Die Spieler duschen noch, als sich die Tür öffnet, vor der in der Münchner Arena die Mannschaftsbusse warten. Es ist eine schwere Tür und irgendwas muss schief gegangen sein, denn plötzlich jault ein Hund auf. Die im Raum stehenden Betreuer, Ordnungskräfte und Journalisten wundern sich, denn Hunde kommen hier selten durch. Schon gar nicht nachts um elf nach einem Champions-League-Spiel. Was ist dem Tier passiert?
Die Tür hat den Hund wohl nicht eingeklemmt, angeblich hat ihn das Frauchen mit dem Fuß erwischt. Als Wiedergutmachung trug das Frauchen ihr Malteserhündchen fortan auf dem Arm zwischen den Ordnungskräften, Betreuern und Journalisten in Richtung Umkleide. Das Frauchen heißt Margarita Louis-Dreyfus, die Besitzerin von Olympique Marseille.
Es war ihr letzter Auftritt in dieser Champions-League-Saison und der misslang so gründlich wie der ihrer Fußballer. Ohne die geringste Chance auf einen Einzug ins Halbfinale verabschiedete sich Olympique Marseille. Der Verein hat seit Wochen kein Spiel mehr gewonnen und fällt zum Höhepunkt der Saison fast in sich zusammen. Auf der anderen Seite birst der FC Bayern München vor Kraft und Selbstbewusstsein.
Es sind die Tage und Wochen der Abrechnung. Und wie schon so oft in den vergangenen 40 Jahren finden die Münchner im März und April zu einer wolfartigen Gier nach Siegen, erdrücken ihre Gegner zwischen ihren stählernen Schultern - und schüren Respekt. Als Präsident Uli Hoeneß an der Stelle vorbeikam, an der Madame Louis-Dreyfus zuvor ihren Hund malträtierte, ließ er zwischen zwei Interviews einen Journalisten herbeirufen und stauchte ihn vor allen Leuten zusammen wie einen Schuljungen. Eine Geschichte über Manuel Neuer hatte dem Präsidenten nicht gefallen.
Zweiter Abrechner an diesem Abend: Franck Ribéry. Der Franzose war eine Woche zuvor in Marseille bei der Rückkehr zu seinem früheren Klub feindselig empfangen worden. Die Franzosen verzeihen ihm bis heute nicht, bei der Rebellion während der WM 2010 zu den Anführern gezählt zu haben. Dazu hängt ihm in Frankreich eine Sexaffäre mit einer Minderjährigen nach.
Einzelkritik FC Bayern:Wenn Franck Ribéry glüht
Der Franzose im Bayern-Dress will es den Landsleuten zeigen und wird seinen mäßigen Ruf in der Heimat dennoch kaum verbessern, Philipp Lahm hat sein Offensiv-Gen entdeckt, David Alaba rollt die linke Seite entlang wie ein ICE. Und Ivica Olic? Rackert und rackert und rackert. Der FC Bayern beim 2:0 gegen Marseille in der Einzelkritik.
Doch Ribéry ist derzeit (abgesehen vom Hinspiel in Marseille vielleicht) in einer Form, in der man ihn nicht reizen sollte. Sein Vorhaben, an diesem Abend allen Kritikern sein ganzes Können zu zeigen und sie kleinlaut zurückzulassen, war schon beim Warmlaufen zu spüren. Als er dann das erste Tor von Ivica Olic vorbereitet hatte (13.), lief er an den Fans aus Marseille vorbei, blickte herausfordernd nach oben und schlug sich mehrfach gegen die herausgestreckte Brust.
Einzelkritik FC Bayern:Wenn Franck Ribéry glüht
Der Franzose im Bayern-Dress will es den Landsleuten zeigen und wird seinen mäßigen Ruf in der Heimat dennoch kaum verbessern, Philipp Lahm hat sein Offensiv-Gen entdeckt, David Alaba rollt die linke Seite entlang wie ein ICE. Und Ivica Olic? Rackert und rackert und rackert. Der FC Bayern beim 2:0 gegen Marseille in der Einzelkritik.
Später wiederholte der Franzose, wie sehr er sich in München wohlfühle. "Die Fans schreien meinen Namen, das Publikum ist unglaublich, Wahnsinn", sagte Ribéry. "Ich bekomme viel Vertrauen, ich spiele frei, habe viel Spaß auf dem Platz. Ja, das ist super." Seine Liebeserklärungen an den FC Bayern und an München sind immer auch als Kritik an seine Heimat zu verstehen, die ihm die Zuneigung verwehrt.
Auch das zweite Tor von Olic leitete Ribéry bei einem Konter zusammen mit Linksverteidiger David Alaba ein (37.). Danach versuchte er einige Male, seine Gegenspieler auf engstem Raum vorzuführen. Die Form des Franzosen ist in dieser Phase der Saison die vielleicht wichtigste Nachricht hinaus in die Fußballwelt, an die kommenden Gegner FC Augsburg, Borussia Dortmund, FSV Mainz und dann vermutlich Real Madrid.
Diese Ziele formulierte Ribéry auch höchstselbst: "Wir müssen probieren, alle Spiele zu gewinnen. Alle." Jetzt sind es immerhin schon acht Siege in Serie seit dem 0:2 in Leverkusen. Also drei Titel? "Wenn möglich, sollten wir Minimum zwei Titel gewinnen" - er meinte Meisterschaft und Pokal. Es folgte das große Ziel im Ribéry-Deutsch: "Dann schauen wir mal diese Champions League."
Wenn nicht alle Fußballhexen und -zauberer am Mittwochabend zusammen Schnaps trinken und einen ordentlichen Unfug treiben, heißt der Gegner im Halbfinale Real Madrid (Hinspiel gegen Apoel Nikosia: 3:0). Diese Mannschaft hat den FC Barcelona in der spanischen Liga mit sechs Punkten Vorsprung abgehängt, von 30 Partien in der Primera Division 25 gewonnen und in der Champions League in neun Spielen achtmal gewonnen.
Gerade Ribéry und Hoeneß, die beiden Abrechner, konnten nicht verbergen, wie sehr sie sich ein Finale am 19. Mai im eigenen Stadion und einen Sieg in Europas Eliteklasse wünschen. "Der Titel in der Champions League wäre mir lieber als die Meisterschaft ", erklärte Hoeneß. Ribéry indes beschäftigt noch, dass er im Finale 2010 gegen Inter Mailand gesperrt zusehen musste. "Damals war ich nervös und traurig. Und jetzt ist das Finale zu Hause. Aber wir müssen locker bleiben, ruhig, dürfen uns nicht so viel Druck machen. Es ist nicht einfach gegen Madrid, das ist eine große Mannschaft."