Basketball-PlayoffsGefangen im Viereck

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Kaum ein Durchkommen: Leandro Bolmaro (li.) und Carsen Edwards (nehmen Berlins Topscorer Matt Thomas in die Zange
Kaum ein Durchkommen: Leandro Bolmaro (li.) und Carsen Edwards (nehmen Berlins Topscorer Matt Thomas in die Zange (Foto: O. Behrendt/Contrast/Imago)

Der FC Bayern gewinnt das dritte Spiel der Finalserie auch deshalb mit 67:63, weil sie Albas besten Schützen Matt Thomas mit einer unüblichen Sonderbewachung irritieren. Am Freitag können die Münchner erstmals seit 2019 deutscher Meister werden.

Von Sebastian Winter

Kurz war ein Gähnen zu sehen bei Moritz Wagner, als ihn die Kameras einfingen, er war gemeinsam mit seinem Bruder Franz zum Spiel Alba Berlin gegen Bayern München gekommen. Aber aus Langeweile gähnte der Nationalspieler am Mittwochabend sicher nicht, eher noch, weil ihm die lange Saison und der Jetlag in den Knochen stecken. Die Wagners, bei Alba groß geworden, sind längst Basketball-Promis, sie spielen bei Orlando Magic in der NBA – und sind seit Sommer 2023 Weltmeister mit Deutschland. Weil sie in den NBA-Playoffs ausgeschieden sind, statten sie Berlin derzeit einen Heimatbesuch ab. Auch, um ihr neues Buch, das ihre Mutter Beate geschrieben hat, vorzustellen. Und was bot sich da besser an als ein Besuch des dritten Playoff-Finalspiels zwischen ihrem einstigen Klub und den Bayern?

„Glanz in ihren Augen“, so heißt das Buch, dessen Titel allerdings gerade wenig tauglich ist, um das Spiel der Berliner zu beschreiben. Vielmehr harrten die von Verletzungen geplagten Profis unmittelbar nach der 63:67 (28:31)-Heimniederlage gegen den FC Bayern eher mit leerem Blick auf dem Feld aus, die mehr als 11 300 Zuschauer in der Uber-Arena waren fast verstummt. Berlins Fans wie Spieler ahnten da schon, dass sie eine riesige Chance verpasst hatten, in der Best-of-five-Serie mit 2:1 in Führung zu gehen und am Freitag (18 Uhr) in eigener Halle Deutscher Meister zu werden. Nun haben die Bayern den ersten Matchball – und in einem möglichen fünften Spiel den Heimvorteil, sollte Berlin diesen Matchball abwehren.

Mit 67 Punkten ein Spiel zu gewinnen – in der Welt der Wagner-Brüder kommt so etwas eigentlich nicht mehr vor. In der NBA sind längst Ergebnisse jenseits der 100 Punkte der Standard, die Duelle sind oft reine Offensivspektakel ohne viel Fokus auf die Abwehr. Doch in der Bundesliga, das zeigt auch dieses Finale, dessen erste Spiele 79:67 (für die Bayern) und 79:70 (für Alba) endeten, ist die Defense das Schlüsselelement. Nicht ohne Grund sagte Münchens Center Serge Ibaka nach dem ersten Finalspiel: „Defense wins championships“, die Defensive gewinnt Meisterschaften.

Tief enttäuscht: Alba hat am Freitag nun Matchball gegen sich, die Bayern können dann erstmals seit 2019 deutscher Meister werden.
Tief enttäuscht: Alba hat am Freitag nun Matchball gegen sich, die Bayern können dann erstmals seit 2019 deutscher Meister werden. (Foto: O. Behrendt/Contrast/Imago)

In Berlin, auch das war ein Baustein des Münchner Sieges in einem harten und heftig umkämpften Spiel, ließ Bayern-Trainer Pablo Laso dann auch noch eine taktische Variante spielen, die sonst eher selten zur Aufführung kommt: eine sogenannte Box-and-one-Verteidigung, in der vier Spieler in einem beweglichen Viereck die Zone für den Gegner verschließen – und der fünfte als Manndecker vor ihnen agiert. Das Ziel ist es, einen herausragenden Spieler des Gegners damit aus dem Spiel zu nehmen.

Matt Thomas heißt dieser Spieler bei Berlin, der Shooting Guard ist seit Wochen in bestechender Form. Doch seine Künste von der Dreipunktelinie blühten erst in der zweiten Halbzeit auf. Auch weil ihn „Manndecker“ Carsen Edwards in den ersten beiden Vierteln enervierend beschattete. „Sie haben einen guten Job gemacht“, lobte der spätere Topscorer Thomas, der ohne diese spezielle Bewachung wohl wesentlich mehr als 17 Punkte erzielt hätte – und zeigte sich so überrascht wie das gesamte Alba-Team: „Man sieht das Box-and-one nicht so häufig auf diesem Level, für uns war es das erste Mal in der gesamten Saison. Wir haben das nicht gut gemacht in der ersten Hälfte, und darüber werden wir morgen zu reden haben.“

So gingen die Bayern mit einer knappen 31:28-Führung in die Halbzeitpause, danach befreite sich Thomas etwas aus seinen Fesseln, ihm gelangen neben seinen Punkten noch drei Assists und vier Steals. Doch bei den Münchnern hatte diesmal auch Andreas Obst einen guten Tag nach seinem punktlosen Spiel vor zwei Tagen: Der Weltmeister traf vier seiner sieben Dreier. Auch Nick Weiler-Babb überzeugte als extrem mannschaftsdienlicher Spieler, nicht nur in der Defense, in der er einer der wichtigsten Pfeiler ist.

Giftig waren die Münchner diesmal, im positiven Sinne, sie wussten, worum es in dieser dritten und richtungsweisenden Partie ging – nach der Schmach aus dem Montagsspiel. Nicht nur die Genannten hatten das verinnerlicht, sondern das gesamte Team. Und der im zweiten Finalspiel noch eher enttäuschende Edwards bot dann auch in der Offensive noch einen Schlüsselmoment. Sein schwerer Dreier fand 66 Sekunden vor Schluss zum 65:61 ins Ziel. Alba vertändelte die Zeit danach mit Fouls und Ballverlusten. „Wir haben viel Intensität und Energie gesehen, das spricht für die Spieler“, sagte Münchens Trainer Pablo Laso später. Einen Schritt ist der Spanier nun noch von seiner ersten deutschen Meisterschaft entfernt – es wäre die erste für die Bayern seit 2019.

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