (Pensum der Europapokalteilnehmer vom 21.11. bis zum 19.12.) schlicht müde werden, ist auch irgendwie beruhigend.

Flick hat dagegen die Strategie gewählt, Müdigkeit einfach totzuschweigen. In jedem Interview sagt er, dass das nicht als Ausrede gelten dürfe. Wer von Müdigkeit spreche, der fühle sie auch - ein psychologischer Trick, der allerdings so langsam an seine Grenzen kommt. Zwei müde Wochen hat der FC Bayern nun Weihnachtspause, weil er beim DFB eine Sondergenehmigung bekommen hat, um das Pokalspiel gegen Kiel zu verlegen.

Dann geht ein neues Jahr los und es scheint, als müsste Flick nochmals eine neue Idee finden, um die Quote von einer Niederlage pro Jahr aufrechtzuerhalten. Wenn er das schafft, könnte er vielleicht auch Welttrainer werden.

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