FC Bayern: Bastian Schweinsteiger:Lenken wie Lampard

Nie wieder Schweini sein: Bastian Schweinsteiger schärft sein Profil und strebt beim FC Bayern und im Nationalteam zentrale Rollen an.

Moritz Kielbassa

Daheim in Oberaudorf, im alten Sportgeschäft seines Vaters, ist Bastian Schweinsteiger allgegenwärtig. Ein ganzes Regal mit Fanartikeln des FC Bayern ist dem berühmten Sohn des Hauses gewidmet, auf vielen Fotos ist "Schweini" zu sehen - und es dürfte ihm auch gefallen, dass nebenan, im Schaufenster einer Parfümerie, hübsche Frauen für Schönheitsprodukte werben. Das entspricht zumindest der öffentlichen Wahrnehmung des 25-Jährigen, der aus dem Dorf im Voralpenland in die große Fußballwelt zog.

FC Bayern: Bastian Schweinsteiger: Bastian Schweinsteiger hat mit 25 Jahren schon 72 Länderspiele auf dem Buckel. Dennoch halten ihn viele immer noch für das Teenie-Idol "Schweini".

Bastian Schweinsteiger hat mit 25 Jahren schon 72 Länderspiele auf dem Buckel. Dennoch halten ihn viele immer noch für das Teenie-Idol "Schweini".

(Foto: Foto: ddp)

Schweinsteiger weiß, dass er bisher "das klassische Klischee" eines jungen Sportidols bedient hat: Starrummel, Glamour, Liebling der Teenager, flotte Autos, Furore durch trendige Mode und Frisuren - und eine Freundin, die Model ist. "Die aber auch", hebt Schweinsteiger hervor, "Abitur macht." Das Bild, das die meisten Leute von ihm haben, stimmt eben nicht überein mit seinem Selbstbildnis. Das könnte sich nun ändern.

Auf und außerhalb des Platzes deutet sich bei Schweinsteiger ein Imagewandel an, überspitzt formuliert: vom Luftikus zum Leitwolf. Zeit wird's - sagen die einen. Vom ewigen Talent war in München häufig die Rede, auch der Hauspädagoge Uli Hoeneß wählte einige Male harte Worte, um bei dem mutmaßlich zu Lässigen, zu Selbstzufriedenen mehr inneren Antrieb zu provozieren.

Andere sagen: Wer beim FC Bayern Stammkraft ist und mit 25 schon 72 Länderspiele hinter sich hat, mit überwiegend guter Darstellung und stabilem Vertrauen des Bundestrainers, der ist mehr als ein Mitläufer. Im Verein genießt Schweinsteiger gerade größeres Ansehen denn je. Trainer Louis van Gaal machte ihn überraschend zum dritten Kapitän, ein symbolischer Akt der Zuwendung - und nach zähen Wochen des Ausprobierens entdeckte er für ihn die Spielfeldmitte als "beste Position". Manager Christian Nerlinger sieht Schweinsteiger inzwischen als "Leistungsträger und Fixpunkt im zentralen Mittelfeld".

Bewährung in Turin

Mehr Spaß und Verantwortung in der Mitte - unter dieses Motto stellt Schweinsteiger auch seine Zukunft in der Nationalelf. Schon bei der WM in Südafrika wäre er gerne, analog zur neuen Aufgabe im Klub, Michael Ballacks Partner im Regiezentrum. Er habe dieses Thema, stellt er klar, "nicht einfach so" aus Jux und Frohsinn in die Welt gesetzt: "Wenn ich so etwas sage, dann mit Verstand."

Der Bundestrainer kennt demnach seine Pläne und heißt sie prinzipiell gut, die WM-Ausbootung des Bremers Torsten Frings könnte ein Indiz dafür sein. Joachim Löws Problem ist die fehlende Alternative rechts, wo Schweinsteiger bisher spielte. Der betont deshalb: "Ich will den Bundestrainer nicht unter Druck setzen." Löw wiederum brachte in einem Interview mit der tz Bayerns Thomas Müller als Kandidaten für rechts ins Gespräch. "Er kann diese Position spielen und ist sehr flexibel. Vielleicht bekommt Bastian ja durch ihn aus dem eigenen Verein Hilfe", sagte der Bundestrainer.

Schweinsteigers Rollenfindung dauerte erstaunlich lange. Er selbst "wusste schon seit der Jugend, dass mir die Mitte am besten liegt". Bekannt wurde er jedoch als kreative Flügelkraft, und wenn er mal zentral spielen durfte, dann stuften ihn viele Beobachter - wegen seiner technischen Fertigkeiten - als Zehner ein. "Das entspricht aber nicht der Wahrheit", sagt der Fehleingeschätzte, "ein Zehner wie Zidane oder Diego, das ist mir zu offensiv. Ich bin mehr ein Sechser oder Achter." In der Tat fehlen ihm zu einem Ballverteiler hinter den Spitzen Schlüsselqualitäten. Ein paar Meter weiter hinten fühlt er sich wohler, er holt sich in der Tiefe die Bälle ab, verwaltet sie sicher, initiiert Angriffe und setzt mit freier Sicht nach vorne nützliche Pässe.

Beim 4:1 in der Champions League gegen Turin, Bayerns Befreiungssieg im Dezember, harmonierte Schweinsteiger mit Mark van Bommel in der Mitte prächtig, und obwohl bei ihm Fußball wie ein Lustspiel aussieht, beteuert er: "Für mich hat Defensivarbeit Vorrang!" Bei Zweikämpfen, Spielkontrolle und taktischem Verhalten hat er dazugelernt, es ist auch sein Verdienst, dass kein Riesenabstand mehr klafft zwischen Bayerns Mittelfeld und Innenverteidigern. Dass er seine Torgefahr seltener zur Geltung bringt, nimmt er in Kauf, nur wenige Gegner machen es ihm so leicht wie die naiven Turiner, kraftvoll mit nach vorne zu stoßen: "In der Bundesliga", weiß er, "stehen viele Mannschaften in der Mitte zu dritt."

"Nicht derselbe wie 2002"

In München kritisierte man sein Spiel oft als zu ineffizient, seine Schnörkel mit dem Ball verlangsamten so manchen Angriff, während die Trainer über "One-touch"-Fußball referierten - und seine Ecken und Freistöße, herrje! Mittlerweile lobt Kollege Philipp Lahm: "Schweini spielt jetzt dort, wo er seine Stärken am besten einbringt."

Der Verteidiger Lahm machte sich für Schweinsteigers Versetzung in die Zentrale stark, nachdem er zuvor angeprangert hatte, man könne niemandem im Mittelfeld den Ball verlässlich anvertrauen. "Frank Lampard" vom FC Chelsea, sagt Schweinsteiger, käme seinem Ideal am nächsten, der Brite steht für Dynamik und vielseitiges Vermögen. Und er ist: ein Lenker und Leader.

Ein geschärftes, seriöseres Profil zeigt Schweinsteiger jetzt auch abseits des Feldes. Er macht Werbung für die "Börse Stuttgart", man sieht ihn auf Magazincovern in Anzug und Krawatte, ins Blitzlicht der Boulevardfotografen tappt er nur noch selten, ein Partylöwe und Lautsprecher war er ohnehin nie. Und er sagt: "Ich lese lieber meinen vollen Namen" - statt Schweini, sein Stigma aus Sommermärchentagen. Eine Stütze beim sportlichen Erwachsenwerden ist Berater Robert Schneider, bei dem sich Schweinsteiger seit 2008 in guter Obhut fühlt. Zuvor hatte er viel Pech mit wechselnden Agenten, ein Gerichtsverfahren läuft noch.

Im Verein sind sie dem Vernehmen nach froh über sein neues Umfeld. Uli Hoeneß warf Schweinsteiger ja lange Zeit mangelnde berufliche Ernsthaftigkeit vor, seine Leistungen stagnierten besonders nach der jüngsten Vertragsverlängerung (bis 2012), die ihn langfristig in eine Führungsrolle hieven sollte. "Im Kern hatte Hoeneß recht, mir fehlte die Konstanz", räumt Schweinsteiger ein; starke Auftritte wie in Turin, forderte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, müsse er künftig regelmäßiger abrufen.

"Ich will mit Bayern Titel gewinnen, auch international", sagt Schweinsteiger vor dem schweren Spiel am Samstag in Bremen. Er vertraut dabei auf die Führungskraft van Gaals den er ebenfalls für zu einseitig charakterisiert hält ("er ist nicht nur hart, er nimmt Spieler auch mal in den Arm und ist bereit, seine Meinung zu ändern"). In eigener Sache sagt der dienstälteste Münchner Profi (seit 2002): "Ich habe mich verändert, ich bin nicht mehr derselbe, der hier vor siebeneinhalb Jahren aufgeschlagen hat." Vielen blieb dieser Prozess bisher verborgen, doch für dieses "falsche Bild kann ich nichts", sagt er: "Ich habe mein Image ja nicht selbst kreiert."

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