Die Gedanken des FC Bayern München hingen gerade eigentlich woanders. Am Abend zuvor waren die Männer im Viertelfinale der Champions League gegen Inter Mailand ausgeschieden. Was bedeutete, dass sie sich von der romantischen Vorstellung lösen mussten, das Finale dahoam in München zu spielen und auf diese ideale Weise Thomas Müller gebührend zu verabschieden. Und während der Klub an seinem Hauptsitz in der Säbener Straße damit beschäftigt war, diese Partie und ihre Folgen zu verarbeiten, verschickte die Dependance vom FC Bayern Campus aus dem Norden der Stadt überraschend eine Abschiedsnachricht.
Alexander Straus wird als Chefcoach der FC Bayern Frauen zum Saisonende aufhören, „auf eigenen Wunsch“, so teilte es der Klub am Donnerstagvormittag mit. Im Sommer 2022 war der damals in Deutschland unbekannte Norweger von SK Brann Bergen als Nachfolger von Jens Scheuer gekommen. Im Mai 2024 hatte er seinen Vertrag nach dem Gewinn der zweiten Meisterschaft ohne Niederlage um ein Jahr bis 2026 verlängert. Nun bat Straus darum, den Kontrakt vorzeitig aufzulösen, „um sich einer neuen Herausforderung zu widmen“. Sein letzter offizieller Arbeitstag in München wird der 31. Mai sein, danach geht es für ihn weiter in der nordamerikanischen Profiliga NWSL. Straus wird dort Angel City FC trainieren, das gab der Klub aus Los Angeles wenige Stunden nach der Info des FC Bayern bekannt.

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Straus habe bei der Entwicklung der Fußballerinnen „einen unschätzbar wichtigen Anteil geleistet“, sagte Bayerns Sportvorstand Max Eberl. „Er wird sich in München durch das große Tor verabschieden.“ Dieser Abschied dürfte sogar ein historischer werden. Straus könnte nicht nur der erste Trainer in der Geschichte des FC Bayern werden, der die Bundesliga mit den Fußballerinnen dreimal in Serie gewinnt, sondern auch der erste, mit dem die Münchnerinnen das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal feiern. 2024 hatten sie das noch verpasst.
Die Liga führt das Team deutlich an, drei Spieltage vor Schluss beträgt der Vorsprung auf den VfL Wolfsburg acht, und auf Eintracht Frankfurt neun Punkte. Im Pokalfinale gegen Werder Bremen sind die Münchnerinnen klarer Favorit. Und so könnten sie innerhalb weniger Tage gleich zwei Titel holen, sollten sie am 27. April im Heimspiel gegen Freiburg und am 1. Mai im Pokalfinale in Köln reüssieren. Insgesamt würde die gemeinsame Titelsammlung bestenfalls fünf Trophäen umfassen – zu Beginn der Saison hatte der FC Bayern den erstmals seit 1997 wieder ausgetragenen DFB-Supercup gegen Wolfsburg geholt. Man kann sich also denken, dass sie am Campus die erfolgreiche Zusammenarbeit gerne fortgesetzt hätten.
„Wir haben den Frauenfußball beim FC Bayern zusammen auf die nächste Stufe gehoben“, sagt Direktorin Bianca Rech
Aber die Verlockung, zu Angel City zu wechseln, war offensichtlich zu groß. Auch wenn Straus in seinen Abschiedsworten andeutet, dass die Gründe auch in seinem Privatleben lagen. Die Arbeit beim FC Bayern habe „Herausforderungen im familiären Bereich mit sich gebracht“, sagte der Vater von zwei Kindern. In den USA dürfte die Herausforderung nicht minder groß sein. Schon die Gründung des Vereins 2020 mit diversen prominenten Investorinnen aus dem Showgeschäft und Profisport sorgte für Aufsehen. Und nachdem Disney-CEO Bob Iger und seine Frau im Sommer 2024 als Mehrheitseigentümer eingestiegen waren, stieg Angel City FC mit einem Wert von 250 Millionen US-Dollar auf zum weltweit wertvollsten Frauenteam im Sport. Nach vier Spieltagen ist Los Angeles Vierter, Straus soll die Engel zum Meister machen.
Er gilt als ein Trainer, der sich permanent und detailliert mit dem Fußball auseinandersetzt, sich in Taktiken vertieft. Der viel Wert auf Gespräche mit Spielerinnen legt und eine Variante in seinem auf Ballbesitz und Kontrolle ausgelegten, offensiven Spielstil lieber einmal zu oft und zu ausführlich bespricht. Empathisch, aber fordernd. Einer, der den Anspruch des FC Bayern unmittelbar erfüllen wollte, aber nicht müde wurde zu betonen, dass es ihm um einen langfristigen Prozess im Sinne einer Erfolgsgeschichte geht, wie sie die Männer begründet haben. Entsprechend intensiv dürften die vergangenen drei Jahre in München für ihn gewesen sein: „Ich wusste, dass es hart werden würde, wenn ich einmal Abschied nehmen werde von dem Verein, der zu einem so großen Teil meines Lebens geworden ist.“
Unter Straus gelang eine beeindruckende Serie von 44 Punktspielen ohne Niederlage von 30. Oktober 2022 bis 5. Oktober 2024. Mit ihm wollte der FC Bayern sich weiterentwickeln und seine nationale Vormachtstellung etablieren. Bei diesem Unterfangen profitierte der 49-Jährige auch von diversen Transfers hochveranlagter Spielerinnen. Seine Handschrift bei der Entwicklung des Teams aber war durchaus zu erkennen, auch wenn es international nicht über das Viertelfinale in der Champions League (2023, 2025) hinausreichte. Diese Saison war Rekordsieger Olympique Lyon zu stark für die verletzungsgeplagten Münchnerinnen. „Wir haben den Frauenfußball beim FC Bayern zusammen auf die nächste Stufe gehoben“, sagte Bianca Rech, Direktorin Frauenfußball. „Das war immer Alex’ großes Ziel, und das haben wir gemeinsam erreicht.“
Wer nun die Aufgabe übernimmt, das Standing des Teams in Deutschland weiter zu festigen und die internationale Lücke zu schließen, gab der FC Bayern bislang nicht bekannt. Wahrscheinlich hat die Suche nach Coach Nummer 14 seit den Anfängen im Jahr 1970 gerade erst begonnen.