Süddeutsche Zeitung

FC Barcelona:Wie der Neymar-Wechsel Barça ins Chaos stürzt

  • Der FC Barcelona bricht einen millionenschweren Rechtsstreit mit seinem ehemaligen Stürmer Neymar vom Zaun.
  • Top-Profis wie Lionel Messi solidarisieren sich mit dem nach Paris gewechselten Angreifer.
  • Die gesamte Transferpolitik vertieft die Gräben zwischen Team und Klub-Bossen.

Von Javier Cáceres

Am frühen Mittwochmorgen, kurz nach vier Uhr, war das Chaos rund um den FC Barcelona endgültig komplett. Auf den offiziellen Konten, die Barça bei Twitter und Facebook pflegt, hieß der Klub den Stürmer Angel Di María willkommen. Dort, wo man aufgrund der Zeitverschiebung entweder noch nicht zu Bett gegangen oder bereits wieder aufgestanden war - zum Beispiel in Di Marías argentinischer Heimat -, rieb man sich nicht den Schlaf, sondern die Verwunderung aus den Augen. Eine Transferankündigung um 04:07 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit? Ernsthaft?

Natürlich nicht. Kaum, dass die Geschichte viral gegangen war, wie man heutzutage zu sagen pflegt, meldeten sich ihre Urheber, sendeten ein Tränen lachendes Emoticon ins weltweite Netz und baten um Vergebung für den "hoax", zu Deutsch: den "Scherz".

Sie gehörten einer Sicherheitsfirma an, von der Kenner wissen, dass sie Eigenwerbung am liebsten durch Angriffe auf Sozialnetzwerk-Konten von prominenten Internetnutzern betreibt: Leute wie Bill Gates oder Mark Zuckerberg können ein Lied davon singen. Bei Barça aber wirkte alles noch viel schlimmer. Denn wie es der katalanische Schriftsteller Sergi Pamies in der Zeitung La Vanguardia zusammenfasste, wirkt alles, was Barça zurzeit unternimmt, so, als ob Jerry Lewis gerade den Weg weise - der soeben verstorbene Slapstick-Künstler aus den USA.

Ein millionenschwerer Rechtsstreit

Denn es war einerseits tatsächlich so, dass der FC Barcelona seine Fühler nach Di María ausgestreckt hatte, nachdem ihn sein Manager Jorge Mendes lange vergeblich bei Barça angeboten hatte. Selbst am Mittwochmittag noch berichtete die Zeitung Sport, dass sich Barça mit Di María einig und PSG bereit sei, den Argentinier für 50 Millionen Euro gehen zu lassen.

PSG müsse seine Transferbilanz ausgleichen, durch den neulich erst bei Barça für 222 Millionen Euro ausgelösten Neymar Jr. ist sie bekanntlich aus den Fugen geraten. Andererseits war das alles doch etwas seltsam. Denn rund um den Neymar-Transfer tobt ein millionenschwerer Rechtsstreit, der PSG sehr direkt betrifft.

Am Dienstag gab Barça bekannt, Neymar Jr. vor einem Sozialgericht verklagt zu haben. Barça fordere Neymar Jr. auf, den bereits ausgezahlten Anteil der Prämie für seine Vertragsverlängerung aus dem Jahr 2016 zurückzuzahlen. Zudem wolle man Schadenersatz in Höhe von 8,5 Millionen Euro sowie Verzugszinsen von zehn Prozent.

Der 2016 ausgezahlte Teil der Prämie betrug Medienberichten zufolge mindestens 21 Millionen Euro; die Summe, die Barça von Neymar verlangt, summiert sich also auf mehr als 30 Millionen Euro. Nicht eingerechnet: der für den Sommer 2017 avisierte Anteil an der Vertragsverlängerungsprämie, der bei 26 Millionen Euro liegen soll. Diesen Betrag hat Barça auf einem Konto deponiert, das von einem Notar verwaltet wird.

PSG wiederum hängt in zweierlei Hinsicht mit drin. Zum einen, weil Barça erklärte, dass man die Klage auch dem spanischen Verband RFEF übermittelt habe. Er solle sie an den Weltverband und die Kollegen aus Frankreich (FFF) weiterreichen, auf dass diese die Maßnahmen ergreifen, die sie für "opportun" halten. Eine kaum verklausulierte Forderung nach einer Sperre für Neymar.

Zudem forderte Barça, dass PSG "behelfsmäßig" einspringen müsse, wenn Neymar Jr. die mehr als 30 Millionen Euro gerade nicht flüssig haben sollte. So gesehen war es nur plausibel, dass die Zeitung Le Parisien am Mittwoch meldete, PSG-Präsident Nasser Al-Khelaïfi habe Barça-Boss Josep María Bartomeu "sehr trocken" mitgeteilt, Di María stehe "nicht zum Verkauf".

Mehr als darüber dürfte sich Bartomeu aber geärgert haben, dass ihm Barças prominenteste Profis auf der Nase herumtanzen. Denn das Kommuniqué über den Rechtsstreit mit Neymar Jr. war wohl auch als Antwort des Klubs auf Neymars Attacken vom Sonntag gedacht. In Barças Führung säßen "Leute, die da nicht hingehören", hatte Neymar in Paris gesagt.

Am Dienstag nun flog er nach Barcelona, um den Geburtstag seines Sohns zu feiern. Zur Party kamen aber nicht nur die Freunde des Buben, sondern auch seine eigenen: Gerard Pique, Ivan Rakitic, Luis Suárez - und Lionel Messi, der immer noch nicht seine Vertragsverlängerung unterschrieben hat. Auch Messi postete Fotos mit Neymar in den sozialen Netzwerken - was als Solidarisierung mit Neymar und Affront gegen Präsident Bartomeu verstanden werden musste.

Denn gesichert ist, dass sich zwischen Mannschaft und Klub-Bossen wegen der erratischen Personalpolitik ein abgrundtiefer Graben aufgetan hat. Die vorletzte Volte führte dazu, dass sich der ivorische Mittelfeldspieler Jean-Michael Seri am Dienstag schon von seinen Teamkameraden beim OSC Nizza verabschiedet hatte. Dann wurde ihm überraschend mitgeteilt, dass Barças es sich wieder anders überlegt habe; Seri gilt nun als am Boden zerstört.

Bleiben also noch Barças Bemühungen um Ousmane Dembélé (Borussia Dortmund) und Coutinho (FC Liverpool), die seit Tagen bei ihren Klubs nicht trainieren. Barça hat versucht, mit den Klubs zu verhandeln. Ohne Erfolg. Im Fall Dembélé gilt weiter das Wort vom Sonntag des BVB-Chefs Hans-Joachim Watze: Entweder Barça zahlt die Summe, "die wir uns vorstellen", dann wird Dembélé transferiert. Oder nicht. Im Gespräch sind bis zu 150 Millionen Euro. Verhandelt wird jedenfalls nicht.

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SZ vom 24.08.2017/chge
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