Philipp Lahm beim FC Bayern:Alles, was rechts ist

Philipp Lahm beim FC Bayern: Spielt dort, wo ihn der Trainer hinstellt: Philipp Lahm bei der China-Reise

Spielt dort, wo ihn der Trainer hinstellt: Philipp Lahm bei der China-Reise

(Foto: AFP)
  • Der Weltmeister Philipp Lahm sieht sich beim FC Bayern am liebsten im Mittelfeld.
  • Aber Trainer Guardiola kann ihn bei den Bossen nicht als reinen Mittfeldspieler duchsetzen.
  • Lahms Schicksal ist es, dass er den Menschen als Mittelfeldspieler bisher weniger unvergessliche Fernseh-Momente hinterlassen hat.

Von Christof Kneer

Der FC Barcelona hat in diesem Sommer dringend einen Rechtsverteidiger gesucht. Die Scouts des Champions-League-Siegers haben sich in Flugzeuge gesetzt und alle Städte abgeflogen, in denen Stadien im Stadtplan verzeichnet sind, und in diesen Stadien haben sie sich alle Fußballspieler angeschaut, die hinten rechts herumlaufen.

Im Aktenkoffer führten die Scouts einen präzise definierten Auftrag mit sich: Sie sollten einen Nachfolger für Dani Alves finden, dessen spektakuläre Flankenläufe seit Jahren darüber hinwegtäuschen, dass er im Grunde nur das halbe Spiel beherrscht. Dani Alves ist ein Offensivverteidiger, mit Betonung auf offensiv. Was in seinem Rücken passiert, interessiert den Künstler oft nur am Rande, und in Barcelona gehen sie davon aus, dass ein Künstler, der 32 ist, das seriöse Fach auch nicht mehr lernen wird. Deshalb die Scouts, deshalb die Flugzeuge.

Eines der Flugzeuge ist im Juni übrigens zur Copa América geflogen, und aus Chile brachten die Kundschafter eine interessante Neuigkeit mit: Der beste Rechtsverteidiger dieser Titelkämpfe, hielten sie fest, sei ein Spieler namens Dani Alves gewesen. Es war dieselbe Erkenntnis, die auch Michael Reschke gewonnen hatte, der Technische Direktor des FC Bayern.

Man kann die Recherchen der Späherbranche so zusammenfassen: Dani Alves ist nicht perfekt, gehört aber immer noch zu den besten Rechtsverteidigern. Denn den perfekten Rechtsverteidiger gibt es ja nicht, außer natürlich Philipp Lahm.

Lahm, 31, ist der beste Rechtsverteidiger der Welt, und vielleicht wäre er auch der beste Linksverteidiger, wenn er diese Rolle auch noch spielen würde. Für Lahm ist es grundsätzlich keine schlechte Sache, dass er so gut Fußball spielen kann, aber manchmal ist es auch ein Problem. Manchmal ist er zu gut für nur eine Position.

Philipp Lahm könnte sie ja alle haben. Bloß halt nicht alle gleichzeitig.

Lahms Verein, der FC Bayern, hat zuletzt ebenfalls einen Rechtsverteidiger gesucht, aber am Ende allen Suchens stand die Einsicht, dass sie ihn vielleicht schon gefunden haben. Warum sollten sie wie Real Madrid 30 Millionen für den Brasilianer Danilo vom FC Porto ausgeben, der ebenfalls ein sog. Offensivverteidiger ist? Welchen Grund sollte es geben, wie Manchester United etwa 20 Millionen in den Defensivverteidiger Matteo Darmian vom AC Turin zu investieren? Beide Spieler haben die Bayern gründlich studiert, aber am Ende haben sie kein Angebot abgegeben. Sie haben hinten rechts ja den sehr ordentlichen Rafinha. Und Philipp Lahm.

Wo Lahm spielt, das ist eine Frage, die die Bayern noch beschäftigen dürfte. Trainer Pep Guardiola findet, dass Lahm der idealtypische moderne Mittelfeldspieler ist, mit geradezu militanter Ball- und Passsicherheit und einem Orientierungsvermögen, das ihn auch nicht verlässt, wenn der Ball hinter seinem Rücken herumfliegt. Lahm findet, dass Guardiola ein Fachmann ist und ziemlich Recht hat. "Sie wissen doch, wo ich am liebsten spiele", hat er auf der China-Reise einem Reporter geantwortet. Die Frage hatte sich nach einem Testspiel gegen Valencia aufgedrängt, in dem Lahm leider zwei Tore vorbereitet hatte wie ein idealtypischer Flügelflitzer.

Im Zentrum steuert Lahm mit leiser Souveränität

Guardiola und Lahm sind sich einig, dass Lahm ein Mittelfeldspieler ist. Der Rest des FC Bayern geht aber mit großer Mehrheit davon aus, dass es sich bei Lahm weiter um einen Außenbahnspieler handelt. In den Planspielen der Funktionäre deckt Lahm mit Rafinha den Bedarf auf der rechten Seite ab und ist nebenbei eine Option fürs Zentrum. Lahm schmeckt das nicht so sehr, denn in den Planspielen von Guardiola und Lahm ist es umgekehrt.

Es könnte Lahms Schicksal bleiben, dass er als Außenverteidiger konkurrenzlos ist. Auf dem internationalen Transfermarkt sei diese Position derzeit "ein großes, schwarzes Loch", sagt Bayerns Vielflieger Reschke; eine Nische, in der sich ein Rechtsverteidiger auf Bayern- oder Barcelona-Niveau versteckt, ist zumindest in den aktuell gängigen Weltkarten nicht verzeichnet. Da fällt es den Bayern deutlich leichter, Spieler wie den wilden Chilenen Arturo Vidal aufzutreiben, der im Kader jene Zentral-Planstelle besetzen soll, die Bastian Schweinsteiger gerade geräumt hat.

Er habe natürlich seine Vorlieben, aber er spiele da, wo er der Mannschaft am meisten helfe - diesen Satz hat der mannschaftsdienliche Weltmeister in seiner Karriere wohl häufiger sagen müssen, als ihm lieb war. Lahm ist ein wendiger und dribbelstarker Bursche, aber an den großen Bildern und Legenden seines Sports kommt selbst er nicht vorbei. Sein berühmtes Tor gegen Costa Rica bei der WM 2006 (von links nach innen ziehen, mit rechts schießen) hat ihn jahrelang zu einer Existenz als Linksverteidiger verdonnert, weil die Menschheit der Überzeugung war, links passe besser zu ihm als rechts (was Lahm anders sah).

Guardiola kann ihn als reinen Mittelfeldspieler nicht durchsetzen

Und die Geschichte des WM-Titels 2014 erzählt die Menschheit in einer Version, die Lahm, wie er zuletzt immer wieder andeutete, ebenfalls nicht unterstützt. Deutschland, so sieht es die Menschheit, wurde in Brasilien erst zum Sieger-Team, als Lahm das Mittelfeld verließ und wieder nach rechts hinten rutschte.

Lahms Schicksal ist es auch, dass er den Menschen als Mittelfeldspieler bisher weniger unvergessliche Fernseh-Momente hinterlassen hat. Lahms Beiträge im Zentrum sind weniger laut als auf dem Flügel, er steuert das Spiel dort mit leiser Souveränität, und es hat ihm für sein Image als Mittelfeldspieler nicht genutzt, dass er sowohl bei der WM als auch im Champions-League-Halbfinale gerade erst aus längeren Verletzungspausen zurückgekehrt war. Er wirkte dort nicht so spritzig und so unerschütterlich wie der Lahm, den die Zuschauer vom Flügel kennen.

Pep Guardiola weiß, dass er Lahm als reinen Mittelfeldspieler im aktuellen Kader nicht durchsetzen wird, weil das bedeuten würde, dass Rafinha als Monopolist rechts hinten 50 Saisonspiele bestreitet. Lahm dürfte einstweilen ein Stammspieler ohne Stammposition bleiben, Guardiola wird seinen Lieblingsprofi mal zentral, mal rechts besetzen oder am schlausten irgendwo halb rechts. Dann dürfen die Verantwortlichen behaupten, Lahm sei Rechtsverteidiger. Und Lahm darf sich als Mittelfeldspieler fühlen.

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