FC Bayern Basketball:Che Guevara in Israel

Sport Themen der Woche KW38 Sport Bilder des Tages Bayern Munich s Vladimir Lucic (C) in action against Valencia Basket

„Er spricht vielleicht nicht so viel, aber ich bin glücklich über einen Spieler, der so seine Leistung sprechen lässt.“ – Trainer Trinchieri ist voll des Lobes über Vladimir Lucic (Mitte, in einem Testspiel gegen Valencia).

(Foto: Miguel Angel Polo/imago images)

Die Bayern gewinnen zum ersten Mal ein Euroleague-Spiel bei Maccabi Tel Aviv. Dabei zeigt die Mannschaft eine herausragende kämpferische Leistung - und die Handschrift von Trainer Andrea Trinchieri.

Von Ralf Tögel

Andrea Trinchieri spricht gerne in Bildern, was wohl zu einem guten Anteil seiner Herkunft zuzuschreiben ist. Italienisch ist ohnehin eine blumige Sprache, die Sprache der Liebe, großes Drama, geprägt von Literaten wie Dante Alighieri, Giovanni Boccaccio oder dem mailändischen Schriftsteller Alessandro Manzoni. Auch Trinchieri ist Mailänder, seine Einlassungen sind daher stets hörenswert - und sehenswert, siehe großes Drama, aber das nur am Rande. Weil Trinchieri der neue Trainer der Basketballer des FC Bayern ist, haben die Analysen diesbezüglich seit geraumer Zeit deutlich an Unterhaltungswert gewonnen. Als er etwa über die bevorstehende Saison sprach, verglich er seine Mannschaft mit einem Anzug: "Ich bin wie ein Schneider. Ich bekomme das Material, hoffentlich Seide oder Kaschmir, und muss daraus einen perfekten Anzug machen." Es werde hier und da am Anfang zwicken, er werde an manchem Schnitt etwas korrigieren müssen, aber irgendwann fühle man sich wohl im neuen Gewand. Um im Bild zu bleiben: Der neue Anzug des FC Bayern sitzt schon ganz ordentlich.

Dreimal waren die Münchner bisher gefordert, dreimal in der besten europäischen Liga, seit dem Mittwochabend ist die Bilanz positiv: Der 85:82-Triumph beim israelischen Serienmeister Maccabi Tel Aviv war nach dem 90:72-Erfolg beim nationalen Euroleague-Rivalen Alba Berlin der zweite auf fremden Parkett. Schon zum Auftakt im Heimgeisterspiel gegen hoch eingeschätzte Mailänder unterlagen die Münchner, im Vorjahr noch das zweitschlechteste Team im Reigen der europäischen Elite, erst nach Verlängerung sehr unglücklich mit 79:81. "Ich strebe nach Perfektion in einem unperfekten Spiel", noch so ein Satz von Trinchieri, der Einzug in eine Aphorismensammlung finden könnte und der ebenfalls im Vorfeld der Saison fiel. Entsprechend fiel die Analyse des Maestros in Tel Aviv aus: "Wir haben tonnenweise Fehler gemacht, zwischendurch hatte ich Kopfweh" - womit Trichieri aber nur auf die nervenaufreibende Schlussphase anspielte. In der Tat spielte sich da ein wildes Hin und Her in der Menora Mivtachim Arena ab, in der im Normalfall mehr als 10 000 Zuschauer ihr Team fanatisch antreiben; dieses Mal waren die Sitzschalen lediglich mit ein paar Pappkameraden garniert, was den Gästen vielleicht zupass kam in den hitzigen Schlusssekunden. Erst tippte Nick Weiler-Babb den Ball zum Gegner, dann ließ sich Paul Zipser den Ball klauen und fabrizierte noch ein unsportliches Foul, was Tel Aviv beim Stand von 80:84 zwei Freiwürfe und anschließenden Ballbesitz brachte - mit anderen Worten: eine passable Siegchance. Trinchieri nahm das Geschehen mit verschränkten Armen und an der Bande lehnend zur Kenntnis, von wegen großes Drama. Für gewöhnlich bringt den italienischen Trainer-Vulkan weit weniger Ungemach zu einem Ausbruch. Letztlich war es Zipser auch zu verzeihen, der mit 16 Punkten und einem Dreier mit der Sirene zum Ende des dritten Viertels zum 60:55 den vielleicht entscheidenden Impuls gesetzt hatte. Vielleicht ahnte Trinchieri in dem Moment aber auch, dass sein Team dank nimmermüdem Einsatz den Ball gleich wieder erkämpfen würde. Denn in der Defensivarbeit der Bayern blieb kaum etwas zu bemängeln. "Bei so einer Einstellung kann ich mit den Fehlern leben. Es gibt einfach keinen Ersatz für ein Team, das so über das Parkett fliegt", drehte der Coach seine Bewertung insgesamt ins Positive. Denn egal, wer auf dem Parkett stand, es wurde um jeden Ball gekämpft, immer wieder hechteten die Akteure nach dem orangenen Spielgerät, selten war eine Münchner Auswahl mit einem derart vorbildlichen Arbeitsethos auf dem Feld.

So gelang dem FC Bayern der erste Sieg in Tel Aviv, ein Triumph des Kollektivs über eine große Mannschaft, wie der Trainer befand, nur einen bedachte Trinchieri mit Sonderlob. Mit Worten, die seiner würdig sind: "Vladimir Lucic ist schon so lange im Verein, er ist unser Che Guevara. Er spricht vielleicht nicht so viel, aber ich bin glücklich über einen Spieler, der so seine Leistung sprechen lässt." Nun will Trinchieri nachdenken, wie er "frisches Blut für die Rotation" findet, denn schon an diesem Freitag steht der Vergleich mit Fenerbahce Istanbul an - jenem Klub, der den Bayern ihren Kapitän Danilo Barthel abgeworben hat. Die Türken haben wie der FC Bayern einige Veränderungen im Kader vollzogen und in Trainer Igor Kokoskov einen ehemaligen NBA-Chefcoach (Phoenix Suns) am Steuer - sie sind mindestens ebenso hoch einzuschätzen wie Maccabi.

Bevor die Münchner den eigens gecharterten Flieger Richtung Istanbul bestiegen, was zum einen Kräfte spart und zum anderen in Corona-Zeiten Sicherheit bedeutet, gönnte sich der Tross ein paar Bier - und einen guten Tropfen Rotwein. Für wen der war, ist nicht schwer zu erraten.

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