FC Bayern in Augsburg:"Die Gegentore waren Wahnsinn"

Spieler des FC Bayern München nach dem Spiel gegen den FC Augsburg

Vor dem Duell an der Anfield Road herrscht beim FC Bayern Redebedarf.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Von Maik Rosner, Augsburg

Die Szenerie kurz nach dem Schlusspfiff wirkte freudig, fast ausgelassen. Arm in Arm hatten sich die Spieler des FC Bayern aufgereiht vor ihren mitgereisten Anhängern, die sich bereits für den Europapokal einsangen. Die Münchner Kicker hüpften dazu im Takt und ließen sich bei der Einstimmung auf das Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Liverpool am Dienstag auch für jenen Auswärtssieg feiern, der sie zumindest vorübergehend bis auf zwei Punkte an den Tabellenführer Borussia Dortmund herangebracht hatte.

Was am Freitagabend aussah, als beschließe der FC Bayern seine kurze Dienstreise zum kleinen Nachbarn FC Augsburg in freudiger Erwartung auf das große Kräftemessen in Europa, ging allerdings beinahe als hübsch inszeniertes Täuschungsmanöver durch. Denn die beschwingte Einlage vor den Fans nach dem 3:2 (2:2)-Sieg beim FCA wirkte eher wie der Ausdruck von Erleichterung, sich immerhin ein gänzlich missratenes Vorspiel erspart zu haben.

"Das darf uns am Dienstag nicht passieren", sagte Innenverteidiger Niklas Süle später über jene Turbulenzen, in die die Münchner bei dem personell arg geschwächten Abstiegskandidaten geraten waren. Die Erkenntnis des Abends war auch von seinen Kollegen und seinem Trainer Niko Kovac in ähnlichen Worten zu vernehmen. Entwarnung gab es am Samstagvormittag hinsichtlich der Verletzung von Kingsley Coman. Der zweifache Torschütze habe sich nicht schwerwiegend am Fuß verletzt und sei "eine Option" für das Spiel in Liverpool, teilte der FC Bayern nach einer genaueren Untersuchung mit. Kovac hatte die Wichtigkeit des Franzosen nach dem Sieg in Augsburg hervorgehoben: "Mit ihm haben wir eine ganz andere Dynamik und Spielkonzeption."

Lücken hinter Kimmich

Eine Bestärkung hatte der kurze Ausflug zum FCA eigentlich werden sollen. Doch schon nach 13 Sekunden musste der von Kovac in Auftrag gegebene Sieg ohne Gegentor storniert werden - bezeichnenderweise durch das schnellste Eigentor der Bundesligageschichte. Vom Anstoß weg hatten sich die Augsburger zur Führung kombiniert und dabei die Münchner Defensive auf fast schon groteske Weise entblößt. Dass Leon Goretzka die Hereingabe von Philipp Max, der Joshua Kimmich im Rücken weit enteilt war, mit dem Schienbein ins eigene Tor lenkte, fügte sich ins Bild der chronischen Anfälligkeit der Münchner Defensive. Keines ihrer sechs Spiele 2019 haben sie ohne Gegentor beenden können, zehn Mal landete der Ball allein in diesen Partien schon in ihrem Tor. Wie auch kurz nach Comans zwischenzeitlichem Ausgleich (17.), als Dong-Won Ji eine weitere ziemlich ungestörte Hereingabe von Max verwertete (23.).

"Die Gegentore waren Wahnsinn", sagte Kapitän Manuel Neuer, der nach seiner Daumenverletzung vor gut zwei Wochen ins Tor der Bayern zurückgekehrt war. "Nicht nach unseren Vorstellungen" sei der Abend verlaufen, sagte der eingewechselte Thomas Müller und befand, man habe "manche Missstände bei den Gegentoren erkennen können", darunter einen "Mangel an Aufmerksamkeit". Auch Kovac wirkte mittelschwer verstimmt und stellte die Frage, ob sich aus seiner möglichen Startelf für Liverpool in Augsburg jemand herausgespielt habe, vorsichtshalber für eine Nacht zurück.

Kovac steht vor einer kniffligen Aufgabe

Doch auch so legten seine Einlassungen nahe, eigentlich mehrfach wechseln zu müssen. "Nach zehn Sekunden liegt man 0:1 hinten - das ist alles andere als gut", sagte Kovac und blickte auf gefühlt drei Augsburger Torschüsse zurück, von denen zwei ihr Ziel gefunden hätten. Er bilanzierte: "Das ist das, was uns durch die gesamte Saison verfolgt." In Liverpool müsse seine Belegschaft "eine ganz andere Einstellung zeigen" und ähnliche Unaufmerksamkeiten in der Defensive unterbinden. "Wenn wir da anfangen, die drei laufen zu lassen, dann befinden wir uns alle paar Minuten in einer brenzligen Situation", ahnt er. Gemeint war Liverpools rasantes Offensivtrio Mohamed Salah, Sadio Mané und Roberto Firmino. Eigentlich hatte seine vorherige Antwort auf die Frage, was in Liverpool besser werden müsse, schon alles erzählt über seine Gemütslage - vielleicht sogar über seine Furcht vor einem Debakel. "Alles", hatte Kovac so knapp wie präzise gesagt. Wirklich milde stimmen konnte ihn der noch errungene Arbeitssieg durch die weiteren Tore von Coman (45.+3) und David Alaba (53.) nicht, zumal auch in der etwas souveräner geführten zweiten Hälfte der Eindruck Bestand behielt, dass Augsburg durchaus für ein drittes Tor in Frage kommen könnte.

Es ist vor allem eine Bestätigung der übergeordneten Erkenntnis aus der ersten Saison unter Kovac gewesen, die in Augsburg zu bestaunen war. Als konstant instabil lässt sich diese Erkenntnis auch nach der letzten Versuchsanordnung vor der Reise zu Jürgen Klopps Umschaltspezialisten des FC Liverpool umschreiben. Wirklich hoffnungsfroh konnte es die Münchner Gemeinde auch nicht stimmen, dass Kovac hinterher nur seinen Kollegen und Sitznachbarn aus einer Trainer-Fortbildung des Deutschen Fußball-Bundes ausführlich loben wollte oder konnte. Manuel Baum habe immer wieder gewechselt, sagte Kovac anerkennend zu den taktischen Interventionen des Augsburger Trainers, "das zeigt sein Fachwissen. Er hat uns immer wieder vor Aufgaben gestellt". Das galt auch für jenen einstudierten Spielzug vor dem schnellen 1:0, mit dem Baum die Schwachstellen der Anordnung von Kovac umgehend aufdeckte.

Nun steht Kovac vor der kniffligen Aufgabe, den gerade wohl erfolgreichsten deutschen Trainer, Klopp, in einen Denksport zu verwickeln, an dessen Ende aus Münchner Sicht der Einzug ins Viertelfinale stehen soll. Ohne Coman wäre dafür eine Formation mit dem gealterten Flügelartisten Franck Ribéry auf der linken Seite denkbar, was vor allem Ribéry für eine sehr gute Idee halten dürfte. Möglich wäre aber auch, Javier Martínez als Stabilisator ins defensive Mittelfeld zu stellen, Thiago Alcántara und Goretzka vorzuziehen und James Rodríguez auf der linken Seite zu postieren.

Doch wohl noch wichtiger als die Startelf dürfte sein, so sah es jedenfalls unter anderem Alaba, das Gesamtkonstrukt zu verdichten. "Mehr Stabilität als Mannschaft", mahnte der Linksverteidiger an, man müsse "kompakter auftreten", die "Räume enger" machen und "aggressiver" zu Werke gehen. Auch das klang in dieser Saison ziemlich vertraut und nicht wirklich nach freudiger Erwartung. Ebenso wie bei Süle, der wohl mehr seine Hoffnung als seine unerschütterliche Zuversicht vortrug. Alle, sagte er, freuten sich riesig auf das Spiel an der Anfield Road: "Das ist eine Wahnsinnschance, zu zeigen, was für eine Mannschaft wir sind. Wir können ein Zeichen setzen, dass mit uns zu rechnen ist."

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