Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Applaus für alle

Bei der Hauptversammlung des FC Bayern regiert die Harmonie. Trainer Louis van Gaal wird bejubelt, die Basketballer ebenfalls - und sogar für Christian Lell gibt es Applaus.

Andreas Burkert

Uli Hoeneß spricht noch nicht sehr lange, aber jetzt hat er erstmal Pause. Denn es brandet starker Applaus auf in der Olympiahalle, die meisten der 2807 Besucher erheben sich, nicht wenige rufen den Vornamen des Mannes, der nun ebenfalls aufsteht und winkend grüßt: "Louuuis!"

Es ist so gekommen, wie es Louis van Gaal vorhergesagt hat, man werde ihm und seinen Spielern zujubeln, hatte der niederländische Fußballlehrer vor der Hauptversammlung des FCBayern gemutmaßt. Der Versammlungsleiter Hoeneß schaut vorn am Rednerpult über seine Lesebrille hinweg und sieht sich das an, wie van Gaal mehr als wohlwollend empfangen wird nach der namentlichen Begrüßung des Präsidenten, der sich zuletzt doch recht heftig mit dem Trainer angelegt hatte.

Damit ist der Trend früh vorgegeben für das alljährliche Familientreffen der Bayern. Brisante Punkte stehen nicht auf der Tagesordnung, doch auf die Zwischentöne ist sicher auch Hoeneß gespannt gewesen angesichts der Probleme und Spannungen, mit denen sich der Rekordmeister durch das erste Drittel der neuen Saison geschleppt hat. Zuletzt haben sich die Charakterköpfe aus der Führungscrew und der von der Trainerbank ausgesprochen und wieder angenähert; dass die Klubbasis van Gaals Arbeit weiterhin goutiert, obwohl die Mannschaft momentan nur Tabellenfünfter ist, dürfte die Lage weiter entspannen.

"Müssen in Champions League"

In diesem Sinne sind auch die Einlassungen von Karl-Heinz Rummenigge zu verstehen, der Chef der FC BayernAG bedankt sich "ausdrücklich" bei van Gaal für die zurückliegende Erfolgssaison. Die aktuelle Lage nennt er betont "eine Momentaufnahme", dann widmet er sich dem Trainer. Ein außergewöhnlicher Coach sei das, "aber auch ein besonderer Charakter mit hoher Emotionalität, und manchmal macht das die Dinge auch nicht ganz einfach mit ihm". Die Leute schmunzeln über die dezente Spitze. Doch Günter Netzer habe neulich betont, fährt Rummenigge fort, "dass die schwierigen Trainer die erfolgreicheren sind" - und auch er bevorzuge diese Kategorie. "Als Feierbiest hat man natürlich die Verantwortung, dass auch im nächsten Jahr wieder gefeiert wird, dementsprechend: Leg' los!", ergänzt Rummenigge fordernd, ohne jedoch seinen launigen Grundton zu vernachlässigen. Er sei sich ganz sicher, "dass wir mit Louis noch viele Titel gewinnen werden".

Vorweihnachtliche Harmonie, so geht das den ganzen Abend. Applaus für die Schachspieler, Kegler und Kunstturner, für die Sekretärin, die das Protokoll führt, für die Basketballer um Trainer Dirk Bauermann, die vollzählig anwesend sind, für Karl Hopfners Rekordbilanz, vor allem aber für den Verkauf des Profifußballers Christian Lell nach Berlin. Nichts trübt die heimelige Bayern-Welt, Pfiffe gibt es nur, als im Einspielfilm der frühere Spieler und Trainer Klinsmann zu sehen ist und als der Name eines örtlichen Zweit- ligisten fällt, über den Rummenigge sagt, man habe diesem in der Arena seit 2006 neun Millionen Euro Mietminderung gewährt: "Für ihre finanziellen Probleme sind die Löwen selber verantwortlich."

Damit ist der Weg endgültig bereitet für Hoeneß, der erstmals seit seinem Wechsel vom Managerposten ins Ehrenamt als Sitzungsleiter fungiert und jetzt seine programmatische Rede hält. Die Lesebrille lässt er am Tisch zurück, Hoeneß spricht frei. Der Präsident streift all jene Themen, die auch Rummenigge aufgriff, doch mit seiner emotionalen Art trifft er mehr den Nerv des Vereinsvolks. Der erste Jubelsturm ("Uli!") bricht los, als er sich Bastian Schweinsteiger zuwendet, den sie hier vor einem Jahr noch ausbuhten und der inzwischen zu den begehrtesten Transferobjekten zählt.

"Für den Verein ist es unglaublich wichtig, dass du bei Bayern München bleibst!", ruft Hoeneß dem Nationalspieler zu, der wie van Gaal und die anderen Teamkapitäne Mark van Bommel und Philipp Lahm ganz vorne in Reihe eins sitzt. Jubel, Applaus, alles erhebt sich.

Auf van Gaal lässt Hoeneß diesmal nichts kommen. "Wir werden dir alle Unterstützung geben", verspricht er und ermuntert den Coach, "auch in dieser scheinbar aussichtslosen Situation nicht aufzugeben und bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen", um den Titel. Sollte es anders kommen, wird auch Hoeneß damit leben, nur eines gibt der Präsident vor: "Wir müssen uns für die Champions League qualifizieren, egal wie", schließlich finde das Finale 2012 in München statt, "und da müssen wir dabei sein." Donnernder Applaus, schon wieder.

Danach sind van Gaal und seine Spieler entlassen, aber Hoeneß lässt es sich nicht nehmen, sich in große Gefahr zu begeben, um den Schulterschluss zu demonstrieren: Hoeneß beugt sich hinunter vom Podium, er hat etwas Mühe, das Gleichgewicht zu halten, aber dann erreicht er sie doch sicher, van Gaals ausgestreckte Hand.

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SZ vom 01.12.2010/jüsc
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