FC Bayern:Bayern hat den Autopiloten aktiviert

Bayern München - FC Augsburg

Gut gelaunt: Arturo Vidal und der ergraute/erblondete Robert Lewandowski.

(Foto: dpa)
  • Der FC Bayern schlägt den FC Augsburg mit 3:0 und führt die Bundesliga wieder mit sechs Punkten Vorsprung an.
  • Obwohl vor Kurzem auch Teams aus dem Tabellenkeller wie Wolfsburg in München punkteten, versucht Augsburg nur eine höhere Niederlage zu vermeiden.
  • In dieser Form wird das Team von Jupp Heynckes auf dem Weg zur Meisterschaft kaum aufzuhalten sein.

Von Christof Kneer

Allmählich wird es wieder Zeit für Armin Veh. Man würde ihn jetzt gerne wieder an irgendeinem Donnerstag in irgendeinem Presseraum sitzen sehen, als Trainer irgendeines Erstligisten, der am Wochenende zum FC Bayern reist. Angesprochen auf die Personalsituation bei seinem Verein, würde Veh sein Cowboygrinsen rausholen und dann ungefähr dieses sagen: "Ach, hör auf, in München hammer sowieso keine Chance, ich lass' den Spieler XY daheim. Des bringt doch alles nix."

Nein, vermutlich würde Veh das nicht ungefähr so sagen, sondern: genau so. Abgesehen davon, dass er dem Spieler einen Namen geben würde, wie einst Sebastian Rode, den Veh in der gemeinsamen Frankfurter Zeit mal nicht mit nach München nahm, weil man da - siehe oben - sowieso keine Chance hat. Das war ein kleiner Aufreger damals, im Januar 2014, zumal Veh neben Rode auch den Verteidiger Carlos Zambrano vom Sport befreite. Weil: Könnte ja sein, dass die Burschen sich in München die fünfte Gelbe holen und dann fehlen, wenn's wirklich wichtig wird. Im nächsten Spiel dann, nach dem FC Bayern.

Bayern siegt mit den Waffen der Kleinen

Es ist nun also wieder so weit: Die Teams fahren nach München, und wenn sie dort angekommen sind, versuchen sie, selbst im Falle eines 0:3-Rückstands "kompakt zu bleiben", wie Augsburgs Trainer Manuel Baum sagte. Baum, 38, zählt zur Armin-Veh-Nachfolgegeneration, es ist eine Generation, die dafür bekannt ist, dass sie mutig ist und alles versucht. Von Spielen in München fühlen sich die neuen Akademiker eigentlich herausgefordert, sie tüfteln A-, B- und C-Pläne für alle denkbaren Spielwendungen und Windverhältnisse aus, und noch vor acht Wochen hat es sogar ausgereicht, der VfL Wolfsburg zu sein, um aus München ein 2:2 mitzunehmen.

Kurz darauf hat dann aber Jupp Heynckes übernommen, ein Trainer aus der Vorgänger-Generation von Armin Veh. Und seit Heynckes die Bayern übernommen hat, geben sie keine Punkte mehr ab und kassieren keine Gegentore mehr. Es gibt jetzt wieder Spiele wie dieses 3:0 gegen den FC Augsburg, die keine Rücksicht darauf nehmen, dass der andere Trainer den Stand der Sonne vorausberechnet und daraus eine einleuchtende Kontertaktik entwickelt. Das Spiel schmunzelt über solche Pläne und macht sich einen Spaß daraus, der ungefähr so aussieht: In der 38. Minute wird Augsburgs Caiuby in der Nähe der Mittellinie von Arturo Vidal und Javi Martínez bedrängt, Vidal schnappt sich den Ball und spielt ihn steil auf Robert Lewandowski, der dann mit erheblicher Selbstverständlichkeit ein Tor erzielt. Das 2:0 des FC Bayern war ein Kontertor, erzielt gegen eine Elf, die selbst auf Konter spekuliert hat.

Für die Konkurrenz ist dies das Deprimierendste: dass der große, auf Ballbesitz und Dominanz gepolte FC Bayern auch mit den Waffen der Kleinen gewinnen kann. Der FC Bayern kann zurzeit überhaupt mit so ziemlich allen Waffen gewinnen. Vidals 1:0 (Drehschuss, 31.) fiel nach einer Standardsituation, Lewandowskis 3:0 (49.) entsprang einer Flanke von Joshua Kimmich. Er habe mit seinen Spielern besprochen, "dass der Fokus darauf liegt, 90 Minuten in der Ordnung zu spielen, egal, wie der Spielstand ist", sagte Manuel Baum später. Frei übersetzt heißt das, dass die Augsburger auch bei Rückstand nicht das tun sollten, was Teams bei Rückstand sonst so machen: Sie sollten nicht unbedingt nach vorne rennen, um ein eigenes Tor zu erzwingen, sondern einfach so tun, als sei nichts geschehen. Einfach weiterspielen. Bloß kein Risiko gehen, weil diese schrecklichen Bayern einem dann unter Umständen noch das Torverhältnis ruinieren.

Heynckes hat nicht nur Harmonie in den Laden gebracht

Der achte Sieg im achten Heynckes-Spiel: Die Bayern haben wieder den Autopiloten aktiviert, der sie auf schnellstem Weg zum Rathausbalkon führt. Wer wissen will, wie Heynckes das macht, der hat nur zuhören müssen, wie er die Hymnen zu seinem 500. Bundesliga-Sieg als Spieler und Trainer abmoderiert hat: Er "nehme das so zur Kenntnis, und dann ist es auch gut".

Ein paar Prozent Koketterie darf man da selbst bei einem wie ihm abziehen, unterm Strich bleibt dennoch jenes unspektakuläre Glaubensbekenntnis, das den Bayern gerade so guttut: Es geht um so Dinge wie Anstand, Fleiß und Präzision und darum, sich selbst nicht über andere zu stellen. Wobei man Heynckes da nicht unterschätzen sollte: Er lebt diese Dinge zwar gerne großonkelig vor, aber er hat nicht nur Ruhe und Harmonie, sondern auch eine Menge Zug in den Laden gebracht.

Er habe "vor zwei-, zweieinhalb Wochen" ein längeres Gespräch mit Arturo Vidal gehabt, erzählte Heynckes später, "ich habe gesagt, dass ich mit seinem gesamten physischen Zustand nicht zufrieden bin und dass er etwas ändern muss, wenn er bei mir spielen möchte". In der Länderspielpause habe Vidal dann "überragend trainiert", worauf Heynckes zur Belohnung - auch ein Handgriff aus dem Repertoire der Traditionalisten - die alte Hierarchie wieder in Kraft setzte: Und in der kommt Vidal eben vor den Zugängen Sebastian Rudy und Corentin Tolisso, die später auch noch ein paar Spielminuten abbekamen.

Heynckes' ebenso hoch professionelle wie hoch menschliche Art hat schon mal ausgereicht, um die Spieler zur freudigen Hergabe ihres ganzen Könnens zu inspirieren und der Liga schon wieder erste resignative Regungen aufzuzwingen. Wie gut diese Bayern-Elf aber jenseits von Augsburgs noch oder wieder ist, darüber wird man erst Anfang Dezember erste Hinweise erhalten - beim Champions-League-Heimspiel gegen Paris Saint-Germain.

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