Süddeutsche Zeitung

FC Bayern II:Spielzeit für die Rohdiamanten

  • Der FC Bayern München II steht in der Regionalliga Bayern auf Platz eins - und hat zwölf Punkte Vorsprung auf den ersten echten Verfolger, da der Zweitplatzierte Eichstätt sein mögliches Aufstiegsrecht nicht wahrnehmen will.
  • Der wichtigste Grund für die Überlegenheit ist die Geschwindigkeit, die jetzt im Kader steckt.
  • Beim 3:0 gegen Ingolstadt liefen Wooyeong Jeong, 19, und der explizit für den Profikader geholte Alphonso Davies, 18, ihren Gegenspielern schlicht davon.

Von Christoph Leischwitz

Trainer Holger Seitz will das auf gar keinen Fall so sehen, aber der erste Regionalliga-Eindruck des FC Bayern München II in diesem Kalenderjahr ist nun einmal dieser: Da brennt nichts mehr an. Die U 23 des Rekordmeisters hat nach dem jüngsten Sieg gegen den FC Ingolstadt II (3:0) nun zwölf Punkte Vorsprung auf den ersten echten Verfolger, da der Zweitplatzierte Eichstätt sein mögliches Aufstiegsrecht nicht wahrnehmen will. Am Freitagabend kann Bayern im nächsten Heimspiel nachlegen, gegen den SV Schalding-Heining.

Es gibt viele weitere Gründe, warum eine erfolgreiche Aufholjagd der Verfolger noch unwahrscheinlicher geworden ist. Ein Beispiel: Beim FC Memmingen haben sie einen ihrer wichtigsten Spieler verloren. An den FC Bayern. Jannik Rochelt war in der ganzen Liga begehrt, die Bayern waren offensichtlich am schnellsten. In seinen ersten 21 Minuten für den neuen Klub hinterließ er einen guten Eindruck, Trainer Seitz sagt, er sei aufgrund der Trainingseindrücke nur knapp an einem Startelf-Einsatz vorbeigeschrammt.

Auch die Defensive wirkt sehr reif: Lars Lukas Mai und Maxime Awoudja spielten in der Innenverteidigung, weil Routinier Nicolas Feldhahn im defensiven Mittelfeld aushalf. Abgesehen von einer kurzen Schwächephase wirkte das Gefüge stabil.

Jeong und Davies laufen den Gegenspielern leicht davon

Der wichtigste Grund für die Münchner Überlegenheit ist allerdings die Geschwindigkeit, die jetzt im Kader steckt. Wooyeong Jeong, 19, und Alphonso Davies, 18, liefen ihren Gegenspielern schlicht davon und bereiteten der Ingolstädter Abwehr größte Probleme, Jeong gelang gar ein Hattrick. Der Profi Davies wirkte vor allem fleißig - das war in der Vergangenheit nicht immer so bei jungen Profis, die an der Grünwalder Straße antreten mussten. "Ah, gut zu wissen", antwortete der Kanadier Davies grinsend als er hörte, dass einer seiner Gegenspieler immerhin der Bundesliga-erprobte Marvin Matip war, der bei den Ingolstädter Zweitliga-Profis nicht mehr berücksichtigt wird.

Bleibt die Frage: Wen darf Seitz einsetzen, wenn es darum geht, den Aufstieg endlich fix zu machen? Die größte Hürde dabei dürfte der VfL Wolfsburg II sein. Schon im vergangenen Jahr wurde ausgelost, dass die Regionalliga Nord und Bayern einen Aufstiegsplatz ausspielen werden. Der VfL tritt im Norden ähnlich dominant auf, ist am Montag ebenfalls erfolgreich gestartet und hat neun Punkte Vorsprung.

Nach aktuellem Stand dürfte im Mai das Duo Jeong/Davies zusätzlich zur Regionalliga-überqualifizierten Sturmspitze Kwasi Wriedt (13 Tore) für die entscheidenden Partien zur Verfügung stehen. Zwar betonte Seitz am Sonntag: "Die Idee dahinter war, Alphonso ein Spiel über 90 Minuten zu geben, das war schon länger mal angedacht." Wohl auch, weil er diese 90 Minuten am Stück bei den Profis nicht bekommt. Das ist insofern beachtenswert, weil Davies explizit für den Profikader gekauft wurde.

Noch in der Winterpause hatte Cheftrainer Niko Kovac gesagt, bei Davies handle es sich um einen "Rohdiamant", der "mit Sicherheit nicht für die zweite Mannschaft vorgesehen ist". Dann kam Davies Ende Januar gegen den VfB Stuttgart erstmals ins Spiel, für vier Minuten, bei seiner Einwechslung schwenkte ein Fan auf der Tribüne eine Kanada-Fahne. Es folgten 13 Minuten gegen Leverkusen, eine Minute gegen Schalke, doch jetzt weht in Fröttmaning wohl erst mal keine kanadische Flagge mehr. Voriges Wochenende sagte Kovac, es werde immer erwartet, dass neue Spieler Bäume ausrissen; stattdessen müsse man ihnen Zeit geben, das täte allen Talenten gut.

Das Niveau beim Nachwuchs des FC Bayern ist hoch wie lange nicht, was nicht allein an Jeong und Davies liegt. Auch Leihgaben wie jene von Adrian Fein (zu Jahn Regensburg) und Franck Evina (zu Holstein Kiel) in die zweite Liga zeigen das - zumal gleichzeitig das eigene Leistungsniveau nicht abzusacken scheint. Und trotzdem scheint die Lücke zu den Profis fast genauso unüberwindbar wie unter Pep Guardiola oder Carlo Ancelotti zu sein.

Kovac vermittelte zuletzt den Eindruck, als wolle er nur in höchster Not auf Nachwuchsspieler zurückgreifen. Dabei war er noch zu Beginn seiner Amtszeit relativ oft im Grünwalder Stadion anzutreffen. Und so scheinen auch die weiteren Spieler mit Profiverträgen - Mai, Awoudja, Meritan Shabani - fürs Saisonfinale der U23 gesetzt zu sein.

Am Campus des FC Bayern ist man sich unterdessen einig: Viele Spieler im aktuellen Kader der U 23 sind schon zu gut, um ihnen mit der dritten Liga oder gar der Regionalliga Bayern - falls es mit dem Aufstieg nicht klappt - eine Perspektive bieten zu können. Die Chancen für den Aufstieg stehen gut wie schon lange nicht mehr, die Bayern würden dann höchstwahrscheinlich auch als einziger Verein eine zweite Mannschaft in der dritten Liga stellen. Dort müssten sie sich dann aber wohl zu einem großen Teil mit Fußballern behaupten, die aktuell noch in der U 19 spielen.

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SZ vom 27.02.2019/chge
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