Süddeutsche Zeitung

FC Bayern Basketball:"Das hat nichts mit Fairness zu tun"

Vor dem deutschen Pokal-Finale und vor den Euroleague-Playoffs entfacht der vielbeschäftigte FC Bayern eine emotionale Termin-Debatte - womöglich aber auch, um die eigene Mannschaft zu beflügeln.

Von Joachim Mölter

Dass er an diesem Samstag ein Heimspiel haben würde, wusste der Basketballprofi Paul Zipser noch, aber nicht, wo er in der Nacht davor schlafen sollte: zu Hause? Ein fragender Blick zum Medienchef der FC-Bayern-Basketballer, der gab Bescheid: im Hotel! Das machen die Münchner immer so, wenn sie am Endrunden-Turnier um den deutschen Pokal mitmachen, selbst dann, wenn sie es in eigener Halle ausrichten wie an diesem Wochenende. Wenn alle an einem Ort sind, vereinfacht das vieles, vor allem die dringend nötige Behandlung durch die Physiotherapeuten zwischen dem Halbfinale am Samstag und dem angestrebten Finale am Sonntag.

Es ist verständlich, dass Basketballer den Überblick verlieren in dieser von der Corona-Pandemie beeinträchtigten Saison, vor allem, wenn sie für einen deutschen Spitzenklub spielen wie den FC Bayern oder Alba Berlin. Die sind ja nicht nur national unterwegs, sondern auch international, in der Euroleague. "Das führt dazu, dass man manchmal denkt: Wo bist du eigentlich? Was machen wir gerade?", sagt Alba-Manager Marco Baldi. Für den FC Bayern ist das Pokal-Halbfinale am Samstag (16 Uhr) gegen Ratiopharm Ulm bereits das 68. Pflichtspiel in dieser Saison, Cupverteidiger Alba Berlin bestreitet gegen die BG Göttingen (19.30 Uhr/beide Partien frei empfangbar auf den Magentasport-Kanälen) sein 65. - aber die Berliner waren wegen etlicher Corona-Fälle 17 Tage in Quarantäne und sind mit den Nachholspielen in der Bundesliga noch nicht nachgekommen.

"Das hört sich jetzt alles super-dramatisch an", sagt Baldi, "aber das ist es nicht - wir freuen uns auf den Pokal." Beim FC Bayern war die Stimmung vor dem Wochenende indes ganz anders. "Ich weiß im Moment nicht, was Freude ist", sagte Trainer Andrea Trinchieri und verzog grimmig das Gesicht.

"Die Entscheidung ist eine Schande", schimpft FC-Bayern-Sportdirektor Daniele Baiesi

Der Italiener ärgert sich über die Terminierung der deutschen Pokal-Endrunde, weil sein Team bereits in der nächsten Woche im Euroleague-Viertelfinale antreten muss: Bei Olimpia Mailand stehen am Dienstag und Donnerstag die ersten beiden Partien einer Best-of-five-Serie auf dem Programm. Und weil die Münchner als erstes deutsches Team die K.-o.-Runde des höchsten europäischen Wettbewerbs erreicht haben, hätte sich Trinchieri dafür mehr Zeit gewünscht, für sich und seinen Trainerstab zur Vorbereitung, für seine Spieler zur Regeneration. Dass er die nicht bekam - "unglaublich", echauffierte er sich, versprach aber: "Wir versuchen, Energien zu finden, die wir nicht haben."

Laienhaft ausgedrückt erzeugt man Energie durch Reibung, Physik-Experten würden einwenden, dass man Energie nicht gewinnen kann, nur umwandeln, zum Beispiel Wärme- in Bewegungsenergie. So ungefähr mögen sie sich das jedenfalls gedacht haben beim FC Bayern, denn die sportlich Verantwortlichen reiben sich heftig an der Basketball-Bundesliga (BBL), in der offensichtlichen Hoffnung, dass daraus Energie in die müde Mannschaft fließt und sie beflügelt. Sportdirektor Daniele Baiesi redete sich regelrecht in Rage wegen des Termins. "Die Entscheidung ist eine Schande", schimpfte er, "sie ist dumm. Das hat nichts mit Fairness zu tun."

Fairnesshalber muss man aber sagen, dass die BBL den Pokal-Termin festlegte, bevor der FC Bayern als Playoff-Teilnehmer in der Euroleague feststand; und dass die Münchner als Ausrichter dieses Wochenende selbst im Angebot hatten. Geschäftsführer Marko Pesic war deshalb um Deeskalation bemüht: "Ich verstehe den Frust der sportlichen Führung, aber ich kritisiere die Liga nicht. Es ist gerade unheimlich schwer, die Wettbewerbe am Leben zu erhalten." Gleichwohl glaube er, dass ein anderer Termin möglich gewesen sei, einen konkreten nannte er jedoch nicht.

Ein noch späterer Termin "war uns zu heiß", sagt Liga-Chef Stefan Holz

"Es gab keinen anderen", versicherte BBL-Geschäftsführer Stefan Holz angesichts der Probleme, die unter diesen Corona-Umständen nicht nur die Basketballer haben. Früher habe man die ursprünglich bereits im November geplante, wegen etlicher ausgefallener und verlegter Partien aber verschobene Pokal-Endrunde jedenfalls nicht im Kalender untergebracht. "Wir haben eine Euroleague-freie Woche gebraucht, weil immer einer der beiden deutschen Klubs am Freitag gespielt hat", erklärte Holz, "und so viele Wochen gibt's da nicht." Und sich auf einen noch späteren Termin zu verlassen "war uns zu heiß", räumte er ein. Der BBL-Spielplan ist in den nächsten Wochen sowieso eng getaktet, die Playoffs müssen Mitte Mai beginnen, damit ein Meister ermittelt ist, ehe die Nationalmannschaft Ende Juni um die Olympia-Qualifikation kämpft. "Die Entscheidung ist nicht gegen den FC Bayern getroffen worden", sagt Alba-Manager Marco Baldi, "sondern in erster Linie im Eigeninteresse der Liga."

Und die betroffenen Spieler, was sagen die? "Wenn man so viele Spiele vor der Brust hat, fährt man am besten, wenn man nur auf das nächste schaut", sagt Paul Zipser. Man gewöhne sich an diesen Rhythmus, von Tag zu Tag zu planen: " Auch wenn nächste Woche noch was Cooles kommt - daran denkt man jetzt nicht. Wenn der Samstag vorbei ist, kommt der Sonntag."

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