Süddeutsche Zeitung

FC-Bayern-Basketballer:"Es ist wichtig, unser Territorium zu markieren"

Geschäftsführer Marko Pesic spricht über die Euroleague-Saison, die Reboundschwäche, die neue Halle und die Zukunft von Derrick Williams.

Interview von Ralf Tögel

SZ: Herr Pesic, die FC-Bayern-Basketballer haben die K.-o.-Runde in der Euroleague verpasst, spielen am Freitag um 20 Uhr noch gegen Gran Canaria. Ist das mehr als eine lästige Pflicht?

Marko Pesic: Natürlich, es ist wichtig für Spieler, Verein und Fans, dass man das letzte Spiel zu Hause gewinnt, um die Saison mit einem positiven Gefühl zu beenden.

Es kann der 14. Sieg werden, so viele hat noch keine deutsche Mannschaft in der höchsten europäischen Spielklasse geschafft. Bedeutet Ihnen das etwas?

Wir wollen uns nicht mit anderen Teams vergleichen, sondern zusehen, dass wir besser werden. Diese Zahl sollte uns anspornen, sie nächstes Jahr zu überbieten.

Zwei Siege mehr und die Saison würde weitergehen, wie enttäuscht sind Sie?

Ich kann nicht wirklich enttäuscht sein, weil die Playoffs ja nie als Ziel ausgegeben waren. Ich verstehe, dass Spieler, Trainer, Fans oder auch Medien enttäuscht sind. Wenn man vier Fünftel der Saison voll im Playoff-Rennen ist, sind diese Erwartungen nur menschlich. Für mich war es nie ein Ziel, sie zu erreichen, ganz ehrlich. Das Problem mit dieser Euroleague ist, dass sie eine große Falle sein kann. Wenn man die Meisterschaft als Saisonziel ausruft und zu sehr an die Euroleague denkt, ist das gefährlich. Das erste Jahr war dazu da, Erfahrungen zu sammeln, Mannschaft, Trainer, der gesamte Verein. Das haben wir ziemlich gut gemeistert, finde ich.

Was hat für mehr gefehlt?

Vor allem Erfahrung. Nehmen wir das Spiel bei Vítoria Mitte Februar. Es war immer auf Messers Schneide, es ging um den direkten Vergleich und wir haben mit acht Punkten verloren. Zu Hause lagen wir kurz vor Ende mit 14 vorn, gewannen nur mit sechs Punkten. So ähnlich ging es uns mit allen Konkurrenten im Kampf um Platz acht, bis auf Mailand. Es geht also nicht nur darum, mehr Spiele zu gewinnen, sondern auch darum, wie du verlierst. Das müssen wir lernen und besser machen.

Die Auswärtsbilanz ist mit 4:11 Siegen auch nicht prickelnd.

Das ist der zweite Punkt, wir waren oft auswärts schon in der ersten Halbzeit so weit hinten. Wer in die Playoffs will, muss auswärts besser spielen.

Auffallend war die Reboundschwäche. Center Devin Booker ist lang ausgefallen. War es ein Fehler, keinen Ersatz zu holen?

Das wäre oberflächlich betrachtet die logische Konsequenz gewesen. Kaunas hatte aber auch Verletzungsprobleme, hat nicht nachverpflichtet, war zwischenzeitlich weit weg - und ist jetzt Achter. Mailand hat sehr teuer nachverpflichtet, ist nun Neunter. Was war richtig? Mir geht es auch um Teamchemie, um Vertrauen. Wir haben immer an unseren Kader geglaubt, trotz der Verletzungen. Ja, vielleicht hätten wir mit Booker das ein oder andere Spiel mehr gewonnen, aber ich glaube nicht, dass wir im Rebound besser gewesen wären. Unser Problem war, dass die gesamte Mannschaft rebounden muss, nicht nur die Großen.

Wie gegen Barcelona?

Genau, da hatte Djedovic mit sechs die meisten Rebounds, Jovic vier.

Also nicht einfach einen Turm mit 2,17 Meter Größe für vorne kaufen und alles wird gut? Tibor Pleiß vielleicht?

Ich glaube nicht, dass Pleiß ein besserer Rebounder ist nur aufgrund seiner Größe.

Aber es fehlt dem Team doch an Länge?

Das haben vor der Saison viele gesagt; gerade die spanischen Teams wie Baskonia, Barcelona, auch Real sind sehr groß. Aber ZSKA Moskau oder Fenerbahce sind nicht so groß. Im Rebound waren wir eine der schlechtesten Mannschaften, das stimmt, aber wir waren in anderen Bereichen gut.

Also hat der Trainer auf andere Dinge mehr Wert gelegt?

Wir haben im Rebound auch geschwächelt, weil wir andere Prioritäten hatten.

Die da wären?

Ich glaube, dass wir bis auf Derrick Williams keinen Superstar haben, der wirklich herausragt.

Der Amerikaner kam vor der Saison und hat die Erfahrung aus 428 NBA-Spielen.

Richtig, aber wir haben vor allem mannschaftlich in der Verteidigung ziemlich gut gespielt. Nicht konstant über die ganze Saison, aber ich finde, als Team sind wir eines der besten in der Euroleague. Die meisten Gegner haben mehr individuelle Qualität.

Wie zufrieden sind Sie mit Trainer Dejan Radonjic?

Das gesamte Trainerteam hat einen guten Job gemacht. Übrigens auch unsere medizinische Abteilung.

Spielmacher Stefan Jovic hat dennoch häufig verletzt gefehlt, hätte man die Schlüsselspieler gegen schwächere Gegner in der Bundesliga nicht schonen müssen?

Das gehört zu den wichtigen Erfahrungen. Darüber wird zu reden sein, das stimmt, das muss man analysieren. Wie es mit verletzungsanfälligen Spielern funktioniert, ob man den einen oder anderen auch mal zwei Spiele aussetzen lässt. Vielleicht war meine Ansage auch zu streng, dass die Bundesliga Priorität hat.

Dann sind also Verstärkungen nötig?

Wir haben nächstes Jahr zwei Teams und vier Spiele mehr in der Euroleague. Daher denken wir nach, auf den kleinen und großen Positionen mehr Tiefe zu haben.

Ein Point Guard und ein Center?

Ich mache das nicht an Positionen fest, aber ein kleiner und ein großer Spieler mehr könnten es sein. Wir werden den Kader verbessern. Außerdem muss das Ziel sein, dass die aktuellen Spieler einen Schritt nach vorne machen. Wenn man einen Maodo Lo für zwei Jahre holt, dann sollte man im zweiten auch einen Qualitätsunterschied sehen.

Also kein größerer Umbruch?

Das ist nicht unser Weg, jetzt sechs europäische Spitzenspieler zu holen.

Aber es ist das angestrebte Level?

Viele sagen, die Euroleague sei so anstrengend, so viele Spiele - trotzdem wollen alle dort spielen! Wir haben intern gesagt, wir wollen nicht heulen, sondern alle Energie in die Saison investieren, uns gut vorbereiten, immer nach vorne schauen. Es gab teilweise vier Spiele innerhalb von acht Tagen zu organisieren. Die starke mentale Einstellung im Verein, vom Backoffice über Trainer bis zu den Spielern, hat uns sehr geholfen. Wir haben es durchgezogen, nicht gejammert und alle waren immer motiviert.

Und bald kommt die neue Halle.

Sie wird uns einen neuen Schub geben, bedeutet viel für die Weiterentwicklung des Vereins. Aber sie kommt in zwei Jahren. Genau diese zwei Jahre sind entscheidend.

Warum?

Man kann doch jetzt nicht sagen, 2021 kommt die Halle und dann geht's los. Wenn die Halle steht, muss dieser Verein zu den Topklubs in Europa gehören. Erst wenn wir unter den Top Acht sind, macht diese Halle Sinn. Es muss eine Entwicklung Richtung Spitze geben, man muss die Arena ja auch füllen. Also sollten wir jetzt nicht zu viel davon reden - sonst vergessen wir, dass bis zu diesem Fernziel noch zwei sehr wichtige Spielzeiten vor uns liegen.

Apropos Zuschauer, etwas mehr als 5000 kamen im Schnitt, sind Sie zufrieden?

Wir haben sehr vorsichtig kalkuliert, deshalb sind wir über dem Plan.

Fenerbahce oder ZSKA Moskau sind im Fußball keine großen Namen, im Basketball schon. Haben die Zuschauer verstanden, welche Hochkaräter da kommen?

Wir mussten Erfahrungen machen, die Zuschauer natürlich auch. Man muss dem Publikum genauso die Gelegenheit geben, diese neue Bühne zu erleben und richtig zu bewerten, so tolle Teams mit Tradition und Klasse wie zum Beispiel Baskonia. Alles in allem finde ich, dass die Euroleague in München angekommen ist, die Zuschauer sie super angenommen haben.

Manchmal war die Halle nur halb voll.

Am Anfang wurden unser Team und andere nicht so bekannte Teams ein bisschen beäugt. Aber spätestens nach dem Sieg gegen Baskonia war die Unterstützung riesig.

Und dann der Sieg gegen den Tabellenführer Fenerbahce und gegen Barcelona, wie wichtig sind solche großen Erfolge?

Die Siege gegen Fenerbahce nach zweimaliger Verlängerung oder Barca in der letzten Sekunde waren unglaublich spannend und interessant. Auf den Sieg gegen Fenerbahce wurde man noch Wochen später angesprochen. Die Resonanz war enorm.

Und nun Braunschweig und Crailsheim . . .

. . . und es ist sehr wichtig, unser Territorium zu markieren. Wir wollen beweisen, dass wir in der Bundesliga die Besten sind. Wenn wir in Europa ein Topteam werden wollen, müssen wir in Deutschland kontinuierlich vorne sein. Auch deswegen ist die BBL dieses und nächstes Jahr so wichtig.

Für die Fußballer wäre ein Jahr ohne Titel ein Drama, für die Basketballer?

Keine Option, da denke ich gar nicht drüber nach. Ziel ist, den Titel zu verteidigen.

Die Fußballer haben 80 Millionen in einen Spieler investiert, sollte nicht auch für Sie mehr drin sein?

Wenn wir das Geld hätten, würden wir auch drüber nachdenken.

Sollten Sie mal mit Uli Hoeneß reden?

Wir reden viel. Aber viele denken so wie Sie. Ich habe kürzlich mit einem Berater gesprochen, der mich fragte, ob wir nicht eine Million für einen Basketballer ausgeben könnten, wenn der Verein 80 Millionen für einen Fußballer zahlt. Die Leute verstehen nicht, dass es zwei verschiedene Dinge sind. Auch Spieler sagen, warum kann ich nicht mehr Geld bekommen, wenn so viel da ist? Wir müssen ständig erklären, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Wir sind eine eigenständige Basketball-GmbH, die sich selbst tragen soll. Punkt. Wenn wir das Geld haben, werden wir darüber nachdenken, es auszugeben. Aber noch sind wir weit weg davon.

Wo liegt denn der Etat?

Wir planen ziemlich konservativ.

Man hört, etwas mehr als 20 Millionen.

Wenn wir Meister werden sollten, läge der Gesamtetat in diesem Bereich.

Wird er nächste Saison erhöht?

Ja.

Ist Derrick Williams zu halten? Das jüngste Gerücht sagt, Barcelona will ihn haben.

Hab ich gelesen und mich kaputtgelacht.

Dann gibt es Hoffnung?

Wir lassen ihn jetzt erst mal spielen, aber klar, wir reden immer wieder. Sollte er nicht in die NBA gehen und den Wunsch haben, nach Europa zurückzukommen, werden wir uns um ihn bemühen und unser Maximum geben. Aber wenn er dort bleibt und wir nach einem anderen Derrick Ausschau halten, bin ich sicher, dass dieser Derrick dem anderen sagen wird, dass er zu uns kommen soll. Das ist auch wichtig.

Also gibt es keine Chance, den alten Derrick zu behalten?

Eine Chance gibt es immer. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt. Man merkt aber, dass er sich hier sauwohl fühlt.

Es fällt auf, dass genau die elf Teams, die feste Euroleague-Mitglieder sind, vor dem FCB liegen. Uli Hoeneß sagt, er will schnellstmöglich Member werden.

Wir wollen uns das schnellstmöglich erarbeiten und haben auch ein sehr gutes Verhältnis zur Euroleague.

Die den FCB gerne nehmen würde.

Aber wir müssen auch so weit sein. Wenn die neue Halle da ist, müssen wir stabil unter den Top Acht in Europa sein. Es gilt nun, sehr konzentriert zu arbeiten - und das geht nicht ohne Bundesliga.

In Fußball und Handball gibt es Überlegungen zu einer großen, europäischen Liga, manche Klubs denken sogar darüber nach, die nationale Liga zu verlassen.

Davon halte ich gar nichts. Meine Meinung ist aber auch, dass die BBL zu groß ist, dass der Abstand zu den hinteren Plätzen immer größer wird. Eine Verkleinerung würde auch die zweite Liga stärken, wo im Übrigen seriöser Basketball gespielt wird.

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Quelle:
SZ vom 05.04.2019
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