Süddeutsche Zeitung

FC-Bayern-Basketballtrainer Svetislav Pesic:"Uli Hoeneß' Interesse hat mich sehr angespornt"

Svetislav Pesic hat so viele Titel gewonnen wie kaum ein Basketball-Trainer. Jetzt soll er das Projekt des FC Bayern München nach vorne bringen. Im Interview spricht Pesic über den Anspruch des Klubs, sein Verhältnis zu Sohn und Chef Marko und warum er nur für diese Saison unterschrieben hat.

Von Jonas Beckenkamp

Svetislav Pesic und der deutsche Basketball gehören zusammen wie quietschende Turnschuhe und das Parkett. Weit vor den Zeiten eines Dirk Nowitzki feierte er als Trainer des Nationalteams den bislang größten Erfolg: den EM-Titel 1993. Anschließend trainierte er sieben Jahre Alba Berlin, wo er mehrfach Meister wurde und den Europapokal gewann. Die Auswahl seiner Heimat Jugoslawien führte er 2001 und 2002 zu EM -und WM-Titel und wurde zur Legende. Es folgten Engagements in Köln, Barcelona, Rom, Moskau und Valencia, ehe er 2011 zu Roter Stern Belgrad wechselt. 2012 arbeitete er zusätzlich erneut als deutscher Bundestrainer - die Qualifikation für die EM 2013 gelang der neu formierten DBB-Auswahl ungeschlagen. Als der FC Bayern in diesem Herbst einen Coach sucht, sagte Pesic zu. Die Mannschaft gewann mit ihm von den ersten fünf Partien vier. Zum Gespräch mit SZ.de lud der 63-Jährige kurz nach den Feiertagen in sein Büro, wo er gerade Feierabend machte.

SZ.de: Herr Pesic, Sie gelten als basketballverrückt und waren mit ihrer Mannschaft sogar während der Feiertage im Einsatz - wann kehrt bei Ihnen Ruhe ein?

Svetislav Pesic: Zum Beispiel jetzt. Gerade hatten wir Training, nun geht es nach Hause. Weihnachten feiern wir sogar zwei Mal, denn meine Frau ist katholisch und ich bin orthodox. Daher verbrachten wir Heilig Abend mit Verwandten und in zwei Wochen machen wir noch einmal dasselbe. Mein Enkelkind freut das: Es gibt doppelte Geschenke.

Sie hätten es als Bundestrainer auch entspannter haben können. Warum haben sie sich doch für die Aufgabe als Vereinstrainer entschieden?

Ich hatte mit dem Nationalteam einen unvergesslichen Sommer. Da ist etwas zusammengewachsen und wir hatten großen Erfolg. Für mich war es etwas Besonderes, wieder in Deutschland zu sein, da wurden viele Erinnerungen an früher wach. Aber ich bemerkte, dass ich nicht Klubtrainer in Belgrad und deutscher Nationaltrainer sein kann. Und nur Bundestrainer war mir zu wenig. Ich wollte mich lieber dem täglichen Stress aussetzen.

Was reizt Sie an der Marke FC Bayern?

Neue Projekte fordern mich heraus. Außerdem lebt ein Teil meiner Familie in München. Als dann die Anfrage von Uli Hoeneß kam, war ich schnell überzeugt. Die Verantwortlichen wollen hier Spitzenbasketball etablieren. Das fehlt dieser Stadt. Seit dem EM-Gewinn 1993 in der Olympiahalle habe ich immer darauf gehofft, dass hier etwas entsteht - und nun ist es endlich so weit. Ich möchte als Trainer einen Beitrag zu diesem neuen Basketball-Standort leisten.

Sie arbeiteten bei vielen europäischen Großklubs - ist der FC Bayern trotzdem Ihre schwierigste Herausforderung?

Ich hatte sehr schöne Zeiten in Rom, Valencia oder Barcelona. Dort haben wir in einem Jahr sogar das Triple gewonnen. Aber wenn Du morgens aufwachst, ist alles schon wieder Vergangenheit. Ich wollte mich weiter beweisen. Mir ist nicht so wichtig, wo ich arbeite, sondern eher was ich mache. Ich lebe von Motivation. Uli Hoeneß' Interesse hat mich sehr angespornt.

Der Präsident und die Fans erwarten in naher Zukunft die Meisterschaft. Wie realistisch ist das?

Ich spreche ungern über das, was kommt. Natürlich will ich dieses Unternehmen weiter entwickeln, aber zunächst zählt die Gegenwart. Die Erwartungen beim FC Bayern sind riesig, denn in diesem Verein ist man es gewohnt, zu gewinnen. Ich warne aber vor Übertreibungen, denn wir sind eine junge Basketball-Abteilung und haben noch nichts erreicht.

Hoeneß ist ein mächtiger Präsident, der wegen Misserfolgs zuletzt zweimal den Trainer rauswarf - wie gehen Sie mit dem Druck um?

Bayern ist einer der größten Fußballklubs der Welt. Und wenn einer Erfahrung darin hat, Erfolge zu planen, dann ist es Uli Hoeneß. Aber im Basketball sind wir erst in einer Entwicklungsphase. Natürlich stehen wir in der Pflicht, zu wachsen, am Ende gehören auch Titel dazu. Für diese Saison kam ich etwas zu spät nach München, um bei der Kaderplanung mitzuwirken, deswegen muss ich mich jetzt an die Gegebenheiten anpassen.

Sie sprechen viel von Entwicklung. Warum läuft Ihr Vertrag dann nur für eine Saison?

Das ist aus der Situation heraus entstanden. Nach einer Diskussion über alle Details mit den Verantwortlichen haben wir gemeinsam die Entscheidung so getroffen - und dann ging es sofort mit dem Training los. Es ging uns erst einmal darum, die derzeitige Lage zu verbessern. Weder Hoeneß noch ich wollten zu weit in die Zukunft denken.

Wenn es mit Ihnen keinen Erfolg gibt, könnte Ihr eigener Sohn (Marko Pesic ist Sportdirektor der Bayern-Basketballer, d. Red.) Sie entlassen. Ein komisches Gefühl?

Ich bin nicht abhängig von Erfolg. Es ist doch ein Glücksfall, dass ich hier mit meinem Sohn arbeiten kann. Für den Verein ist das sehr gut. Marko und ich verstehen uns blind, wir haben immer Verantwortung für das große Ganze übernommen, wenn wir zusammen tätig waren (beide wirkten bereits in Berlin und Rom, Anm.d.Red.). An erster Stelle stehen die Interessen des Vereins - unsere Aufgabe ist es jetzt, etwas Positives zu hinterlassen.

Zuletzt war der Bayern-Basketball oft statisch und langsam, seit Sie hier sind schafft das Team meistens 100 Punkte. Was läuft anders als unter Dirk Bauermann?

Als Trainer spreche ich über die Spieler, aber nicht über andere Trainer. Bauermann ist einer der erfolgreichsten Trainer in Deutschland. Jeder Trainer hat seine Philosophie - im Umgang mit den Spielern oder bei der Taktik. Ich bleibe meinen Idealen treu und bin mir bewusst, dass ich für die Jungs auf dem Feld zuständig bin und nicht sie für mich.

Anders gefragt: Warum klappte es in den vergangenen Spielen besser?

Ich will trotz dieser kleinen Erfolge realistisch bleiben. Es war wichtig, wieder Siege einzufahren. Die Spieler haben das gebraucht, denn vor allem die zwei Heimniederlagen zu Saisonbeginn haben dem Team wehgetan. Das Selbstbewusstsein war weg. Als es dann besser lief, gewannen die Jungs Vertrauen: Zu sich und ihrem Spiel und auch zu mir als Trainer.

Zu Beginn der Saison hieß es, die Spieler seien nicht richtig fit - wie kann das auf diesem Niveau sein?

Ich kann mich nicht beklagen. Als ich das Team übernahm, kam im Training und auf dem Feld eine sehr gute Reaktion von allen. Auch beim Konditionstraining zogen sie voll mit. Insofern es war es durchaus möglich, hier meine Vorstellungen umzusetzen.

Auch das Thema mangelnde Disziplin geisterte durch die Stadt.

Ich halte diese Geschichten für überbewertet. Klar waren da Sachen dabei, die mich als Verantwortlichen gestört hätten, aber wir dürfen nicht vergessen, dass Spieler des FC Bayern besonders im Fokus stehen. Wer das Bayern-Trikot trägt, kann in der Öffentlichkeit viel mehr falsch machen als andere, die vielleicht keiner kennt. Der FC Bayern hat knapp 190.000 Mitglieder, das zeigt die Popularität dieses Vereins - da wird genauer hingeschaut.

Die Fußballer des FC Bayern haben mit Lahm, Schweinsteiger oder Müller richtige Identifikationsfiguren - warum fehlen Ihnen diese noch?

Diese Jungs sind hier in der Gegend geboren, sie haben im Jugendbereich des Klubs mit dem Fußball begonnen. Schweinsteiger sagte einmal: Wir sind seit der Kindheit daran gewöhnt, zu gewinnen. Der Basketball-Abteilung fehlt diese Basis des Erfolgsdenkens. Vor zwei paar Jahren gab es hier nur eine Amateurabteilung. Und in so kurzer Zeit kannst du keinen Beckenbauer oder Nowitzki produzieren. Unsere aktuellen Spieler werden sich auf jeden Fall weiterentwickeln.

Wer aus Ihrem Team könnte eine solche Persönlichkeit werden? Nehmen wir Robin Benzing: Er ist einer der talentiertesten deutschen Basketballer, er hätte das Zeug zum Anführer. Generell bekommt bei mir jeder seine Chance - aber er muss auf dem Parkett glänzen, nicht vor dem Mikrofon. Ich kenne viele Spieler, die sich gut verkaufen, doch auf dem Feld sind sie keine Leistungsträger.

Dabei ist Kontinuität im deutschen Basketball schwer zu erreichen - in der BBL wechseln die Spieler häufig den Verein.

Naja, die deutschen Spieler sind da eher beständig - das Problem ist die Fluktuation bei ausländischen Profis. Bei den 18 Klubs geht es in der Liga mitunter nur ums Überleben, da ist keine Zeit für die Entwicklung von Talenten. Was mir fehlt, ist mehr Vertrauen in deutsche Akteure.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1560445
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/hum
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.