FC Bayern besiegt Real Madrid:Finale dahoam!

Es geht nicht spannender: Der FC Bayern zieht nach einem dramatischen Halbfinal-Rückspiel in Madrid ins Finale ein. Nach 90 Minuten hatte Real das 1:2 aus dem Hinspiel ausgeglichen. Im Elfmeterschießen geschieht dann Sensationelles: Beide Torhüter halten je zwei Strafstöße, Sergio Ramos schießt den Ball in den Himmel - und Bastian Schweinsteiger vollendet.

Der letzte Weg hatte sie nach Madrid geführt, schnurstracks in die Hölle von Bernabeu, am Ende aber war es nur der letzte Umweg, den der FC Bayern nehmen musste auf dem Weg zurück in die heimische Allianz-Arena, wo er am 19. Mai im Endspiel der Champions League auf den FC Chelsea aus London trifft. Nach enormen Startproblemen und einer insgesamt beeindruckenden Darbietung bezwangen die Münchner gestern Real Madrid mit 3:1 im Elfmeterschießen (1:2, 1:2).

Zum späten Helden dieser bayerischen Nacht in Madrid wurde Torwart Manuel Neuer. Der parierte zwei Strafstöße mit der rechten Faust, brachte sein Team so in Champions-League-Endspiel und setzte eine glanzvolle Münchner Tradition fort: Den bisher einzigen Champions-League-Triumph 2001 gegen Valencia hatte sein Vorgänger Oliver Kahn festgehalten, indem er gleich drei Strafstöße abwehrte.

"Ich bin unglaublich stolz und glücklich, dass wir ins Finale einziehen", stöhnte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der mit seiner Führungsriege "ein Wechselbad der Gefühle" durchlebt hatte nach Reals frühem 2:0 durch Treffer von Cristiano Ronaldo, das Arjen Robben umgehend per Elfmeter in eine Patt-Situation verwandelt hatte.

Mit einem 2:1-Hinspiel-Sieg waren die Bayern gen Madrid gereist - plus einer letztlich übertrieben großen Portion Respekt. "Noch nie in einem Champions-League-Halbfinale habe ich so viele vergebene Riesenchancen gesehen", erklärte hernach Uli Hoeneß - schweißgebadet. "Wir haben uns einen Traum erfüllt", sagte der Bayern-Präsident, "wir können jetzt in der eigenen Arena ein Champions-Finale spielen."

Robbens Vabanquespiel

Aber wie tritt man auf im Bernabéu, wie wehrt man sich gegen die Bestie? 80 000 brüllende Zuschauer auf den extrem aufsteigenden Rängen, drunten in der Arena elf adrenalingeladene Weltklasse-Kicker, die gleich den ersten Angriffsschwung nutzen wollen, um klare Verhältnisse auf dem Rasen zu schaffen - wie kriegt man die Nerven in den Griff?

Die Bayern fanden gestern Abend keine Antwort darauf. Verschüchtert, tief beeindruckt wie eine Schülerelf schauten die Münchner den ersten energischen Angriffen der Madrilenen zu, die im Kern so verliefen, dass Xabi Alonso aus halblinker Position mit zentimetergenauen Diagonalpässen über gut 50 Meter den Kollegen di Maria auf der rechten Außenbahn bediente. Im ersten Versuch setzte sich di Maria gegen Alaba durch und passte im Strafraum von der Grundlinie zurück, wo die einschussbereiten Khedira und Benzema einander irritierten.

Beim zweiten Versuch zog di Maria selbst ab, Alaba warf sich in die Schussbahn und brachte beim Versuch, den schmächtigen Körper so breit wie möglich zu machen, den Arm an den Ball. Schiedsrichter Kassai pfiff Elfmeter, Ronaldo verwandelte perfekt ins rechte Toreck. Mit dem 1:0 hatte Real binnen sieben Minuten die Ausgangsposition umgedreht: Nun standen die Spanier im Finale, Bayern musste kommen.

Das taten sie, mit aller Wucht. Weggeblasen war aller Respekt. Alaba, der Pechvogel, setzte sich auf dem linken Flügel durch - und gab das Unglücksprädikat an Robben ab, der zu schwungvoll in den Flankenball hechtete und es schaffte, ihn aus sechs Metern noch übers Real-Tor zu befördern. Es war das, was man eine hundertzehnprozentige Torchance nennt, der Vorgang erinnerte lebhaft an Robbens Fehlschuss aus ähnlicher Position im vergangenen Alles-oder-Nichts-Match der Bayern, gegen Dortmund.

Gleich darauf wurde Gomez' Schuss im letzten Moment abgeblockt. Die Bayern blieben wütend am Drücker, Real dagegen listig auf der Pirsch: Khedira fing einen Vorstoß in der Münchner Hälfte ab, Kroos lenkte den Ball unglücklich zu Özil, der ihn - es war sein lichtester Moment - gedankenschnell auf Ronaldo weiterleitete. Der schob das Spielgerät an Neuer vorbei zum 2:0 ein (14.).

Gomez vergibt Riesenchance

War's das schon? Von wegen, jetzt ging die Partie richtig los. Ein phasenweise anarchisches Hin und Her entwickelte sich, jenseits aller taktischen Schranken, bei dem die Real-Abwehr immer größere Lücken offenbarte. Als Gomez einmal mehr in eine solche hineinstieß, riss ihn Pepe im besten Ringerstil um - erneut Strafstoß.

Robben schnappte sich den Ball, ausgerechnet Robben. Wird er die Kopie von Dortmund perfekt machen, als er nach seiner kläglich versiebten Großchance auch noch einen Elfmeter verschoss? Nein. Zwar flatterten ihm tüchtig die Nerven, der Ball war unsicher getreten, doch gnädig rutschte er durch Casillas Hände und prallte vom Innenpfosten ins Real-Tor (27.)

Im Höchsttempo ging es weiter. Benzema drang in den Bayern-Strafraum ein, sein Schuss drehte sich knapp am langen Torpfosten vorbei (30.). Doch mehr und mehr waren es die Bayern, die Furcht und Schrecken verbreiten im Bernabeu. Massiv kamen sie über die Flügel, bis an die Fünfmeterlinie drängten sie Real zurück. Gomez versiebt die nächste Großchance, frei vor Casillas. Der musste vorm Pausenpfiff auch noch einen Robben-Freistoß aus dem Toreck fischen.

Gomez' Großchance

Hellwach kamen die Bayern aus der Pause zurück. Gomez' Kopfball auf Lahms Flanke verfehlte knapp den Kasten (48.). Auf der Gegenseite prüfte Benzema Neuer (55.). Zunehmend kontrollierten die Bayern die Partie, die nun deutlich ruhiger verlief. Auf beiden Seiten fehlte jetzt der letzte Pass. Doch mit jeder Minute, die verrann, schien Reals Kickern klar zu werden, dass es hier für sie eine Menge zu verlieren gab. Die Bürde, favorisiert zu sein, hatte ja am Abend zuvor den Erzrivalen Barcelona im eigenen Stadion gegen zehn Chelsea-Kicker erdrückt - sollte es auch hier so kommen?

Ronaldo und Co. versuchten einen Zwischenspurt, heraus sprangen nur zwei Freistöße, die Reals Wunderstürmer mal in den Nachthimmel, mal in Neuers fangbereite Arme schoss. Kaka kam für di Maria; die Bayern, obwohl frischer wirkend, drosselten zusehends das Spieltempo.

Um blitzschnell zuzuschlagen. In der 85. Minute drang Robben links in den Strafraum ein, legte quer auf Gomez, der freistehend aus zehn Metern nicht abschloss, sondern den Ball stoppte - und vertändelte. Da war sie, die Riesenchance für den K.o.-Schlag, wie im Hinspiel, wieder für Gomez. Diesmal aber stellte sich der Torjäger täppisch an.

Verlängerung. Real griff noch einmal an. Bayern-Trainer Heynckes brachte Müller für den abgekämpften Ribery. Real-Coach Mourinho brachte Higuain für Benzema und Granero für Özil. Luiz Gustavo und Badstuber sahen Gelb, wie Alaba sind nun auch sie im Finale gesperrt. Die letzten Minuten Hochspannung. Neuer zieht Granero, der Spanier fällt theatralisch und kassiert Gelb.

Einen Real-Konter macht Higuain zunichte, der ohne Not ins Abseits tappt. Mourinhos zweiter Anzug passt nicht. Die Bayern retten sich ins Elfmeterschießen - und zeigten letztlich die besseren Nerven. Zweimal tauchte Torwart Neuer ins rechte untere Toreck und parierte die Schüsse von Cristiano Ronaldo und Kaka, dann brach Schweinsteigers Treffer alle Dämme.

Am Ende zeigte auch Real-Trainer José Mourinho Größe. Er ging in die Kabine der jubelnden Bayern und beglückwünschte jeden Spieler einzeln. "Das hatte Stil", fand Kollege Heynckes - am Ende war er doch wieder beeindruckt von Real Madrid.

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