FC Bayern:Raus aus der Küche, rein ins nächste 5:2

GER, UEFA CL, FC Bayern Muenchen (GER) vs Benfica Lissabon (PT) / 02.11.2021, Allianz Arena, Muenchen, GER, UEFA CL, FC

Eines von vielen schönen Toren des Tages: Leroy Sané mit dem zwischenzeitlichen 3:1.

(Foto: nordphoto GmbH / Straubmeier via www.imago-images.de/imago images/Nordphoto)

Bei der Rückkehr von Julian Nagelsmann an die Seitenlinie qualifizieren sich die Bayern gegen Benfica vorzeitig für das Achtelfinale der Champions League. Dabei tun sie sich erst schwer - und glänzen gegen Ende des Spiels mit Traumtoren.

Aus dem Stadion von Philipp Schneider

Julian Nagelsmann hatte seine Hände in den wärmenden Hosentaschen verstaut, und nun beugte er seinen Oberkörper nach vorne und brüllte. Locker zweieinhalb Meter außerhalb seiner Coaching-Zone stand er, aber es half ja nichts: Nagelsmann musste seiner Mannschaft ja irgendwie entgegenkommen, die sich als Kollektiv in sogenanntes "Boxpersonal" verwandelt hatte - wie es Nagelsmann nennt - sie stand weit entfernt von ihm und umringten mit zehn Mann den gegnerischen Strafraum. Wer nun also dachte, Nagelsmann hätte etwas verlernt während seines corona-bedingten, zweiwöchigen Coachings aus dem Home-Kitchen, wo er ja eine sogenannte "Analysestation" eingerichtet hatte und dort vor allem gegen den Lärm der Spülmaschine hatte anbrüllen müssen, der sah sich getäuscht.

Als Nagelsmann in bewährter und gut vernehmbarer Manier dirigierte, da führten die Bayern am Dienstagabend gegen Benfica Lissabon erst mit 2:0. Es lag noch ein gehöriges Stück Arbeit vor ihnen, ehe der Schiedsrichter schließlich ein 5:2 (2:1) der interessanteren Sorte abpfiff. Interessant, weil sich die Münchner vor diesem vierten Sieg im vierten Gruppenspiel der Champions League unnötig lang geplagt hatten. Aber nun sind sie vorzeitig qualifiziert fürs Achtelfinale. Nach dem peinlichen Aus in der zweiten Runde des DFB-Pokals, der die Bayern am Ende der Saison so oder so leicht hungrig zurücklassen wird, ist nun zumindest diese Teil-Mission erfüllt.

Bayern erfüllt die Teil-Mission gegen Benfica

Der aus seiner Sicht erfreuliche Tag begann für Nagelsmann mit einem PCR-Test am Münchner Hauptbahnhof. Als ihm dieser das erhoffte Negativ-Ergebnis beschert hatte, wurde er von einem Fotojäger der Bild dabei erwischt, wie er sich gerade möglichst ungesehen durch eine Labor-Tür schleichen wollte mit der Aufschrift "Room 42". Dieser Raum war nicht zu verwechseln, wenngleich selbstverständlich thematisch verwandt mit dem legendären "Room 237" aus Stanley Kubricks Isolations-Drama "Shining".

Dort geht bekanntlich (vier Jahrzehnte vor Corona!) ein von Jack Nicholson personifizierter Schriftsteller, der zum Hausmeister wird, an der Einsamkeit im Overlook-Hotel zugrunde, ehe ihn der Wahnsinn die Axt ergreifen lässt. Nagelsmann hatte angesichts der merkwürdigen Aufs und Abs seiner Mannschaft in den vergangenen Wochen die Axt im Walde gelassen und allenfalls ein bisschen Geschirr zerdeppert. Sein Erlebnis im "Room 42" bedeutete für ihn die Rückkehr ins Leben, das für einen wie Nagelsmann immer der Trainingsplatz ist.

Im stets kritischen Vereinsumfeld des FC Bayern hatten Beobachter ja zuletzt den Abwehrchef Dayot Upamecano für das 0:5 im Pokal gegen Gladbach verantwortlich gemacht. Nachdem ihm Nagelsmann dann beim 5:2 gegen Union die Chance auf sportliche Rehabilitation gegeben hatte, die er nutzte, durfte er gegen Lissabon wieder von Beginn an mitwirken. Überraschender war, dass weder Niklas Süle noch Lucas Hernández neben ihm spielten, beide fehlten verletzt. Es begann der 19-jährige Tanguy Nianzou, der in der Champions League noch nie von Beginn an gewirkt hatte. Im zentralen Mittelfeld kehrte der zuletzt erkältete und verletzte Leon Goretzka zurück an die Seite von Joshua Kimmich, und anstelle von Thomas Müller sollte Serge Gnabry für Wirbel sorgen.

FUSSBALL CHAMPIONS LEAGUE SAISON 2021/2022 Vorrunde Gruppe E FC Bayern Muenchen - Benfica Lissabon 02.11.2021 Tor zum 2

Serg Gnabry traf mit der Hacke.

(Foto: ULMER via www.imago-images.de/imago images/ULMER Pressebildage)

Angesicht dessen, dass die Verteidigung auch zuletzt beim wackligen 5:2 gegen Union das Sorgenkind der Bayern gewesen war, war dies eine durchaus experimentelle Innenverteidigung, der Nagelsmann vertrauen musste. Die Münchner sortierten sich tief in der eigenen Hälfte zu Beginn, sie überließen Benfica den Ball. Sollte die Taktik auf Einlullung abgezielt haben, so wäre sie fast unmittelbar aufgegangen. Nach nicht einmal 360 Sekunden kämpfe sich der am Dienstag grandios aufgelegte Kingsley Coman in den Strafraum, dann parierte der Torwart mit dem schönen Namen Odysseas Vlachodimos zunächst einen Schuss von Gnabry, dann noch mit der Faust vor Robert Lewandowski.

Es könne nicht angehen, dass lediglich "die Kette alles wegverteidigt oder Manu hält", hatte Nagelsmann vor der Partie geklagt. Entsprechend sahen die Zuschauer zunächst eine ungewöhnlich defensiv eingestellte Münchner Elf, in der das Kollektiv sehr beflissen war beim gemeinschaftlichen Wegverteidigen. Nach 15 Minuten hatten die Bayern noch Glück, als ein Treffer der Gäste nach einem Eckball vom Videoschiedsrichter kassiert wurde, weil Luis Miguel Afonso Fernandes, genannt Pizzi, hauchzart im Abseits gestanden hatte.

Die Szene geriet für die Bayern zur Initialzündung für eine kurze, wilde Phase. Aber immer wenn sie sich zunächst in die Gefahrenzone gepasst hatten und dann Sané abschloss, oder auch mal Davies, da zeigte Vlachodimos die nächste gute Parade auf seiner Torwart-Odyssee. Erst als Coman eine Flanke aus dem Fußgelenk schüttelte, die schöner und vor allem präziser nicht hätte gezeichnet werden können, da war Vlachodimos machtlos gegen den einnickenden Lewandowski. Die Bayern waren nun drauf und dran, das Spiel auf ihre Seite zu zerren.

Diesmal war es ein weiter Pass von Kimmich aus dem Zentrum, den Lewandowski uneitel ablegte auf Gnabry. Und Gnabry war dann so frei, den Ball mit der Hacke ins Tor zu befördern (32.). Doch dann luden die Bayern Benfica, völlig ohne Not, wieder ein in diese Partie. Nach einem Freistoß übersprangen sowohl Morato als auch Vertonghen die Bayern-Abwehr so deutlich: das 2:1 (38.).

Unbekümmert spielten die Münchner nun weiter nach vorne. Goretzka jagte den Ball gegen den Arm von Verissimo. Schiedsrichter Marciniak wurde dann zur Auswertung des TV-Materials an den Spielfeldrand zitiert - und entschied zurecht auf Elfmeter. Lewandowski lief an, verzögerte, trippelte, und schoss - mittig in die Arme von Vlachodimos. Vor Vlachodimos war es im Profifußball lediglich Rune Jarstein (Hertha BSC), Daniel Masuch (Münster) und Manuel Neuer (Bayern, gegen BVB) gelungen, einen Elfmeter des Polen zu parieren.

Es folgen drei wunderbare Tore von Sané und Lewandowski

Mit unverändertem Personal ging Nagelsmann die zweite Hälfte an. Zunächst erhöhten die Bayern nach einer schön anzusehende Staffette von Kimmich, Davies und dem Schützen Sané auf 3:1 (49.). Zwölf Minuten danach sah der vorentscheidenden Spielzug sogar noch etwas hübscher aus, als die Bayern nach einem Ballgewinn tief in der eigenen Hälfte blitzschnell auf Offensive umschalteten. Kimmich bediente Sané, der legte umsichtig zurück auf Lewandowski. Und der hob nun den Ball mit einem herrlichen Heber über Vlachodimos hinweg ab, dessen Schwierigkeitsgrad vermutlich den seines verschossenen Elfmeters umd den Faktor 150 übertraf.

Dass Benficas Darwin vor Lewandowskis 5:2 noch ein 2:4 nachgelegt hatte, und dabei sogar Manuel Neuer tunnelte, das dürfte Nagelsmann nicht nachhaltig die Laune verhagelt haben. Am Tag, als er endlich seine Küche verlassen durfte.

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