Süddeutsche Zeitung

Vertragspoker um David Alaba:Bayerns herbe Absage an den Berater

Mit dem Rückzug des Angebots für David Alaba bleibt der FC Bayern seinem Geschäftsprinzip treu - der Spieler hat aber auch noch ein paar Optionen.

Kommentar von Philipp Selldorf

Vor nicht allzu langer Zeit hatte Robert Lewandowski das dringende Verlangen, den FC Bayern zu verlassen und zu Real Madrid zu wechseln. Zur fachkundigen Betreuung der Transaktion engagierte er den Spieleragenten Pini Zahavi, der schon wesentlich schwierigere Aufträge erledigt hat, unter anderem für Männer wie Roman Abramowitsch und Sir Alex Ferguson. Diesmal schien die Ausgangslage sogar denkbar einfach zu sein: Lewandowski wollte zu Real Madrid, und Real Madrid wollte Lewandowski.

Der FC Bayern sollte für den Verlust reich entschädigt werden, mehr als 100 Millionen Euro standen zur Debatte. Als es im Sommer an der Zeit war, die Sache in Gang zu bringen, suchte Lewandowski den Präsidenten Uli Hoeneß am Tegernsee auf und überbrachte ihm die dringende Bitte, Pini Zahavi zu empfangen. Sehr gern treffe ich Herrn Zahavi, erwiderte Hoeneß und machte sogar einen präzisen Terminvorschlag: 3. September - am Tag nach Ende der Transferperiode.

Als das letzte Nein des FC Bayern verklungen war, erkundigte sich Hoeneß, ob Lewandowski trotzdem noch mit ihm zum Mittagessen gehen wollte. Er kam tatsächlich mit. Dass der Torjäger "nur einen kleinen Fisch" aß, wie Hoeneß später erzählte, geschah übrigens nicht aus Verstimmung, sondern mit Rücksicht auf die Diät, die er an 365 Tagen im Jahr hält.

Die Geschichte mit Alaba muss damit nicht vorbei sein

Nun musste Pini Zahavi, 77, ein weiteres Mal erfahren, dass der FC Bayern eigene Geschäftsprinzipien hat. Auch als Interessenvertreter für David Alaba handelte er sich eine herbe Absage ein. Am Sonntagabend ließ ihn FC-Bayern-Präsident Herbert Hainer wissen, dass der Klub die Verhandlungen über einen neuen Vertrag für Alaba als gescheitert ansehe und sein Angebot zurückziehe. Allerdings griff Hainer nicht zum Telefon und rief Zahavi an. Er verbreitete die Nachricht im Fernsehstudio des Bayrischen Rundfunks. Er sendete damit eine ähnlich klare Botschaft wie vor 15 Jahren der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, als er auf der Jahreshauptversammlung ohne das Wissen der Gegenseite mitteilte, ab sofort habe das Vertragsangebot für Michael Ballack keine Gültigkeit mehr. Die Mitglieder haben gejubelt, Ballack und sein Berater waren tief verärgert.

Die Vertragssache Alaba zog sich seit Monaten hin, in diesen Monaten hat sich die Situation auf dem Transfermarkt fundamental geändert. Die Corona-Krise hat den Super-Boom im Profifußball gestoppt, die Epoche der Hyperinflation ist fürs Erste vorbei, selbst Großklubs geraten in Schwierigkeiten. Dass die Bayern jetzt demonstrativ von ihrem eigenen Angebot Abstand nehmen, dürfte ihnen wie einst bei Ballack Beifall einbringen. Im Publikum hat das Verständnis für die wuchernden Gagen stark abgenommen. Mit dem Angebot eines langfristigen Vertrags samt stattlicher Gehaltserhöhung hatten die Bayern ausgedrückt, dass ihnen Alaba - inzwischen 28 Jahre alt - trotz der drastisch sinkenden Umsätze immer noch besonders viel wert ist.

Die Geschichte muss damit nicht vorbei sein. Alaba hatte Zahavi im Frühjahr sein Mandat erteilt. Das Engagement hat sich bisher zwar nicht ausgezahlt, kann sich aber immer noch lohnen. Er könnte die Schuld für die gescheiterten Gespräche dem Berater geben und einen neuen Mann in neue Gespräche schicken. Oder er macht es wie Lewandowski, der an Zahavi festhielt und diesen den nächsten Vertrag mit dem FC Bayern aushandeln ließ. Derzeit macht er in München einen sehr zufriedenen Eindruck.

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SZ vom 03.11.2020/ebc
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