FC Bayern beim Derby-Sieg gegen Nürnberg:Knobelspiele für das Super-System

Bayern Muenchen v 1. FC Nuernberg - Bundesliga

Feilt noch am perfekten Zusammenspiel: Bayern-Trainer Pep Guardiola.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Eifrig sucht Pep Guardiola nach einem Spielsystem für den FC Bayern, das mindestens genauso erfolgreich ist wie das von Jupp Heynckes. Das holprige Debüt von Mario Götze gegen Nürnberg ist eines von mehreren Indizien, dass noch nicht viel Neues funktioniert.

Aus dem Stadion von Saskia Aleythe

Als die Anspannung abfällt, verliert Franck Ribéry die Beherrschung. Er greift sich an den Kragen, reißt das Trikot über den Kopf und flitzt mit blanker Brust eine Kurve über die Eckfahne zur Bayernbank. Dort übt der halbnackte Franzose mit Anzugträger Pep Guardiola einen kniffligen Handschlag und verabschiedet sich nach weiteren Jubelposen wieder Richtung Rasen, wo der Schiedsrichter fürs Ausziehen bereits die gelbe Karte zwischen den Fingern hält. Selten war Ribéry eine gelbe Karte so egal.

"Ich glaube, dass es ein sehr wichtiges Tor war", sagt Ribéry später zu seinem ersten Kopfballtreffer in der Bundesliga. Seine ausgiebige Freude lag weniger an dieser Premiere als daran, dass sich die Bayern im Derby gegen Nürnberg 69 Minuten lang schwer getan hatten mit dem Treffen. Bei Guardiola mochte die Anspannung auch nach dem 2:0 durch Arjen Robben noch nicht vollständig weichen.

"Wir müssen Geduld haben"

Neun Punkte aus drei Spielen ist ein optimaler Saisonstart, damit war Guardiola freilich zufrieden. Er lobte Fortschritte, die er in seinem neuen Team erkannt hatte, vor allem die Ballkontrolle gefiel ihm gut. 81 Prozent weist die Statistik aus, ein Rekordwert in der Bundesliga. "Die Schnelligkeit im Angriff haben wir ein bisschen vergessen", sagte er dann und sprach von sich selbst in der dritten Person: "Wenn etwas nicht ganz so klappt, ist das wegen dem Trainer und nicht wegen dem Spieler. Der Trainer gibt manchmal sehr viele Informationen." Zu viele Informationen? "Nein, die Spieler sind sehr intelligent und verstehen alles", sagte Guardiola.

Erstmals gab es auch für Mario Götze viel zu verstehen und umzusetzen. Er durfte sein Debüt gleich in der Startelf geben, das fiel allerdings weniger fabelhaft aus als es zu seinem Karriereverlauf gepasst hätte. Mitte April hatte Götze zuletzt auf dem Rasen gestanden, damals noch im Trikot der Dortmunder. Eine lange Verletzungspause ließ ihn in Trainingsrückstand geraten. Das Spiel gegen Nürnberg nutzte er als Orientierungsphase im Bayernspiel, womit seine Kollegen schon zufrieden waren. "Er hat gut gespielt für sein erstes Spiel", sagten Schweinsteiger und Guardiola fast wortgleich. Die zahlreichen Ballverluste wurden Götze schnell verziehen.

Dass Routinier Ribéry den ersten Auftritt des Neulings vollkommen überstrahlte, spiegelt die Situation der Bayern derzeit bestens wider. Was aus dem alten Heynckes-System noch vorhanden ist, funktioniert: Das Flügelspiel über die Außen Ribéry und Robben. Der Rest muss sich entwickeln, "wir müssen Geduld haben", sagt Schweinsteiger.

Guardiola befindet sich noch auf Forschungstour im Bayernkader. Sein Ziel: Ein System finden, das mindestens genauso erfolgreich ist wie das von Jupp Heynckes, aber anders aussieht als das von Jupp Heynckes. Guardiola will eins, das seins ist. Warum auch sonst sollte der FC Bayern den Katalanen verpflichtet haben? Um die Spielart des alten Trainers weiter führen zu lassen? Damit würde sich wohl keiner der Beteiligten beim FC Bayern wohl fühlen.

Mehr Rätsel als Klarheit

Seit acht Wochen macht sich Guardiola mit den Bayern vertraut, er zeigte gleich zu Beginn seine Experimentierfreude. Da durfte mal Philipp Lahm ins offensive Mittelfeld oder Javier Martínez in die Innenverteidigung. Die Konstante lautet bisher: Guardiola schickt elf Mann auf dem Platz. Die Ausrichtung gibt manchmal mehr Rätsel auf als sie Klarheit bringt. Am liebsten ist Guardiola das 4-1-4-1, wahlweise mit einem offensiveren Philipp Lahm, der ins Mittelfeld vorstößt, wie es auch gegen Nürnberg der Fall war. Jupp Heynckes pflegte mit seiner Vorliebe für ein 4-2-3-1 eher eine defensivere Gangart - und war damit weniger konteranfällig als es das bisherige Guardiola-System ist.

Wer die Mannschaft in ihre Einzelteile aufdröseln will, findet noch mehr Fixpunkte: Stürmer Mario Mandzukic ist gesetzt im Angriff, auch die Abwehr sah unter Guardiola in den drei Bundesligaspielen bisher immer gleich aus. David Alaba und Lahm besetzten die teilweise aufgerückten Außenpositionen, Jérôme Boateng und Dante fungierten als Innenverteidiger. Seine hoch geschätzte Sechserposition behält Guardiola bisher bei, auf der muss nun meist Schweinsteiger alleine agieren statt wie in der Vorsaison mit einem Partner wie Martínez an seiner Seite. Das stellt sowohl den Spielaufbau als auch die Verteidigung vor neue Herausforderungen. Weil vor allem eines fehlt: ein gutes Zusammenspiel im Mittelfeld.

Wenige klare Torchancen

In der Zentrale sammelt sich das Überangebot an Weltklassespielern. Beim 3:1 gegen Gladbach musste Schweinsteiger mit Toni Kroos und Thomas Müller agieren, beim 1:0 gegen Frankfurt mit Xherdan Shaqiri und Kroos und nun gegen Nürnberg eben mit Götze und Thiago. Jeder für sich ist zwar in der Lage, seinen Gegner auszutanzen - ein durchdachtes Spiel kommt allerdings nur selten zustande und damit auch weniger klare Torchancen.

Auch Ribéry und Robben auf den Flügeln müssen sich mit weniger Ballkontakten begnügen, als sie es gewohnt sind. Ribéry scherte sich am Samstag jedoch kaum darum, sein Tor hat ihn nämlich in eine vorzügliche persönliche Position manövriert: Am Donnerstag wird Europas Fußballer des Jahres bekanntgegeben. Ribéry sagt: "Ich habe eine große Chance." Das Hemd wird er bei der Verleihung mit Sicherheit anbehalten.

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